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Homepage: Tunnelblick in die Historie

Sicherheitspolitik zwischen gestern, heute und morgen. Eine Diskussion

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Wie gefährlich ist die Welt, in der wir heute leben? Müssen sich die Franzosen tatsächlich irgendwann aus Paris zurückziehen, die Berliner aus Kreuzberg, weil jahrelang schwelende Aufstände die Bevölkerung dort demoralisiert haben? Das Szenario von Prof. Martin van Creveld von der Hebrew University Jerusalem war wohl bewusst überzogen gewählt. Doch auch Prof. Beatrice Heuser vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam (MGFA) wollte auf einer Podiumsdiskussion zur Sicherheitspolitik des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) nicht ausschließen, dass es auch europäische Demokratien ereilen kann, von innen aufgebrochen zu werden. Die jüngsten Vorfälle in Frankreich hätten einen Eindruck davon gegeben.

Prof. Manfred Görtemaker von der Universität Potsdam ging in Sachen Bedrohungsszenario noch einige Schritte weiter. Die Terroristen des 11. Septembers hätten es ebenso auf unsere Werteordnung abgesehen wie auf die der USA. „Wir denken, der Terror bedroht nur die USA, das ist aber ein großer Irrtum“. Zumal die besagten Terroristen in Hamburg gelebt hätten. „Deutschland ist ein Ruheraum für Terroristen, und das hat etwas mit unserer Gesetzeslage zu tun“, so Görtemaker. Doch gerade auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik sei man in Europa schwach aufgestellt. Schon im Kalten Krieg habe es keine eigene europäische Sicherheitspolitik gegeben: „Die Sicherheitsgarantie gaben die Amerikaner“, sagte Görtemaker. Ebenso wie man beim Krieg auf dem Balkan die Amerikaner zur Hilfe gerufen hätte. Europa sei unfähig zu einer gemeinsam Sicherheitsstrategie. „Wenn wir uns von den USA distanzieren wollen, brauchen wir dringend eine eigene Sicherheitspolitik; ansonsten müssen wir an Seite der Amerikaner bleiben“, lautete Görtemakers Fazit.

Zeithistoriker Prof. Martin Sabrow, Direktor des ZZF, hatte als „Fachfremder“ nur einige Randbemerkungen zur Sicherheitspolitik. Wie immer allerdings reichlich durchdacht und gut in den Kontext eingebunden. Seine These: In sicherheitspolitischen Krisenzeiten neigen politisch Handelnde dazu, sich in historischen Analogien zu ergehen. Geradezu mit einem Tunnelblick würden sie sich darauf versteifen, dass der Schlüssel zu gegenwärtigen Problemen in der Geschichte zu finden ist. Im Rückblick sage uns die Geschichte wiederum, dass dem allerdings nicht so ist.

Sabrow erinnert etwa an die seltsame Erleichterung bei Goebbels und Hitler über den Tod von Roosevelt im April 1945. Hätten sie doch an eine kriegsentscheidende Wende geglaubt, wie sie im Siebenjährigen Krieg durch den Tod der russischen Kaiserin Elisabeth eingetreten war. Doch 1945 blieb eine solche Wende aus. Oder der Mauerfall von 1989, auch er sei von den Sicherheitskräften als Analogie betrachtet worden, nämlich als Wiederholung des 17. Juni 1953. Was er nicht war. Und schließlich der Irak-Krieg: auch hier sieht Sabrow ein historische Fehlrezeption, der Vergleich mit dem Ende des NS-Regimes führe in die Irre. Wohlgemerkt ging es Sabrow um falsche Analogien der politisch Handelnden. Die Historiker haben es zur Aufgabe Strukturen, Differenzen und Kontexte aus der Geschichte herauszuarbeiten. Wobei man auf diesem Wege auch aus der Geschichte lernen kann.

Wirklich interessant wurde es zum Ende der Diskussion. Manfred Görtemaker erinnerte daran, dass sich Sicherheitspolitik nicht nur in militärischen Maßnahmen erübrige. Sei doch der Kalte Krieg durch Entspannungspolitik aufgelöst worden. „Der Islamismus ist nicht durch Kampf aus der Welt zu schaffen“, so Görtemaker. Da bräuchte es andere Mittel. Aus dem überfüllten Zuschauerreihen kam dann ein Schlusswort: Der Kalte Krieg sei vom Westen gewonnen worden, weil dieser seine wirtschaftliche und kulturelle Überlegenheit ausgespielt habe. Hier liege ein Chance, gegen den Islamismus anzutreten, vor allem auch unter Einbeziehung der Frauen in den islamischen Ländern. Jan Kixmüller

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