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Der Umgang mit Tauben am Hauptbahnhof sorgt für einen Disput.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Tote Tauben am Potsdamer Hauptbahnhof: Tierschützer werfen der Bahn Tierquälerei vor

Die neu installierten Netze am Hauptbahnhof Potsdam sollen Tauben abhalten, doch immer wieder verenden Tiere darin. Tierschützer sprechen von Tierquälerei und fordern einen betreuten Taubenschlag.

Wer am Hauptbahnhof Potsdam mit der Rolltreppe zum Gleis 3 und 4 herunterfährt und den Bahnsteig betritt, hört es sofort: Unter dem Dach ist ein vielstimmiges Piepen zu vernehmen. „Da sind überall Taubenküken“, sagt Anke Drohla vom Tierschutzverein Potsdam.

Die Nester befinden sich in den Nischen zwischen Dach und Wand. Das Problem: Seit April ist die Unterseite des Daches mit einem engmaschigen Netz vergittert, die Küken können dort nicht heraus. An den Seiten der Dächer gibt es zwar einige Öffnungen, doch die kennen nur die Elterntiere. Das Resultat kann man ein paar Meter weiter sehen: Ein totes Taubenküken hängt im Netz über dem Bahnsteig. Hier und da hängen sogar Eier in den Netzen: Direkt vor dem Eingang zur Rolltreppe ist eines davon heruntergefallen und liegt nun – samt totem Taubenembryo – auf dem Bahnsteig.

30.000
Euro hat die Deutsche Bahn für sämtliche Taubenvergrämungsanlagen am Potsdamer Hauptbahnhof ausgegeben.

Auch erwachsene Tauben finden oft nicht mehr aus dem Netz heraus und verenden dort: Wochenlang hingen tote Tauben schon über den Köpfen der Bahnpassagiere. „Die Bahn nimmt vorsätzlich in Kauf, dass Tauben hier verhungern“, sagt Drohla. 100 bis 150 Stadttauben leben im Bahnhof. Nach Beschwerden wegen Taubenkots hatte die Deutsche Bahn im April die Vergrämungsanlagen installiert, obwohl es vor Ort bereits viele Metallstachel gibt, um die Tauben zu vertreiben. 

Tierschützer Steffen Agatz und Anke Drohla fordern betreute Taubenschläge.
Tierschützer Steffen Agatz und Anke Drohla fordern betreute Taubenschläge.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Das funktioniere jedoch nicht, sagt Drohla: „Stadttauben sind standorttreu. Man kann sie zwar umsiedeln, aber nur um 100 bis 200 Meter.“ Was viele nicht wissen: Stadttauben sind keine Wildtiere. Die meisten von ihnen stammen von verirrten oder ausgesetzten Haustauben ab, die als Rasse- oder Brieftauben gezüchtet wurden.

Angezüchteter Brutzwang

Da es sich um domestizierte Tiere handelt, brauchen Stadttauben richtiges Körnerfutter; die Essensreste und Brotkrümel, die am Bahnhof herumliegen, vertragen sie nur schlecht, so Drohla. „Stadttauben wurde ein Brutzwang angezüchtet“, sagt Feuerwehrmann Steffen Agatz, der auch Mitglied der Tierrettung Potsdam ist. Deshalb bauen sie immer wieder Nester unter den Bahnhofsdächern – das Elend der Tiere ist programmiert.

„Das ist ein komplett menschengemachtes Problem“, sagt Drohla. Das gelte auch für die Netze: „Diese Anlagen verlagern das Problem nur, die Tauben verschwinden nicht einfach davon“, sagt Agatz.

Rund 30.000 Euro haben sämtliche am Hauptbahnhof installierten Vergrämungsanlagen gekostet, wie ein Sprecher der Deutschen Bahn auf PNN-Nachfrage mitteilte. „Reine Geldverschwendung“, sagt Drohla. „Das könnte man viel besser verwenden.“

Die Lösung wären betreute Taubenschläge, wo die Tiere Futter bekommen und Ei-Attrappen ins Nest gelegt bekommen, um die Population niedrig zu halten. „In Spandau wird das bereits sehr erfolgreich gemacht“, sagt Drohla.

Bahn prüft Alternative

In Potsdam gibt es zwei von der Stadt betriebene Taubenschläge im Schlaatzweg (aktuell 73 Tiere) und in einer Kleingartenanlage in Babelsberg (64 Tiere). Laut Stadtsprecherin Juliane Güldner seien Umsiedlungsversuche vom Bahnhof in die Schläge in der Vergangenheit jedoch an der Standorttreue der Tauben gescheitert.

Bei der Bahn findet ein Umdenken statt: „Wir sind momentan am Prüfen, ob Flächen am Potsdamer Hauptbahnhof zur Verfügung stehen, die für einen Taubenschlag geeignet sind“, so der Bahn-Sprecher. Mögliche Standorte seien der einstöckige Technikwürfel neben der Halle oder ein Teil der Grünfläche neben den Gleisen.

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