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Landeshauptstadt: Stadt: Land ist schuldlos im Fall Griebnitzsee

Bund wollte Mauergrundstücke verschenken / Thüringen einigte sich, Brandenburg stellte Bedingungen

Stand:

Potsdam sieht im Fall Griebnitzsee keine Versäumnisse der Landesregierung. Es sei der Stadt durch das Agieren des ehemaligen Agrar- und Umweltministers Dietmar Woidke (SPD) kein Schaden entstanden, sagte gestern Sprecher Stefan Schulz. Es sei nicht zutreffend, dass Woidke im Jahr 2003 das Angebot des damaligen Bundesfinanzministers Hans Eichel (SPD), Mauer- und Grenzgrundstücke des Bundes unentgeltlich an die Länder zu übertragen, abgelehnt habe. Woidke habe Bedingungen für die Übertragung der Flächen gestellt. Diese habe Eichel abgelehnt.

Die Vorgänge sind brisant: So sollen zu den Mauergrundstücken, die der Bund den neuen Ländern angeboten hatte, nach Informationen des „Spiegel“ auch jene 51 Ufergrundstücke am Griebnitzsee gehört haben, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit zum Höchstpreis verkauft. Dem Gebot der Stadt Potsdam über drei Millionen Euro werden dabei wenig Chancen eingeräumt. Hätte das Land sich mit dem Bund geeinigt, wären die strittigen Griebnitzsee-Flächen heute längst Landesbesitz.

Darauf hatte im September 2005 Potsdams damalige Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz (SPD) in einem Schreiben an das Landesumweltministerium hingewiesen. Von Kuick-Frenz appellierte darin, die „Einigung () zur unentgeltlichen Übertragung von Mauergrundstücken () aktiv zu betreiben“. Es bestehe „erhebliches Interesse“ der Stadt Potsdam, des Landes Berlin und der Gemeinden an der Landesgrenze, Mauergrundstücke für öffentliche Zwecke zu sichern – vor allem für den Mauerradweg und das Uferwegekonzept Potsdams. Dies sieht ein öffentliches Griebnitzsee-Ufer vor. Die Beigeordnete konstatierte, dass die „Belastungen“, die das Land mit der Übernahme der Grundstücke befürchte, wohl kaum eintreten würden – und wenn, werde Potsdam die Kosten übernehmen. Woidke hatte in seinem recht anmaßend formulierten Brief an Bundesfinanzminister Eichel festgestellt, dass Brandenburg das Grundstücks-Geschenk des Bundes nur annehmen werde, wenn die Flächen per notariellem Kaufvertrag an die Stiftung Naturschutzfonds gingen, dem Land keine Vermessungskosten entstünden und keine Mauergrundstücke darunter seien, die mit Altlasten belastet sind. Dies lehnte Eichel im Februar 2005 als „nicht akzeptabel“ ab.

Doch nicht nur daran ist der Deal damals gescheitert: So hatte Eichel zur Voraussetzung gemacht, dass alle neuen Bundesländer dem Verfahren zustimmen – schließlich hätte das Geschenk des Bundes an die Länder gleichzeitig bedeutet, dass die Grundstücke nicht verkauft werden. Damit hätten die neuen Länder weniger Geld aus dem Mauerfond bekommen, in den die Verkaufserlöse der Mauergrundstücke – auch jener am Griebnitzsee – fließen. Nach PNN-Informationen hat Sachsen das Vorgehen des Bundes damals abgelehnt; eine entsprechende Anfrage konnte das sächsische Finanzministerium gestern nicht mehr beantworten. Gleichzeitig hat Thüringen sich jedoch im November 2008 mit dem Bund auf eine unentgeltliche Übertragung von 3863 Hektar an der ehemaligen innerdeutschen Grenze geeinigt: Der Bund verschenkte die Grundstücke für das Naturschutz-Projekt „Grünes Band“, das deutschlandweit Biotope am ehemaligen 1400 Kilometer langen Grenzverlauf sichern soll. Damit werde an die deutsche Teilung erinnert, so der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Thüringen verpflichtete sich, jährlich 520 000 Euro für die Pflege der Gebiete zu zahlen.

Im Griebnitzsee-Konflikt, der eine Hauptrolle im derzeitigen Oberbürgermeister-Wahlkampf spielt, könnte der Thüringer Einigung mit dem Bund eine Schlüsselrolle zukommen: Sie belegt, dass der Bund offensichtlich nicht gezwungen ist, wie im Fall Griebnitzsee die ehemaligen Mauergrundstücke höchstbietend zu verkaufen. Für ein Naturschutz-Projekt am Berliner Mauerstreifen könnten theoretisch auch hier die Flächen unentgeltlich an das Land gehen – sofern das Angebot noch aktuell ist, Brandenburg sich mit dem Bund einigt und die neuen Länder dem Verfahren zustimmen würden.

Dem Szenario steht allerdings das aktuell laufende Verkaufsverfahren für die 51 Griebnitzsee-Grundstücke – davon sind 50 Mauergrundstücke – entgegen. Bereits Ende September soll der Haushaltsausschuss über den Zuschlag entscheiden. Für Donnerstag hat die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein (SPD) die Mitglieder des Ausschusses zum Ortstermin geladen. Die Stadtverordneten beschlossen unterdessen gestern auf Antrag der Linken, dass der neue Bebauungsplan für das Griebnitzseeufer bis Dezember fertig werden muss. Allerdings konnte sich Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg nicht der Forderung durchsetzen, der B-Plan müssen als „Chefsache“ werden und sollte bereits im November vorliegen. Ursprünglich sollte der Plan im September fertig sein. Von ihm hängt ab, ob es wieder eine Rechtsgrundlage für einen Uferweg gibt. Den ersten Bebauungsplan hatte ein Gericht wegen schwerer Mängel kassiert. S. Schicketanz(mit gb)

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