Landeshauptstadt: Skandinavische Teddys und Pompeji-Morgenmäntel
Vor zehn Jahren übernahm Lothar Metzner die „Kunsttruhe“. Darin findet sich viel Schönes
Stand:
Dass Lothar Metzner einmal ein Gespür für Kunst und Kultur entwickeln würde, das hätte er damals in Leningrad nicht gedacht. Fünf Jahre verbrachte er als Student der EDV im heutigen Sankt Petersburg, und natürlich habe er damals die Eremitage, das bedeutende Kunstmuseum, besucht. „Aber eigentlich bin ich ein Mann der Zahlen“, sagt er heute. Heute ist Metzner, 66 Jahre alt, Inhaber eines gut etablierten Geschäfts für Kunstgegenstände, Souvenirs, Dekoration. Vor zehn Jahren, am 1. Juli 2004, übernahm er gemeinsam mit seinem Sohn André die „Kunsttruhe“ im Holländischen Viertel. Morgens kurz vor elf Uhr räumt er jetzt täglich die Ware auf den Bürgersteig hinaus: Aufsteller mit Postkarten und Körbe voller Seidenblumen, bunte Tupfer, an denen das Auge der Vorübergehenden hängen bleibt. Die Seidenblumen sind sein Aushängezeichen, sein Stolz – weil er die noch anbietet, obwohl es sich so richtig ja nicht mehr lohnt, denn die Potsdamer, sagt sein Gefühl 25 Jahre nach der Wende, sind mittlerweile gut versorgt mit schönen Dingen. Aber in der Kunsttruhe gibt es sie noch: Fette Klatschmohnblüten, 15 Zentimeter Durchmesser, Lavendel, Tulpen. Und natürlich Rosen, das Stück bis zu 24 Euro, Seiden-Blumen täuschend echt bis hin zu einer kleinen Schnittstelle am Stengel, als hätte dort gerade ein Gärtner eine Blüte abgetrennt.
1998 begann Metzner als Mitarbeiter bei der „Kunsttruhe“ – eine Umstellung für den Zahlen-Mann, einstiger Betriebsleiter einer Warenhauskette. Einkauf und Dekoration, das traute er sich nicht zu. Als Inhaber aber musste er auch dieses übernehmen. Heute ist ihm gerade die Warenpräsentation sehr wichtig. Alles wird regelrecht eingerichtet – nicht schnöde eingeräumt in irgendwelche praktischen Regale oder gar Kisten. Ansprechend soll es aussehen und Lust machen, etwas davon mitzunehmen. Metzner führt eine umfangreiche Auswahl aus dem Museumsshop Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, persönlich ausgewählte Kleinigkeiten, CDs und Bücher, Schreibgerät, Kerzen, Porzellan mit Friedrichs Konterfei oder lieblichem Rosendekor. Und oben drüber Bilder des Potsdamer Malers Olaf Thiede. Es sollte schon Stil haben oder sinnvoll erscheinen, was Metzner in sein Sortiment aufnimmt, auch wenn er die eigene Regel hin und wieder bricht: Ein paar klassische Geschenke für Männer müsse er schon anbieten, „Schlips und Schnaps“ nennt er die Kategorie, bei ihm findet sich auch eine kleine Auswahl an Wein.
Daneben gibt es in dem Eckhaus an der Kreuzung Mittel- und Benkertstraße auch hochwertige Bett- und Tischwäsche zu kaufen. Bassetti, die italienische Marke, die gebe es in der Region nur bei ihm, sagt Metzner. Manche Kunden kommen dafür von weit her, im vergangenen Jahr schneite tatsächlich die ehemalige niederländische Königin Beatrix in seinen Laden und kaufte drei Kimonos. Den Zeitungsbericht darüber hat er im Hausflur aufgehängt.
Diese dünnen Morgenmäntel in exotischen Mustern gehen gut, Metzner zeigt ein ganz besonderes, „Oplontis“, mit Wandmalereimotiven aus eben jener antiken Villa bei Pompeji.
„Alles im Laden außer dem Tresen, der Kasse und mir kann man kaufen“, sagt er verschmitzt, selbst die Inneneinrichtung, alte Holzmöbel, und auch die Truhe – eine friesische Hochzeitstruhe, etwa 250 Jahre alt, stehen zum Verkauf. In der schweren Holztruhe lagern jetzt Stofftiere, Hund-Katze-Maus der schwedischen Marke Bukowski, verführerisch in Quengelhöhe. Im Regal einen Meter weiter steht Emaillegeschirr wie aus Omas Zeiten, „Münder-Emaille“ im Vintagelook, von der Seifenschale bis zur Teekanne.
Bei Musik wie Bachs Brandenburgischen Konzerten ist das die perfekte Stöber-Kombination. Die Potsdamer allerdings, meint Metzner, die sind längst eingerichtet. „Ich brauch doch nichts, sagen die immer, aber sie könnten ja wenigstens auf einen Schwatz hereinkommen“, das würde ihn freuen. Wer kommt, das sind die Touristen. „Die Berliner kommen Samstag und Sonntag und freuen sich ein Loch in’ Bauch“, sagt Metzner. Am Wochenende, da macht er am meisten Umsatz, und es ärgert ihn, dass Brandenburg so ein rückschrittliches Ladenöffnungsgesetz hat. „Ich dürfte streng genommen die Serviette mit einem Motiv von Friedrich dem Großen verkaufen, eine andere mit Blümchen drauf jedoch nicht“, nennt er ein Beispiel. Das sei doch absurd. Und dass er im Winter am Sonntag schließen muss, verderbe ihm das Weihnachtsgeschäft.
Doch er bleibe optimistisch, es hilft auch, dass er nicht allein von dem, was der Laden abwirft, leben muss. Ein paar Jahre noch, dann braucht er einen Nachfolger. Immerhin, im Sommer will sein Enkel bei ihm ein Praktikum machen. Derzeit beschäftigt er zwei Aushilfen, alle bereits im fortgeschrittenen Alter wie er selbst. „Wir sind der Rentnerklub, ne dufte Truppe“, sagt Metzner. Das berlinische Wort „dufte“ kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Metzner ein Zugewanderter ist. Erst seit 1973 ist er in Potsdam. „Ich bin ein waschechter Sachse“, sagt er, und freut sich immer wieder, wenn Landsleute in seinem Laden auftauchen.
In der ersten Juliwoche soll es, weil er seine erste Dekade voll hat, eine kleine Rabattaktion geben. Es gebe ja manchmal Kunden, so schnieke Damen, die gern um alles feilschen. „Und dann kommt so ein verlotterter Typ rein und kauft den halben Laden leer. Man kann sich ganz schön irren.“Kunsttruhe, Benkertstr. 6
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