
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Stillgelegt
Potsdam durch S-Bahn-Kollaps am Tag fünf der Regionalbahn-Sperrung von Berlin abgekoppelt
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Kein Schnee, kein Frost, kein Sturm, keine Grippewelle und auch kein Streik – trotzdem ist es am Donnerstag bei der Berliner S-Bahn zum Totalausfall gekommen. Für Tausende Pendler von und nach Potsdam sind damit bereits am Tag fünf der Regionalbahn-Sperrung die schlimmsten Befürchtungen wahr geworden: Über Stunden war Berlin von der Landeshauptstadt aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln praktisch nicht mehr zu erreichen. Ab 11.45 Uhr stand der Verkehr im S-Bahn-Netz still – Grund war laut S-Bahn ein Stromausfall im elektronischen Stellwerk in Berlin-Halensee.
„Bitte Ansage beachten“ ist am Potsdamer Hauptbahnhof in den Mittagsstunden auf den Anzeigetafeln des S-Bahnsteigs zu lesen. Alle paar Minuten informiert eine Frauenstimme über Lautsprecher von der Unterbrechung des S-Bahn-Verkehrs „auf unbestimmte Zeit“ und empfiehlt den Umstieg auf Busse.
„Das ist eine Schlamperei“, ärgert sich eine Frau, die an einer Info-Säule auf Rückmeldung wartet. Auch Ursula und Heinz Korlek sind ratlos: „Wir wissen nicht, was wir jetzt machen sollen, der RE fährt ja nicht mehr“, sagt Ursula Korlek. Die 86-Jährige wollte mit ihrem Mann nach Berlin fahren – „auf Besuch“, in großen Taschen haben die beiden Geschenke dabei. Auf eine Odyssee mit Bussen wollen sie sich nicht einlassen. Genau wie Katharina Theine: Die 25-Jährige muss zur Arbeit nach Berlin. „Ich habe gerade den Chef angerufen“, erklärt die Reisekauffrau. Mit dem Bus ab Wannsee in die Berliner Innenstadt zu fahren – „Na, ich weiß nicht.“ Wegen der S-Bahn-Panne wird ihr nun wohl ein Urlaubstag abgezogen, befürchtet sie.
Auch auf dem Weg nach Potsdam geht zu dieser Zeit nichts mehr: Pendler, die im Bahnhof Berlin-Nikolassee hängen geblieben sind, versuchen mit dem Bus wenigstens Wannsee zu erreichen, um dort in einen Bus nach Potsdam umzusteigen. Andere bilden Taxi-Fahrgemeinschaften. Wer eines ergattern kann, muss dafür tief in Tasche greifen: Die acht Kilometer zur Glienicker Brücke bringen schon gut 16 Euro auf die Uhr. Das ist zu teuer für Studenten wie Victoria Brenner: „Mein Seminar in Potsdam habe ich komplett verpasst. Man kann schon überlegen, im Winter ganz zu Hause zu bleiben“, so die 22-Jährige aus Berlin-Wedding. Auch bei der Potsdamer Taxi-Genossenschaft war die Nachfrage nach Fahrten Richtung Berlin deutlich spürbar, wie eine Mitarbeiterin aus der Zentrale den PNN sagte. Ob die S-Bahn entstandene Mehrkosten ihrer Passagiere für Taxifahrten übernimmt, ließ sie gestern auf PNN-Anfrage offen.
Besonders schlechte Karten haben an diesem Donnerstag auch Touristen wie Tushar Das und Devroopa Paul. Ahnungslos wartet das junge Paar aus Indien am S-Bahn-Gleis des Potsdamer Hauptbahnhofes – ohne Chance, aus den ausschließlich deutschen Durchsagen schlau zu werden. „Wir machen vier Tage in Berlin Urlaub und haben uns gerade Schloss Sanssouci angesehen“, erzählt Tushar Das, der als Informatiker arbeitet.
Bei manchem sorgt die Panne für Verunsicherung. „Am liebsten würde ich wieder nach Hause fahren“, sagt die Potsdamerin Hella Bosecker, die auf dem Weg zur Arbeit nach Berlin ist: „Es beschleicht einen die Angst – ist das jetzt ein Computerfehler oder waren da Terroristen am Werk“, fragt die 64-Jährige. Andere üben sich angesichts der Tatsache, dass es stundenlang weder vor noch zurück geht, in Gleichmut: „Mehr als warten kann man ja nicht“, sagt Katrin Reinke. Oder der Berliner Arzt Thomas Magin: „Ich bin beruflich viel mit der Bahn unterwegs, da kann mich so schnell nichts aus der Ruhe bringen.“ Insgesamt bleibt die Stimmung auf dem Bahnhof erstaunlich ruhig, auch die Schlangen an S-Bahn-Schalter und Info-Punkt bleiben eher kurz. Um 15.40 Uhr gibt die S–Bahn schließlich Entwarnung: Der Verkehr rollt wieder.
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