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Vergebung und Versöhnung: Uwe Holmer nahm einst Honecker auf

Seine Familie hatte unter dem DDR-Regime gelitten. Trotzdem nahm der Pfarrer und Leiter der Hoffnungstaler Anstalten, Uwe Holmer, Anfang 1990 das Ehepaar Honecker für fast zehn Wochen bei sich zu Hause in Lobetal auf.

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Seine Familie hatte unter dem DDR-Regime gelitten. Trotzdem nahm der Pfarrer und Leiter der Hoffnungstaler Anstalten, Uwe Holmer, Anfang 1990 das Ehepaar Honecker für fast zehn Wochen bei sich zu Hause in Lobetal auf. Von vielen Menschen wurde der Geistliche damals dafür gescholten. Stapelweise Protestbriefe erreichten ihn. „Wir haben in den Wochen wohl so an die 3000 Briefe gekriegt“, erzählte der heute 87-jährige Holmer am Mittwochabend auf einer Veranstaltung im Evangelischen Gymnasium Hermannswerder. Doch nicht in allen Briefen wurde Holmer beschimpft. Am Ende hätten sich unterstützende und ablehnende Briefe die Waage gehalten, erinnerte sich der Pfarrer am Mittwoch auf dem 69. Hermannswerderaner Abend.

Erich Honecker, einst mächtigster Mann in der DDR, wohnte gemeinsam mit seiner Ehefrau Margot, der von vielen verhassten Bildungsministerin, bis zum politischen Umbruch 1989/90 in einer abgeschirmten Waldsiedlung nahe Wandlitz, die nur den obersten Staatslenkern vorbehalten war. Aber einige Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer hieß es für Honeckers, sie müssten ihr Haus verlassen. Doch wo sollten sie hin? Schließlich wandte sich ein Vertreter der evangelischen Kirche, die vom sterbenden SED-Staat um Hilfe gebeten wurde, an Holmer und fragte ihn, ob nicht auf dem Gelände der Hoffnungstaler Anstalten Lobetal Platz für das Diktatorenehepaar wäre. „Eigentlich hätten wir den Platz“, habe er damals zu seiner Frau gesagt, erinnerte sich Holmer am Mittwochabend. So zogen Honeckers Ende Januar 1990 bei Familie Holmer ein. Jeden Tag seien sie in dieser Zeit zusammen mit Honeckers spazieren gegangen.

Auf der Veranstaltung in der Aula des Gymnasiums berichtete der Theologe den vielen erschienenen Schülern und Erwachsenen von seinen Beweggründen, Familie Honecker Asyl zu gewähren. Er habe damals aus christlicher Überzeugung gehandelt. Holmer verwies auf das Vaterunser, in dem es heißt: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Und er selbst, so Holmer, habe damals vergeben können. Dabei war der zehnköpfigen Kinderschar des Lobetaler Pfarrers vom SED-Staat übel mitgespielt worden. Keines der Kinder, die damals in dem entsprechenden Alter waren, durfte an einer staatlichen Schule das Abitur ablegen. Sie hatten zwar gute Noten, aber sie waren nicht in der staatlichen Jugendorganisation FDJ und wollten auch kein Gewehr in die Hand nehmen. Für das Regime war dies Grund genug, ihnen den Bildungsweg zu verbauen.

„Das Zentrum der christlichen Botschaft ist Vergebung und Versöhnung“, gab der 87-Jährige den Hermannswerderaner Schülern mit auf den Weg. Einmal habe ihm ein ehemaliger politischer DDR-Häftling gesagt: „Sie haben kein Recht, den Honeckers zu vergeben.“ Holmer antwortete ihm, er habe nur vergeben, was Honecker ihm und seiner Familie angetan habe. Zugleich empfahl er dem einstigen Häftling, gleichfalls zu vergeben, damit ihn die Bitterkeit nicht auffresse. Der Gesprächspartner ließ sich offenbar überzeugen und meinte schließlich: „Sie haben Recht, ich muss vergeben und ich will vergeben.“

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