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10 Jahre FH-Kulturarbeit: Prof. Voesgen zu den Perspektiven des Fachs
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10 Jahre FH-Kulturarbeit: Prof. Voesgen zu den Perspektiven des Fachs An der Fachhochschule Potsdam wird heute das 10-jährige Bestehen des Studiengangs Kulturarbeit begangen. Die PNN sprachen mit dem Leiter des Studiengangs, Prof. Herrmann Voesgen. Ist die Kulturarbeit angesichts von schwindenden Mitteln für kulturelle Einrichtungen noch ein Arbeitsfeld mit Zukunft? Ja, unbedingt. Insbesondere der Sparzwang verlangt Professionalisierung. In der öffentlichen Kulturförderung gibt es zwar Einschnitte, dem stehen jedoch in den privatwirtschaftlichen Bereichen wachsende Ausgaben für kulturelle Dienstleistungen gegenüber. Insgesamt sind die Kultur- und Medienbranchen sehr dynamisch. Denken Sie an das Stadtmarketing, das ohne vielfältige kulturelle Angebote und Kunst als Träger von Vermarktungskampagnen nicht denkbar ist. Eine weitere Chance für Kulturarbeiter mit ihren Managementkompetenzen ist die Verlagerung von Kulturaktivitäten aus den Verwaltungen in privatwirtschaftliche Betriebsformen. Dadurch entstehen neue Jobs für Kulturmanager. Wo finden sich die Absolventen der Potsdamer Kulturarbeit heute wieder? In ganz unterschiedlichen Bereichen. Ein Schwerpunkt sind öffentlich finanzierte, aber privatrechtlich organisierte Einrichtungen, wie die Berliner Festspiele, Kulturland Brandenburg, Lindenpark, Haus der Kulturen der Welt, Choriner Musiksommer, Kammerakademie Potsdam. Einige Absolventen sind in der Tourismuswirtschaft tätig, in der Öffentlichkeitsarbeit von Theatern, Festivals, Konzerthäusern. Drei Absolventen sind in der Schweiz in leitender Position in der Kulturverwaltung beschäftigt. Wir finden ehemalige Studenten in Plattenfirmen, bei Verlagen und einige arbeiten als selbstständige Projektentwickler. Gibt es für die Absolventen einen Arbeitsmarkt in der Region Berlin-Brandenburg? Brandenburg spielt als Arbeitsmarkt nur eine marginale Rolle. Es gibt nur vereinzelt in Potsdam und dem Verdichtungsraum Berlin Stellen. Ansonsten sieht es in Brandenburg mau aus. Berlin hat viele Möglichkeiten aber zur Zeit ist die Bezahlung oft sehr schlecht. In Süddeutschland können die Absolventen im Durchschnitt mehr verdienen. Prägen Ihre Absolventen die hiesige Kulturlandschaft? Prägen ist ein großes Wort, und das wäre wohl zu viel verlangt von jungen Menschen, die erst ein paar Jahre im Beruf stehen. Eine wichtige Aufgabe hat Sebastian Ehlert übernommen, er leitet inzwischen den Choriner Musiksommer. Welche Rolle spielt die Kulturarbeit heute in unserer Gesellschaft? Kultur und Kunst sind zum einen wichtige Faktoren für ökonomisches Wachstum. Dafür liefert Kulturarbeit qualifiziertes Personal. Kulturarbeit ist zum anderen zuständig für ästhetische und geistige Arbeit an der „neuen Gesellschaft“, jenseits von Vollbeschäftigung und linearem Wachstum. Im Spiel mit diesem Spannungsverhältnis sehe ich die Bedeutung von Kulturarbeit. Braucht man zur Arbeit im Kulturbereich eine wissenschaftliche Ausbildung? Man braucht ganz unterschiedlich ausgebildete Menschen in den Kulturbereichen. Wir bilden Praktiker mit der Lust am Denken und der Freude an ästhetischen Erfahrungen aus. Ich glaube, wir brauchen dringend Kulturarbeiter, die sich zwischen Wissenschaftlern, Künstlern und den „Machern“ professionell bewegen können. Ist es nicht von Vorteil, wenn man in dem entsprechenden Bereich – etwa Theater, Musik oder Film – ausgebildet ist? Das ist für einige Tätigkeiten sicherlich von Vorteil und viele unserer Studenten setzen im Hauptstudium Schwerpunkte in einem spezifischen Kulturbereich. Aber auch die generalistische Ausbildung hat Vorteile: Netzwerkarbeiter, die interdisziplinär, „crossover“ neue Zusammenhänge entdecken können, werden immer wichtiger. Schließlich wissen wir auch nicht, wie sich die Kulturbereiche und die Berufe in den kommenden Jahrzehnten entwickeln werden. Daher kann Überblick und Anschlusskompetenz nicht schaden. Was unterscheidet den Potsdamer Studiengang von vergleichbaren Ausbildungen? Wir sind einer der wenigen grundständigen Studiengänge. Ein besonderes Merkmal sind starke Anteile in kulturwissenschaftlichen und kultursoziologischen Bereichen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Medientheorie und -praxis. Wie entwickelt sich die Nachfrage der Studienanfänger nach der Kulturarbeit? Sie ist gleichbleibend hoch, trotz der wachsenden Zahl von Konkurrenzangeboten. Pro Studienplatz haben wir über zehn Bewerber. Viele haben bereits Praxiserfahrung und wollen ihre Kenntnisse professionalisieren und wissenschaftlich untermauern. Andere kommen im Anschluss an das freiwillige kulturelle Jahr zu uns. Zehn Jahre Kulturarbeit an der FH, woran denken sie beim Rückblick zuerst? In der ersten Sitzung mit den neuen Studenten im September 1995 fragte ein Student: „Warum kommen alle Professoren aus dem Westen?“. Der Student kam übrigens selber aus dem Westen. Die Ost-West Unterschiede spielten in den ersten Jahre eine große Rolle, sowohl in Lehrveranstaltungen, Projekten, wie auch im sozialen Leben des Studienganges. Heute kann ich meistens nur noch am Akzent vermuten, woher er/sie kommt. Ost-West ist unter den Studierenden kaum noch ein Thema. In welche Richtung soll sich der Studiengang in Zukunft bewegen? Wir werden, wie alle Studiengänge, auf Bachelor und Master umstellen. Durch den Master werden wir in einigen Bereichen differenzierter arbeiten und anspruchsvollere Projekte realisieren können. Dabei werden wir die Internationalisierung der Ausbildung ausbauen, unter anderem durch Kooperation mit ausländischen Studiengängen. Eine gute Plattform dafür bietet das kulturelle Netzwerk von Kulturmanagement-Ausbildern ENCATC, dessen Jahreskonferenz die Kulturarbeiter dieses Jahr in Potsdam ausgerichtet haben. Erstmals gab es auch eine Studentenkonferenz, die von unseren Studierenden organisiert wurde. Hilfreich ist hier auch meine Position als Präsident von ENCATC. Fragen von Jan Kixmüller
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