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Buch „Prominente in Potsdam“: Stadtgeschichte mit Knickerbocker

Das Buch „Prominente in Potsdam“ erzählt von Künstlern, Wissenschaftlern und mutigen Widerständlern.

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Potsdam - Ein Foto von 1989 zeigt die Dortustraße 68 mit einem weißen Banner von Fenster zu Fenster: „Hier wohnte 1854–56 Theodor Storm“. Als der Dichter hier wohnte, war das marode Haus sicher besser in Schuss. Und möglicherweise hing das Banner dort, um das Haus vor dem Abriss zu retten. Das Bild dokumentiert aber auch ein damals neu erwachendes Interesse an Potsdams Geschichte. Während die DDR ihre ganz eigenen Promis aus Politik, Arbeiter- und Bauernkunst feierte, hatte Potsdam natürlich weit mehr Berühmtheiten zu bieten. Darunter viele, die in Vergessenheit geraten waren. Ausgerechnet ein Schwabe hat jetzt zu berühmten und bekannten Bürgern der Stadt geforscht. Im Bebra-Verlag erschien „Prominente in Potsdam“, ein neues Buch von Gerhard Drexel, der vor Jahren aus Stuttgart nach Berlin zog und seitdem, als begeisterter Neu-Berliner, bereits mehrere Bücher zu regionalen Themen veröffentlicht hat.

Nun also Potsdams Prominenz. Um es vorwegzunehmen: Ausdrücklich nicht inkludiert sind lebende Personen, die heute auf Titelseiten erscheinen. Drexel hat sich in enger Absprache mit dem Verlag auf wichtige Potsdamer vor allem des 19. und 20. Jahrhunderts konzentriert. 17 Personen werden in ihrem Potsdam-Bezug vergleichsweise ausführlich vorgestellt, insgesamt 117 Personen, darunter auch mancher Klassiker wie die Preußenkönige, werden in einem zweiten Teil etwas knapper beschrieben. Das Buch beginnt zudem mit einer Einleitung zur allgemeinen Stadtgeschichte von der Stadtgründung bis zum 20. Jahrhundert. Im Anhang listet Drexel die Grabstellen berühmter Potsdamer sowie Vorschläge zu Stadtspaziergängen, die an ihren damaligen Wohnstätten entlangführen.

Die Promidichte in Potsdam war zu allen Zeiten hoch. „Potsdam war Residenzstadt. Der königliche Hof war ein großer Arbeitgeber“, sagt Drexel, „dort tummelten sich Künstler, Schriftsteller und Architekten.“ Die Garnisonstadt Potsdam brachte bekannte Militärs hervor, der Telegrafenberg zog Wissenschaftler an, die Medienstadt Filmstars. Zu den Berufspromis kamen um 1900 Unternehmer und Gründer hinzu, die es aus dem Moloch Berlin ins schöne Umland zog, zum Beispiel in die Villenkolonie Neubabelsberg.

Die Zeit bis zur DDR ist ein reicher Fundus, danach wird es spärlicher. Manche bleiben, andere verlassen den Osten und kommen später, nach 1989, in ihre Heimatstadt zurück „Ich halte das jetzige Potsdam für etwas ganz Besonderes“, sagt Drexel. Die Bündelung von Kunst- und Gartengeschichte, Wissenschaft, Filmbusiness gepaart mit Lebensqualität sei in Deutschland einzigartig.

Diese Art Stadtgeschichte, anhand von Menschen erzählt, macht aus dem Buch eine spannende Lektüre auch oder gerade für Potsdamer. Denn zwar finden sich viele Prominente auf Potsdamer Straßenschildern oder Gedenktafeln, aber Drexels sachliche und zugleich menschelnde Beschreibungen geben ihnen Gesichter. Ihre Biografien beinhalten berührende Familiengeschichten, zeigen die Entwicklung von Industrie und Wissenschaft. Sie zeigen, was die Menschen damals antrieb, wie sie in Potsdam zurechtkamen, woran sie scheiterten. Sie haben Spuren hinterlassen, Wohnhäuser, Wirkungsorte. Hier kann man auf eigene Spurensuche gehen.

Besonders überrascht war Drexel, dass sich nach seiner Quellenlage die Keimzelle des Widerstands gegen Hitler im August 1944 in Potsdam befand. So widmet er Hermann Maaß ein ganzes Kapitel. In dessen hübschem Holzhaus in Babelsberg – heute Hermann-Maaß-Straße 27 – empfing er Mitglieder der Attentatsverschwörung, darunter Stauffenberg und Moltke. Die Gestapo holte Maaß schon am 8. Juli 1944 ab, am 20. Oktober wurde er hingerichtet. Auch Maimi von Mirbach gehört in diese Zeit. Ihre Biografie habe ihn sehr bewegt, sagt der Autor, und sei ein Beispiel für mutiges bürgerschaftliches Engagement. Mirbach, Tochter einer Kaufmannsfamilie und Musikerin, unterstützte und versteckte während der Nazizeit verfolgte Juden. Ihr damaliger Wohnort: Das Haus Alleestraße 10, heute ein Café. Auch die 1901 in Potsdam geborene Margarete Buber-Neumann – ihr Vater war Brauer, die Familie lebte am Brauhausberg – engagierte sich im Widerstand gegen die Nazis. Sie flüchtete ins Exil, wurde von den Russen und anschließend den Nazis inhaftiert und ging 1945 in den Westen, wo sie weiterhin als Publizistin arbeitete.

Promis, die in Potsdam blieben, waren die Defa-Regisseure Heiner Carow und Kurt Maetzig, die beide in Babelsberg wohnten, und Bernhard Kellermann, Schriftsteller und Mitbegründer des DDR-Kulturbunds. Der Kunst- und Kulturhistoriker Wilhelm Fraenger kam erst 1952 nach Babelsberg, sein Haus im Tschaikowskiweg ist heute Archiv und Erinnerungsstätte. Günther Quandt als Industrieller hat es ins Buch geschafft, Alexander Schuke für seine Orgelbaufirma. Max Volmer, Naturwissenschaftler, lebte wie der Schriftsteller und Astronom Bruno H. Bürgel in Babelsberg. Weniger bekannt dürfte Gillis Grafström sein, Architekt und überaus erfolgreicher Olympia-Eiskunstläufer, der bis 1938 in der Villa Bartholdy lebte. Mit „Knickerbockerhosen und Krawatte“ soll er auf dem Bornstedter See trainiert haben.

Gerhard Drexel: Prominente in Potsdam. Bebra-Verlag Berlin 2017, 224 Seiten, 84 Abbildungen, 20 Euro.

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