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Das war’s schon wieder. In Wimbledon verlor Venus Williams ihr erstes Spiel gegen die Russin Jelena Wesnina 1:6 und 3:6.

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Sport: Sturz vom Drahtseil

Aus in Runde eins: Seit Venus Williams an einer unheilbaren Immunschwäche erkrankt ist, leiden auch ihre Leistungen

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Es ist noch nicht lange her, da wurde der alte Court Number 2 im All England Club gemeinhin der „Friedhof der Champions“ genannt. Doch für Venus Williams hatte auch die mittlerweile umgebaute Arena nichts von ihrem negativen Karma eingebüßt. Und so wurde sie in der ersten Runde jener Ort, an dem die fünfmalige Wimbledonsiegerin ihre Hoffnung auf eine weitere Trophäe begraben musste. Als die 32 Jahre alte US-Amerikanerin nach ihrer 1:6 und 3:6-Niederlage gegen die Russin Jelena Wesnina ihre Schlägertasche schulterte und den Arm hob, um sich von der Menge zu verabschieden, da wirkte Williams so matt und erschöpft, dass man kaum daran glauben mochte, sie würde im nächsten Jahr noch einmal zurückkehren. „Ich fühle mich immer noch wie eine große Spielerin“, sagte die ehemalige Nummer eins im Welttennis jedoch mit Nachdruck, „leider muss ich mit schwierigen Umständen zurechtkommen, aber davon lasse ich mich nicht unterkriegen.“

Spielerinnen wie Wesnina, die auf Rang 79 der Welt geführt werden, hätte Venus Williams früher im Eilverfahren abserviert. Die Bälle wären der Russin rechts und links um die Ohren geflogen und das mit bedingungsloser Wucht. Der Rasen von Wimbledon war jahrelang Williams’ Bühne, auf der sie die meisten Gegnerinnen zu bloßen Statistinnen degradierte. Doch seit einigen Monaten existiert diese Spielerin von einst nicht mehr. Während der US Open im vergangenen Herbst wurde bekannt, dass sie am Sjögren-Syndrom leidet, einer unheilbaren Autoimmunerkrankung, die den Tränen- und Speichelfluss hemmt. Die Folge sind extreme Müdigkeit und starke Gelenkschmerzen. Inzwischen ernährt sich Venus Williams sogar vegan, um die Symptome zu lindern. Schon für einen normalen Menschen bedeutet die Krankheit enorme Einschränkungen. Dass es Venus Williams nach sechs Monaten Pause überhaupt wieder in den Profisport zurückschaffte, kommt einem kleinen Wunder gleich.

Erst im März stieg die Amerikanerin in die Saison ein, und seither bewegt sie sich auf dem Tennisplatz wie auf einem Drahtseil. An guten Tagen hat sie genug Energie, um mit ihrem kraftvollen Spiel die meisten Gegnerinnen zu schlagen. An den schlechten fühlt sie sich so schlapp, dass ihr Vater Richard Williams ihr die Schlägertasche vom Platz tragen muss. „Es ist sehr frustrierend“, erklärte sie, „ich habe immer Aufs und Abs, aber ich frage mich nie: ,Warum ich?’ Ich erlaube mir kein Selbstmitleid.“ Ihr Vater meinte einmal, seine Töchter seien „mental wie Pitbulls“, und die Art, wie Venus Williams nun um ihre Karriere ringt, gibt ihm recht.

Williams hat immer gekämpft, und trotz allem ist ihr inneres Feuer längst nicht erloschen. Die Journalisten bekamen das nach ihrem Aus hautnah zu spüren. „Ich bin hart, das sage ich Ihnen“, fauchte sie, „so hart wie Stahl bin ich.“ Keinen Zweifel wollte sie aufkommen lassen, dass sie auch im nächsten Jahr an die Church Road zurückkehren werde. Venus Williams sagte: „Ich werde mich nicht zurücklehnen und aufgeben, nur weil ich jetzt fünf oder sechs harte Turniere nach meiner Rückkehr hatte. So bin ich nicht.“

Doch der einzige Grund, warum die Multimillionärin die Qualen überhaupt noch auf sich nahm, war der große Traum von den Olympischen Spielen in London. Mit Rang 58 schaffte sie den Cut. „Das war alles, wofür ich in diesem Jahr gekämpft habe“, sagte Williams. Im Jahr 2000 gewann sie Gold in Sydney, doch es wird im Einzel wohl dabei bleiben. Selbst an der Seite ihrer jüngeren Schwester Serena dürfte es mit weiteren Medaillen auch im Doppel schwer werden, denn Venus Williams spielt nur noch wie ein Schatten ihrer selbst. Aber die schwerste Hürde hatte sie ohnehin schon gemeistert.

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