
© Andreas Klaer
Die Rothenburg-Schwestern in Potsdam: Sie wollten Hammer statt Amboss sein
Vor 25 Jahren eröffneten Christina, Barbara und Juliane Rothenburg ihre erste Galerie. Aus der Potsdamer Kreativszene sind sie nicht mehr wegzudenken.
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Potsdam - Es ist lange her, dass die Lindenstraße Otto-Nuschke-Straße hieß. 1990 eröffneten in der damals noch nach dem stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR benannten Straße in Potsdams Innenstadt die Rothenburg-Schwestern ihre Galerie Extra. Am 13. November 1990 schrieb eine Zeitung von der „Galerie der drei Schwestern“. Den Artikel haben sie natürlich ausgeschnitten und aufgehoben: Drei Damen posen für die Fotografin, im Hintergrund sieht man textile Ausstellungsstücke. 24 Jahre später hat der Potsdamer Grafikdesigner Bernd Chmura das Trio abgebildet in exakt gleicher Pose und nun ist sogar ein Vierteljahrhundert Rothenburgdynastie voll. Christine Vierke, geborene Rothenburg, und Barbara und Juliane Rothenburg mischen seit 1990 in der Kunst- und Galerielandschaft der Stadt mit. Das soll gewürdigt werden. Otto Nuschke ist längst passé, die Galerie auch, aber die drei Rothenburgs sind immer noch kreativ.
Familientradition: viele kreative Berufe
Im Café von Barbara, Treffpunkt für Künstler und Musiker, und bei Konzerten oft so voll, dass man auf den Bürgersteig ausweichen muss, sitzen sie an einem Tisch. Es war gar nicht einfach, alle gleichzeitig zusammenzubekommen. Und nun erzählen sie alle durcheinander, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen: Christine Vierke ist die Älteste, im Blumenladen „Blütenmeer“ bringt sie Floristik mit textiler Kunst zusammen, gestaltet Tisch- und Zimmerschmuck, bietet Kurse an zum Vergolden, Lampenschirmgestalten, Textilienrecyclen. In wenigen Wochen wird sie bei den Brandenburger Designtagen ausstellen, daneben besucht sie wieder einmal eine Fortbildung. Das scheint so üblich in der Familie. Immer kommt etwas Neues. Alle haben mehrere Berufe. Und immer hat es etwas mit Kreativität zu tun. „Das haben wir von unserer Mutter“, sagt Barbara Rothenburg.
Aufgewachsen sind sie in einer Kleinstadt, in Luckenwalde. Dass sie noch einen kleinen Bruder haben, erfährt man erst auf Nachfrage. „Der Kronprinz, natürlich“, sagen sie und lachen schallend. Die Mädchen entwickelten früh eine ganz besondere Verbundenheit miteinander. Alle drei lernten von der Mutter das Schneidern, Juliane und Christine machten später sogar eine Schneiderlehre. Das war in den 1970ern, als es für Teenager nie das Richtige zu kaufen gab. Sie nähten die Miniröcke kürzer, die Schlaghosen weiter.
Nach der Wende richtig losgelegt
Die von der Mutter geerbte Kreativität verband sich mit dem Lebensmotto des Vaters: dass man sich entscheiden muss, ob man Amboss oder Hammer sein will im Leben. Die Mädels wollten Hammer sein. Und zwar in Potsdam. Nacheinander zogen sie in die Bezirkshauptstadt, lernten kreative Berufe. Und konnten nach der Wende so richtig loslegen.
Von der Galerie allein konnten sie natürlich nicht leben. Aber wenn das eine nicht geht, geht was anderes, sagt Juliane Rothenburg, die jüngste der drei. „Wir haben dafür Ausdauer.“ Die gelernte Restauratorin machte sich vor 18 Jahren mit einem Atelier in der Mittelstraße selbstständig. Sie kreiert dort fantasievolle Kopfbedeckungen, Accessoires, Handtaschen, Lichtobjekte, gibt alten Möbelstücken ein neues Aussehen. Bei ihr kauft ein, wer etwas Besonderes will, ein Unikat, das auffällt. Rhea Perlman, die Frau von Danny DeVito, schneite hier eines Tages rein, als sie im Holländischen Viertel auf Shoppingtour war, während ihr Mann in Berlin einen Preis verliehen bekam. Und Franziska Knuppe hat hier als ganz junge Frau gemodelt. Aber eigentlich wollen sie über prominente Kunden lieber keine Auskunft geben. „Sie sind für uns ganz normale Kunden“, sagt auch Blütenmeer-Inhaberin Christina Vierke.
Auch Angela Merkel war mal im Café Rothenburg
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mal im Café Rothenburg war, das ist kein Geheimnis. Der Schnappschuss von Barbara und Angela ist Teil einer kleinen Fotogalerie gegenüber der Bar. „Sie kam zu einer Wahlkampfveranstaltung, machte sich hier frisch und aß eine Kleinigkeit“, sagt Barbara. Der Sicherheitsdienst fand wohl, dass es im Café recht übersichtlich war. Oben auf dem Podest nahm die Kanzlerin Platz. Seit 1998 führt Barbara, gelernte Dekorateurin, das Café Rothenburg in der Gutenbergstraße. Das Interieur stammt aus der ehemaligen Kreuzberger Kneipe ihres Mannes. Auch der sogenannte Hungerturm. So werde die abgerundete, gläserne Ecke im Tresen genannt, wo früher Leckereien des Berliner Buffets wie Soleier oder Bouletten ausgestellt wurden, erklärt sie. Heute steht dort Goldrandgeschirr, ein Geschenk ihrer Mutter. Die Kunst an den Wänden ist aktueller, derzeit stellt hier der Potsdamer Maler Wolf-Dieter Pfennig aus.
Ihre neue Heimatstadt beobachten die drei Rothenburgs genau. Das Holländische Viertel sei mittlerweile sehr touristisch geworden, sie vermissen die einstige Vertrautheit und Leichtigkeit, die hier unter den Bewohnern herrschte. Barbaras Lieblingsort ist der Bassinplatz am frühen Sonntagmorgen, ohne Autos, dafür im herbstlichen Nebel. Juliane radelt gern den Ökonomieweg durch Sanssouci, vorbei am Chinesischen Teehaus. Und Christina sucht und fotografiert historische Türklinken, möglichst in Tierform.
Aber wenn sie nach ihrem Motto leben, dass es immer irgendwie weitergeht, dann muss man mit den Rothenburg-Schwestern noch ein Weilchen rechnen. Sie wollen in Potsdam bleiben, natürlich zusammen. Das sei ihnen nach 25 Jahren gemeinsamen Schaffens mehr denn je bewusst.
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