Landeshauptstadt: Ungeteilte Angelfreuden
Nach 50 Jahren wird der Groß Glienicker See wieder komplett bewirtschaftet
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Nach 50 Jahren wird der Groß Glienicker See wieder komplett bewirtschaftet Von Winfried Gutzeit Groß Glienicke - Nach 50 Jahren Teilung ist der Groß Glienicker See wieder eins – jedenfalls für die Angelfreunde. Seit dem Frühjahr dieses Jahres wird der ganze See vom Anglerverein Groß Glienicke e. V. des Deutschen Anglerverbands (DAV) allein bewirtschaftet. Vorher waren auch die Fischereirechte geteilt, denn die Rechte der Berliner Seehälfte hatte vor 35 Jahren Wolfram Ludwig aus Kladow gekauft und damit auch die Rechte für den Fischfang. Die hat er kürzlich an Brandenburg abgetreten. „Wir werden vom Brandenburger DAV-Landesverband großartig unterstützt“, sagt der Vereinsvorsitzende Rudi Schneider. Das gelte vor allem für den Fischbesatz. „Wir haben junge Schleie, Karpfen, Welse, Aale und Zander eingesetzt, die der Verband uns zur Verfügung gestellt hat.“ Früher seien hier nur die üblichen Weißfische geangelt worden. Bewirtschaften heißt aber: Es wird ausschließlich für den privaten Bedarf geangelt. Und wer nicht Vereinsmitglied ist, benötigt eine Angelkarte. Schneider lebt seit 33 Jahren in Groß Glienicke, ist seit 60 Jahren im DAV organisiert und war von 1974 bis 2001 Vorsitzender des örtlichen Anglervereins. Dieser wurde 1959 gegründet, jedoch konnten die Mitglieder nicht mehr lange auf dem eigenen See angeln. Am 13. August 1961 kam das neue „Grenzregime“ und das Betreten des Uferstreifens war von nun an strengstens verboten. Die 120 organisierten Groß-Glienicker Angler wurden zum Sacrower See „umgelenkt“. Die Mitte des Groß-Glienicker Sees war die Staatsgrenze der DDR. Im Juni 1963 wurde es dann ernst: Direkt am Ufer entlang wurde eine drei Meter hohe Betonmauer errichtet, erinnert sich Otto Lehmberg vom Groß-Glienicker Kreis. In seinem Keller hat er eine umfassende Sammlung von Zeit-Dokumenten zusammen getragen: Hinter dem Schild „Achtung, Grenzgebiet!“ befand sich der geharkte Kontrollstreifen, im Volksmund „Todesstreifen“ genannt. Auch die zweite, die so genannte Hinterland-Mauer, zog sich entlang des Uferstreifens. Auf dieser waren Drähte gespannt, die bei Berührung akustische und optische Alarm-Signale auslösten, manchmal ging auch eine Leuchtrakete hoch. Dahinter waren Sperrkörper aus Stacheldraht, so genannte „spanische Reiter“, aufgestellt. Etwas weiter standen im Abstand von 50 bis 100 Metern zueinander Lichtmasten: Die Grenzanlagen waren auch nachts taghell erleuchtet. In kurzen Abständen standen die Beobachtungs-Türme. Stellenweise waren direkt vor der Mauer Hunde-Laufleinen angebracht. Die Hunde schlugen nachts ständig an. Die Mauer selbst war oben durchgehend mit einem Rundsegment versehen und konnte somit nicht überklettert werden. Bei Georg Bardeleben hängt eine große Fotografie an der Wand, das Foto ist zweigeteilt wie das Fotomotiv: Es zeigt eine Luftaufnahme des Groß Glienicker Sees noch aus den 80er Jahre, aufgenommen aus Richtung Kladow. Man erkennt deutlich die Mauer am Ufer mit dem geharktem Sandstreifen und den B-Türmen. „Das Foto ist ein Geschenk meines SPD- Ortsvereins zum 80. Geburtstag“, erzählt Bardeleben. Er hat aber auch sehr friedliche und glückliche Erinnerungen an den See: Er war im Sommer 1941 als 20-jähriger Soldat auf der Durchreise und hat hier seine künftige Frau kennen gelernt. Deren Elternhaus lag am See, wurde jedoch 1944 zerbombt. Bardeleben, der Hölle von Stalingrad nur knapp entronnen, kehrte nach dem Krieg nach Groß Glienicke zurück. 1952 gab es am Seeufer bereits Stacheldraht, doch die Leute haben das damals einfach ignoriert, erinnert er sich. Später war Bardeleben Orts-Maurermeister und hatte im Laufe der Zeit die Berechtigung erhalten, auch in Mauernähe zu arbeiten. Dabei wurde er Augenzeuge, als Mitte der 1970er Jahre eine besonders grausame Form der Sperranlagen wieder abgebaut wurde. Es handelte sich um matratzen- große Segmente am Ufer direkt hinter der Mauer, die mit etwa 40 Zentimeter langen Rundeisen versehen waren. Wer also vom Osten tatsächlich den Sprung über die Mauer geschafft hätte, wäre unweigerlich auf einem solchen „Nagelbrett“ gelandet. „Auch das war der Groß-Glienicker See“, stellt er fest. Die politische Teilung des Sees geht auf den Sommer 1945 zurück. Damals entstand per Linealstrich auf der Karte eine Grenzziehung, die mitten durch den See ging und den gesamten Ort in zwei Hälften teilte. Das wurde im September 1971 durch einen Vertrag zwischen West-Berlin und der DDR manifestiert und im Oktober 1994 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Dieser Nachkriegsentwicklung kann man – so man will – aber auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Der Groß Glienicker See gehört wegen seiner langen Unzugänglichkeit zu den saubersten Gewässern der Region. Die neuesten Messungen bescheinigen dem See eine Sichttiefe von bis zu sechs Metern und damit eine hohe Sauberkeitsstufe. Auch die amtlichen Befunde zur Badegewässerqualität bestätigen das. „Aus unserer Sicht bestehen für das Baden an der Badestelle Groß Glienicke keine Bedenken hieß es kürzlich beim Potsdamer Gesundheitsamt. Auf der Groß-Glienicker Seite war erst nach 1990 wieder ans Fischen, Angeln und Baden zu denken. „Der Abbau der Sperranlagen samt Mauer hat ein Jahr gedauert“, erinnert sich Rudi Schneider. Dann war das Ufer wieder frei. Doch inzwischen war die Nachfrage beim Angelverein Groß Glienicke auf dem Sacrower See sehr groß und die Mehrheit wollte dort bleiben. „Deshalb haben wir uns vor vier Jahren getrennt und einen eigenen Verein für den Groß-Glienicker See gegründet“, sagt Schneider. Und der hat bereits wieder 40 Mitglieder.
Winfried Gutzeit
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