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Mehr Transparenz gefordert. Was passierte im Haus der EWP in der Steinstraße? Um mögliche Kompetenzüberschreitungen des Ex-Geschäftsführers Peter Paffhausen aufzuklären und solche künftig zu verhindern wird nun ein Verhaltenskodex erarbeitet.

© Andreas Klaer

Potsdam: Stadtparlament will Potsdam-Filz beenden

Transparenz-Kommission des Oberbürgermeisters eingesetzt / Fall Paffhausen bleibt im Visier / Linke fühlen sich verleumdet

Stand:

Nach Skandalen und Affären um Filz und Verstrickungen will das Potsdamer Stadtparlament Aufklärung mit aller Macht: Einstimmig beschlossen die Stadtverordneten am späten Mittwochabend, schnellstmöglich eine Transparenz-Kommission einzusetzen. Das unabhängige Gremium, dessen Mitglieder eine Selbstauskunft nach Regularien der Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ abgeben müssen, soll die Filz-Vorwürfe aufklären und neue Strukturen bei den Kommunal-Unternehmen schaffen. Den Vorschlag hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) eingebracht, die Fraktionen machten zahlreiche Änderungsvorschläge.

Das Stadtparlament drängte Jakobs außerdem zur Aufklärung der Stadtwerke-Affäre um Ex-Geschäftsführer Peter Paffhausen, gegen den mittlerweile die Potsdamer Staatsanwaltschaft Ermittlungen führt. Dazu wurden wie berichtet am Freitag Räume der Stadtwerke-Zentrale, des SV Babelsberg 03 und Paffhausens Privatwohnung durchsucht. Jakobs betonte, die Stadtwerke und deren Tochter „Energie und Wasser Potsdam“ EWP hätten die Unterlagen freiwillig beigebracht.

Paffhausen soll als EWP-Chef nach Angaben von Jakobs mindestens zweimal Geheimbürgschaften für den SV Babelsberg 03, dessen Aufsichtsratschef er war, erteilt haben – an Aufsichtsrat und Gesellschaftern vorbei. Auch er selbst als Aufsichtsratschef habe nichts gewusst. Die Bürgschaften über 400 000 Euro und 600 000 Euro seien aber „zustimmungspflichtig“ gewesen, so Jakobs. Derzeit lasse er über den Berliner Wirtschaftsstrafrechtler und Wirtschaftsprüfer Guido Frings ermitteln, wie viele Bürgschaften es gegeben habe und ob diese eine Straftat darstellten. Erhoben wird der Verdacht der Untreue.

Die Stadtverordneten beschlossen, dass Jakobs prüfen muss, ob Paffhausen sich zivil- und strafrechtlich verantworten muss. Auch muss Jakobs untersuchen lassen, ob er den Aufhebungsvertrag mit Paffhausen wieder auflösen kann. Dieser war bei Paffhausens Abgang geschlossen worden, die Geheimbürgschaften waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Grund für Paffhausens Rücktritt war die Spitzel-Affäre; er soll 2001 das Unternehmen eines ehemaligen Stasi-Offiziers beauftragt haben, die ebenfalls städtische Gewoba und die Geschäftspraxis dessen Geschäftsführers auszuspionieren. Dem Vernehmen nach soll Paffhausen eine Abfindung in siebenstelliger Höhe erhalten; die Rede ist von einer Million Euro. Jakobs äußerte sich dazu mit Verweis auf Vertragspflichten nicht. Er sagte jedoch, es sei „dafür Sorge getragen“, dass „rechtliche Verfehlungen“ nicht ohne Auswirkungen blieben.

Paffhausens mutmaßliche Geheimbürgschaften gelten als Beleg für den Potsdamer Filz; ein System von Abhängigkeiten, gekennzeichnet durch intransparentes Sport-Sponsoring der Kommunal- Unternehmen: Oftmals sind deren Aufsichtsräte mit Politikern besetzt, die gleichzeitig ehrenamtliche Funktionen in den Vereinen innehaben. Die Gewinne der Kommunal-Unternehmen, so der Verdacht, sollen als „Schattenhaushalt“ für die Politik funktioniert haben. Jüngstes Beispiel: Das Jugendzentrum „Freiland“, das mit 400 000 Euro aus der EWP- Kasse und einem EWP-Grundstück im Wert von zwei Millionen Euro realisiert wurde. FDP, Bündnisgrüne und Bürgerbündnis warfen Jakobs vor dem Hintergrund der Affären mangelnden Aufklärungswillen vor. „Von Ihrem Aufklärungsbedürfnis habe ich nichts gespürt“, so FDP-Fraktionschefin Martina Engel-Fürstberger: „In anderen Situationen sind Sie wirklich leidenschaftlicher.“ Ihr Fraktionskollege Björn Teuteberg sagte, Jakobs habe mit seinem Transparenz-Vorstoß „gerade noch die Kurve gekriegt“. Die Fraktionschefin der Bündnisgrünen, Saskia Hüneke, sagte, der Transparenz-Mangel sei in Potsdam „jahrelang unterschwellig diskutiert“ worden. Frühere Forderungen der Bündnisgrünen seien an Paffhausen schlicht „abgeprallt“. Plötzlich, durch die Spitzel-Affäre als „nichtigen Auslöser“ sei alles offen, es herrschten „revolutionäre Zustände wie wir sie in der Schule gelernt haben“. Bürgerbündnis-Fraktionschefin Ute Bankwitz sagte, sie könne Jakobs’ Überraschung über die drängende Transparenz-Forderung des Stadtparlaments und den öffentlichen Druck nicht nachvollziehen. „Die Forderung nach Transparenz ist so alt wie diese Stadtverordnetenversammlung.“ Ihr früherer Fraktionskollege Manfred Kruczek habe über Jahre Aufklärung zum Sport-Sponsoring gefordert, „doch das wollte keiner hören, einige wollten ihre Pfründe sichern“. Jakobs warf sie vor, mit der Intransparenz Gerüchten Nahrung gegeben zu haben.

SPD-Fraktions- und Parteichef Mike Schubert, der auch gegen den Kurs des SPD-Oberbürgermeisters auf Ablösung Paffhausens und Aufklärung gedrängt hatte, bezog eine betont sachliche Linie. Die SPD sehe die Transparenz-Kommission und die erweiterte Untersuchung der Stadtwerke im Auftrag des Oberbürgermeisters als richtig an, sagte er.

Die Linke und ihr Fraktionschef Hans- Jürgen Scharfenberg hielten an ihrer bisherigen Linie fest. Sie stimmten für die Transparenz-Kommission, enthielten sich aber bei allen Anträgen zu Aufklärung und Konsequenzen im Fall Paffhausen. Linke-Stadtverordneter Rolf Kutzmutz erhob in einer Brandrede Vorwürfe gegen die Medien, explizit die PNN. Es sei „vieles in Misskredit“ gebracht und damit der Stadt geschadet worden, Unwahrheiten seien verbreitet und Menschen, auch er selbst, seien verdächtigt worden. Scharfenberg unterstützte dies. Er selbst sei allein durch sein „sachliches Vorgehen in Verdacht geraten“, die FDP habe ihn als Ganoven verleumdet, dafür erwarte er eine Entschuldigung.

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