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Landeshauptstadt: Theaterdebüt mit Rollentausch

Über 11 000 Besucher inspizierten am Wochenende das neue Hans Otto Theater am Tiefen See

Stand:

„Schade, dass man nicht reinkommt.“ Das neue Theater zeigt Ingrid Böttcher seine Schönheit nur von außen. Die Berlinerin steht vor der Glasfassade, die Türen sind zu. Gerade läuft die Premiere von „Nathan, der Weise“. Und Besucher auf der Galerie würden die Aufführung stören. „Warum gibt es keine Führungen zur Eröffnung?“, fragt nicht nur diese Besucherin am Sonnabend etwas enttäuscht.

Bei fünf Premieren und ständig wechselnden Kulissen sei das nicht machbar, erklärt Petra Siebert, die am Eröffnungswochenende des neuen Hans Otto Theaters zur Besucherbetreuerin avanciert ist. Ihr eigentlicher Job: Sekretärin des Geschäftsführers. „Aber an diesen drei Tagen müssen alle ran“, sagt sie, während sie eine kleine Gruppe neugieriger Besucher auf dem Weg in die Garderobe des Orchesters begleitet. Dadurch erlangten die Besucher wenigstens einen kleinen Einblick in die moderne Architektur des Gebäudes. Um die Organisation zu sichern, sind alle 148 Theatermitarbeiter und etwa 20 Aushilfen eingesprungen und manche haben ganz bewusst die Rollen gewechselt. Betreut wurden an den drei Tagen über 11 000 Besucher. Die Premieren waren alle ausverkauft.

Am Eröffnungswochenende muss immer wieder improvisiert werden, aber wo so viel Herzblut und Engagement hineingesteckt wird, merkt das kaum jemand. Der Förderkreis, der sich eigentlich schon am Freitag vorstellen wollte, verschiebt das auf Sonnabend. Er wäre am ersten Tag unweigerlich von den Besuchermassen erdrückt worden. Am Sonnabend dann findet er Gehör und Intendant Eric Uwe Laufenberg auch Zeit, die Intentionen des Theaters aus seiner Sicht vorzustellen. Zusammen mit Lea Rosh und dem Vereinsvorsitzenden Christian Czychowski wirbt er um ideelle und finanzielle Unterstützung. Dem Förderkreis hat der Theaterbau erst einmal erheblichen Neuzugang gebracht, von 30 ist er auf 100 Mitglieder angewachsen. „Es sind vorwiegend Berliner“, bemerkt Lea Rosh, und Czychowski ergänzt: „Die Potsdamer müssen sich mit ihrem Theater identifizieren, es zu ihrer Herzensangelegenheit machen, damit gerade bei den Sparzwängen das attraktive Haus nicht plötzlich ohne Ensemble dasteht.“ Der Förderkreis versteht sich dabei als Mäzen und will Projekte unterstützen. Dazu kann auch der „Kauf“ eines Theatersessels beitragen, der für 280 Euro ein Namensschild des Spenders bekommt.

An allen drei Tagen schwitzt das Publikum im Foyer – die schlechte Luft im Theater bleibt einer der wenigen Kritikpunkte während des gesamten Wochenendes. Die Bronze-Büste von Hans Otto glänzt ebenfalls – auch ohne Schweiß. Der Kopf des Namensgebers stand bereits im Theater in der Zimmerstraße, gestern gab es nun den offiziellen Umzug ins neue Haus. Der Bildhauer Peter Kern begleitet ihn mit den Worten: „Ich habe das Kunstwerk aus persönlicher Verehrung gefertigt.“ Gero Hammer, Intendant des Potsdamer Theaters zu DDR-Zeiten, befindet: „Hans Otto hat sich als guter Schutzpatron des Hauses herausgestellt.“

Unter den Gästen ist auch eine Besucherin, die den Theaterneubau mit besonderem Interesse verfolgt hat, Gisela Axnick, die Nichte Hans Ottos. Die Westberlinerin hatte schon zu DDR-Zeiten Kontakt zu dem Theater aufgenommen, das den Namen ihres berühmten Schauspieler-Onkels trug. Erfreut nahm sie das Stück des Theater-Jugendklubs zur Kenntnis, der das Leben Hans Ottos szenisch gestaltet hat und dafür am Sonntag mit dem Hans-Otto-Preis ausgezeichnet wurde. Gisela war, als der Kommunist Otto bei einer Vernehmung in der SA-Kaserne 1933 aus dem Fenster stürzte, erst vier Jahre alt. Doch die bedrückte Stimmung in der Familie wurde auch dem Kind bewusst. Am Wochenende jedoch zeigte sich das Ehepaar Axnick erfreut, dass Hans Otto einem so schönen Neubau seinen Namen geben darf.

Mitten in der Feierstunde ein kleiner Schreck. Durch die Oracle-Durchfahrt lärmen Martinshörner zum Theater. Die Feuerwehr stattet dem feuerroten Bau einen Besuch ab. Nicht ganz, den Fehlalarm gab es bei „Pino“ in der Zichorienmühle. Ansonsten aber findet das Publikum die drei Il Teatro-Restaurants ganz ohne Fehl und Tadel. An den Eröffnungstagen sind alle 120 Plätze im unteren Bereich besetzt. Nach den Premieren lässt man es sich dort wohl sein bei italienischer Küche und einem guten Glas Wein. Von den oberen beiden Räume wird einer als Spielstätte genutzt und Rapunzel – das von Katharina Schendel bearbeitete Märchen hat am 16. November in der Reithalle A Premiere – kann das lange Haar tatsächlich aus einem Turmzimmer herunterlassen. Schendel gehört zu den Autoren, die an unterschiedlichen Theaterstandorten lesen. „Das ist ja nur ein Strick“, moniert ein Kind, ansonsten aber erntet die Märchen-Vorstellung viel Beifall. Künftig wird man die Turmzimmer, ein drittes kommt hinzu, für Gesellschaften mieten können. „Es ist hier natürlich ein anderes Arbeiten als zuvor in der Weinbergstraße“, meint Gastwirt Guiseppe „Pino“ Riolo, der den Wochenendansturm mit 13 Helfern meistert und sich künftig mit kinderfreundlicher Pizza mehr auf die ganze Familie einstellen will. Aber frische Produkte der Region sollen sein Markenzeichen bleiben.

Dass die Eröffnung der ätherischen Installation von Lichtachsen und Sternbildern am Sonnabend auf dem Wasser etwas zu entrückt ausfiel, zumal bei der Eröffnung durch Oberbürgermeister Jann Jakobs auch noch die Lautsprecher am See ausfielen, verunsicherte einige der Zuschauer denn doch etwas. „War das alles“, fragte so mancher und trollte sich. „Wir wollten es ganz bewusst ohne Kracher und Lichtkegel“, bemerkte dazu der Koordinator der Schiffbauergasse, Martin Schmidt-Roßleben. „Und nur mit den Fördermitteln von Kulturland Brandenburg ohne städtische Werbemittel haben wird das doch recht gut hingekriegt.“

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