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Buntes Treiben. Lesung, Pantomime, Musik: Am Freitag und Samstag konnten verschiedenste Formate erlebt werden. 

© dpa

23. Potsdamer Schlössernacht: Träumen bitte nicht vergessen

Die 23. Potsdamer Schlössernacht zog trotz Regens rund 30.000 Besucher:innen an. Ihr Motto: „¡Viva!“.

Potsdam - Nach einem Jahr Pause und einem weiteren in coronabedingt abgespeckter Form hat sich der Park Sanssouci am Wochenende wieder in Schale geworfen: Die Potsdamer Schlössernacht ging in die 23. Runde. Seit 2018 findet das Event im Welterbe nicht nur an einem, sondern an zwei Abenden statt. Auf bis zu 18.000 Besucher:innen pro Abend waren die Veranstalter in diesem Jahr eingestellt.

Am Samstag kamen mit insgesamt rund 19.000 sogar noch mehr. Dass es am Auftaktabend mit nur 11.000 Menschen nicht ganz so voll war, war zu spüren – aber für die Atmosphäre von Vorteil. Am zauberhaftesten war das Großevent immer da, wo es am wenigsten nach Großevent aussah, also jenseits der zur Flanier- und Konsumiermeile transformierten Maulbeerallee. Dort gab es Trubel um Bier und Bowle, Bratwurst und Crêpes, Pommes und Aperol Spritz.

Orangerie war das Herz der Schlössernacht

Das gigantische, in fantastische Farben getauchte Herz der Schlössernacht war die Orangerie, das jüngste und größte Schlossgebäude im Park. 300 Meter lang, entstanden unter Friedrich Wilhelm IV., dem „Romantiker auf dem Thron“, ist sie schon bei Tag eine beeindruckende Kulisse. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde sie mittels Videoprojektion zum Bilderdschungel, der  seine Wirkung nicht verfehlte. Die Ah- und Oh-Rufe der Besucher:innen bezeugten es.

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Im linken Flügel der Orangerie waren die Lesungen beheimatet, einer der Publikumsmagneten des Festivals. Deren  Motto: „Leise Töne – Markante Stimmen – Spannende Geschichte(n)“. Schirmherr ist seit einigen Jahren Moderator Max Moor, selbst eher im Feld der markanten Stimme als der leisen Töne unterwegs, wie seine Lesung zeigte. Gemeinsam mit der Journalistin und Co-Schirmherrin Katty Salié las er aus George Orwells „Farm der Tiere“. In dem luxuriösen Ambiente von dem Versuch einer Revolution „von unten“ (und ihrem Scheitern) zu hören: ein eindrückliches Erlebnis.

Die Orangerie wurde durch farbenfrohe Videoprojektionen bei Einbruch der Dunkelheit zum gigantischen Herz der 23. Schlössernacht. 
Die Orangerie wurde durch farbenfrohe Videoprojektionen bei Einbruch der Dunkelheit zum gigantischen Herz der 23. Schlössernacht. 

© Andreas Klaer

Die Lebensfreude feiern

Im rechten Flügel ließ sich das historisch verbürgte Luxusgebaren ehemaliger Herrscher dann genauer studieren. „Tafelfreuden – Die Tafel der Könige“ hieß die Ausstellung in der östlichen Pflanzenhalle. Dort hingen Königliche Speisezettel aus der Zeit zwischen 1798 und 1810, die Fürstenberger Porzellanmanufaktur hatte einen Stand aufgebaut. „Nichts ist unvernünftiger, als sich den Freuden zu versagen“, wurde der junge Friedrich II von 1737 auf einer Tafel in der Ausstellung zitiert. „Wir müssen vielmehr alle Tore öffnen, durch die sie zu uns gelangen können und das Leben genießen, solange wir auf der Welt sind.“ Der Veranstalter Kultur im Park GmbH hatte Friedrichs Satz als Motto über die 23. Schlössernacht geschrieben, in aufs Grundsätzliche gebrachter Kurzform: „¡Viva!“ 

Am besten ließ man sich einfach treiben und folgte Lichtern, Stimmen, Klängen – etwa der virtuosen Flötenmusik von Anna Wierer.
Am besten ließ man sich einfach treiben und folgte Lichtern, Stimmen, Klängen – etwa der virtuosen Flötenmusik von Anna Wierer.

© Andreas Klaer

Man wolle die Lebensfreude feiern, die nach der Pandemie nun wieder möglich sei, hatte Geschäftsführerin Sabine Giese im Vorfeld gesagt. Der Künstlerische Leiter Marcus Mechelhoff zeigte sich in Anspielung auf die pandemiebedingt halbierten Platzkontingente im letzten Jahr erfreut über die dicht besetzten Plätze in der Orangerie – und lud das Publikum kurzerhand zum Applaus für sich selber ein. Dem kam man gerne nach. Peter Kurth war gekommen, im Kurzarmhemd mit Palmenmotiv, um aus „Don Qijote“ zu lesen. Hier saßen auch die leisen Töne.

Regen beeinträchtigte die Technik

Besucher:innen in der Orangerie blieben vom vorübergehenden Regenschauer unberührt, nicht aber die Technik des Artistenduos David Moreno und Cristina Calleja. Deren Stück „Flotados“, aufgebaut vor der Grotte auf der Jubiläumsterrasse unterhalb der Orangerie, haderte zunächst mit Nässe. Der in acht Metern Höhe senkrecht angebrachte Flügel hatte zahlreiche Menschen angelockt. Das Warten wurde belohnt: mit verträumter Livemusik an Klavier und Akkordeon, Laserscheinwerfern, Kunstnebel, Videoprojektion, Akrobatik – und der finalen Aufforderung, das Träumen bitte nie zu vergessen. Laut, bunt, virtuos: circensische Unterhaltung vom Feinsten.

Die schönsten Erlebnisse aber schlummerten abseits der großen Wege, und waren ohne Wartezeit zu haben. Man musste nur den Musikfetzen, Stimmen und Lichtern folgen, die durch den Park wehten. Sich treiben lassen. Dann traf man vielleicht auf die riesigen Alphörner in der Hauptallee oder die Bäume, die mit den Stimmen von Max Moor und Anna Thalbach von Bleiben und Gehen, Krieg und Frieden, Natur und Mensch sprachen.  Und mit der Konsummeile konnte einen die Virtuosität einer Anna Wierer versöhnen. Sie spielte dort auf der Querflöte Piazzollas Tango, dass sogar Friedrich II. im Grabe die Füße gezappelt haben dürften.

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