Landeshauptstadt: Türkisch für Anfänger
Zum Einkaufen eher nach Berlin: Türkische Potsdamer erzählen vom Alltag in der Landeshauptstadt
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In Berlin könnten sie eine eigene Großstadt aufmachen – in Potsdam muss man schon Glück haben, um einem Türken oder einer Türkin über den Weg zu laufen. Gerade mal 297 Potsdamer mit türkischem Pass verzeichnet die aktuelle Statistik des Rathauses, Tendenz sinkend. Das UCI-Kino in den Bahnhofspassagen widmet ihnen ab dem morgigen Donnerstag jedenfalls eine „Türkische Filmwoche“ mit Dokumentar- und Spielfilmen (siehe Kasten).
Den vielleicht bekanntesten Potsdamer Türken kennen viele nur unter seinem Spitznamen Toni – Bülent Demir, der Chef des Restaurants Villa von Haacke in der Hegelallee, lebt seit mehr als 20 Jahren in Potsdam. Aus der türkischen Millionenmetropole Izmir an der Ägäisküste zog er 1990 mit seiner damaligen deutschen Frau nach Berlin, wie er sich erinnert. „Potsdam hat mich gleich fasziniert“, erzählt er. Nach zwei Jahren in Berlin, wo er in einem italienischen Restaurant kellnerte, zog er deshalb um. Und eröffnete am „Platz der Nationen“, wie der Luisenplatz damals noch hieß, einen Gemüseladen. „So wie jeder Türke“, sagt der 47-Jährige.
Über das Klischee kann er heute lachen. „Italiener, Deutscher, Türke – das spielt keine Rolle mehr. Ich fühle mich in Potsdam als Mensch wohl“, sagt er. Und er hat dazu beigetragen, dass das auch anderen so geht. Seit 1996 machte Demir sich als Gastronom einen Namen, erst im „Leonardo“ in der Berliner Straße, dann im „Starstecher“ in der Leiblstraße. 2002 übernahm er schließlich die Villa von Haacke, die er derzeit einer Generalüberholung unterzieht und an diesem Freitag wiedereröffnet. Der Italiener in der Innenstadt ist eine Lieblingsadresse der Stars – Kevin Spacey oder Jackie Chan haben sich hier gestärkt, zuletzt war Hollywood-Star George Clooney Gast bei Toni. Sein Erfolgsrezept: „Gutes Essen, schönes Ambiente, vernünftige Preise.“
Über fehlende Kundschaft kann sich auch Bedri Yayla nicht beschweren: Gemeinsam mit Ismail Inci betreibt der 40-Jährige den „First Kebab“ in der Friedrich-Ebert-Straße, Potsdams ersten Döner-Imbiss – und immer noch den einzigen, der den Döner auch im Vollkornfladenbrot von der benachbarten Bäckerei Braune serviert. Mehr als 200 Gäste essen hier durchschnittlich pro Tag – die meisten sind Handwerker und Büro-Leute aus der Innenstadt. Die fragen den Chef auch schonmal nach Reisetipps für die Türkei. „Ich kann Antalya empfehlen“, sagt Yayla.
Selbst stammt er aus Bingöl in Ostanatolien, versteht sich als Türke und Kurde: „Beides“, betont er. Nach Potsdam kam er 1997, arbeitete zunächst als Bauarbeiter in ganz Deutschland, ehe er bei „First Kebab“ mit einstieg. In der Landeshauptstadt will der dreifache Vater bleiben, auch wenn er zum Einkaufen oft nach Berlin fährt: „Ich fühle mich gut hier.“ Wenn er die Zeit findet, besucht er auch die Moschee in der Berliner Straße. Früher habe er dort noch mehr mitgeholfen, erzählt Yayla. Als Imbiss-Chef ist das schwieriger: Ab sieben Uhr früh schneidet er Salat in der Küche, nur selten kommt er vor 23 Uhr aus dem Laden. Die Verbindung in die Türkei hat er trotzdem gehalten: Mindestens einmal im Jahr reist er dorthin, um seine Eltern zu besuchen. Auch Bülent Demir fährt jedes Jahr in die Türkei, wo er noch eine Schwester hat.
Dass umgekehrt auch mehr Potsdamer in die Türkei kommen, darum bemüht sich seit Jahren ein anderer türkischer Potsdamer: Hikmet Güvenç arbeitet in der Protokollabteilung der türkischen Botschaft und hat in der Landeshauptstadt den Türkisch-Deutschen Club e.V. ins Leben gerufen. Der 55-Jährige hat hier zum Beispiel türkische Nikolausmärkte veranstaltet, Türkisch-Kurse angeboten und einen Schüleraustausch an der Voltaire-Gesamtschule organisiert. Im April werden wieder elf Voltaire-Schüler in die Türkei fahren, um dort in Familien zu leben. Auch das von Güvenç organisierte Botschafter-Fußballturnier hat bereits Tradition: Am 16. Juni ist es wieder soweit, „14 Länder sind schon angemeldet“, sagt der Wahlpotsdamer.
Auch eine gemeinsame Türkei-Reise für Interessierte und neue Türkisch-Kurse will er bald wieder starten: Türkisch für Anfänger und Türkisch für Fortgeschrittene. „Es gab sehr viele Anfragen“, sagt Güvenç. Er wertet das als gutes Zeichen: „Die Potsdamer wollen den Türken entgegenkommen.“
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