Landeshauptstadt: Verfahren kritisiert
Stadtplaner warnen vor Investitionsverfahren für Landtagsbau – „Rechnungshofarchitektur“
Stand:
Namhafte Stadtplaner und Architekten haben gestern Abend das gewählte Verfahren zum Landtagsneubau in Brandenburg kritisiert. „Ich warne sie vor diesem Verfahren“, sagte Dr. Michael Bräuer, letzter Staatssekräter der DDR für Stadtplanung. Bei dem Modell des Bauens durch private Investoren stehe die Ökonomie und nicht die Architektur im Vordergrund. Jedoch brauche die Potsdamer Mitte einen herausragenden Mittelpunkt an dieser zentralen Stelle. Auch der Schweizer Professor für Stadtplanung, Jürg Sulzer, erklärte im Beisein von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), es sollte nicht der gleiche Fehler gemacht werden wie in der alten Bundesrepublik. Bauen mit dem Rechenschieber, die „Rechnungshofarchitektur“, wie der Stiftungsprofessor für Stadtumbau an der TU Dresden es bezeichnete. Beide plädierten für mehr Zeit in der Debatte, die nicht durch Paragrafen, jedoch durch Gespräche geführt werden müsse.
Sie kritisierten vor allem das Vorgehen des Landes und die kompromisslose Darstellung „So-oder-nichts“ des Finanzministers Rainer Speer (SPD). Es dürfe hierbei nicht um Macht gehen, „sondern um das Aushandeln von Positionen“, sagte Jürg Sulzer. Michael Bräuer erklärte: „Wir brauchen einen Mediator für die Stadtentwicklung“. Es würden in der Landtagsdebatte immer mehr Rechtspositionen eingenommen, dabei „vergisst man miteinander zu sprechen“, so das Mitglied der Akademie der Künste. Er sei als gebürtiger Dresdener gegen den Wiederaufbau der Frauenkirche gewesen, sagte Bräuer. Jedoch müsse er eingestehen, dass der Wiederaufbau eine ungeheure Sogwirkung habe. Auch, wenn „das Disneyland geworden ist“. Nichts davon sei echt. Auch Jann Jakobs erklärte zuletzt, der Bau des Landtages auf dem Gelände des früheren Stadtschlosses sei eine Art Ankerinvestition, der sich private Bauherren anschließen und mehr als eine halbe Milliarde Euro ausgeben sollen.
Preußischer Themenpark oder barocke Innenstadt mit modernen Elementen – vor dieser Entscheidung stehen auch die Stadtverordneten, Stadtplaner und Potsdamer. „Die Stadt kann europäische Stadtbaugeschichte schreiben“, sagte Jürg Sulzer. Er ist Leiter des Kompetenzzentrums „Revitalisierender Städtebau“ in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec – der Potsdam bei der Bewerbung um die Kulturhauptstadt Europas unterlegen war. Dabei sei die Zeit nicht das entscheidende, jedoch ein Konsens in der Bevölkerung und unter allen Beteiligten. In der Diskussion habe keiner ein Alleinstellungsrecht, so Sulzer. Weder die Befürworter eines Originalaufbaus noch die Architekten der Moderne. Er attestierte den Stadtplanern, mit dem Projekt Aufbau am Alten Markt eine „zentrale Weichenstellung für die Zukunft“ in der Hand zu halten. Dass die Stiftung deutsche Baukultur sich in Potsdam ansiedeln wird, verpflichte vor diesem Hintergrund noch viel mehr zu einer gelungenen Architektur. Sowohl Sulzer als auch Bräuer rieten daher, ein Architekturverfahren durchzuführen und den Sieger vom Investor bauen zu lassen.
Wohin das führen kann, sehe man derzeit beim Berliner Hauptbahnhof, sagte ein Entscheidungsträger der Stadt danach den PNN. Oder am Beispiel Reichstag: Der Siegerentwurf hatte keine Kuppel, doch der Bund als Bauherr wollte dieses Element des Zweitplatzierten im Siegerentwurf verankert sehen. Dabei komme es ebenso zu Streitigkeiten wie in dem jetzt gewählten Verfahren. Dabei sollte der Bebauungsplan, der von den Stadtverordneten bereits zwei Mal abgelehnt worden ist – als Grundlage des Verfahrens genommen werden. Nun ist es auf Eis gelegt. Wie lange, darüber verhandeln gerade die Politiker. Und ob es eine Bürgerbefragung geben soll oder nicht. Nach Ansicht von Verfahrensbeobachtern läuft es auf die Befragung alle Potsdamer hinaus und es kommt am 6. Dezember vorerst zu keiner dritten Abstimmung. Zwar hat die CDU den abgelehnten Bebauungsplan erneut zur Abstimmung gestellt, die Vorlage kann jedoch bis zum Abend des Nikolaustages zurück gezogen oder zurück gestellt werden. Jan Brunzlow
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: