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Von Sabine Schicketanz: Von Babelsberg das Beste

Berlinale-Premiere: Actionthriller „Unknown Identity“ als unterhaltsame Berlin-Hommage und Meilenstein für das Potsdamer Studio

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Das blassgelbe Taxi rast durch die Friedrichstraße, verfolgt von einem schwarzen Geländewagen. Die Jagd ist kunstvoll inszeniert, voller Pirouetten, Drehungen, Wendungen. Der Tanz der Gefährte endet, wie er enden muss: Jäh. Das Taxi schießt auf dem Dach über den Asphalt, Funken sprühen. Den Rest gibt ihm eine Straßenbahn, die nicht rechtzeitig bremsen kann. In letzte Sekunde springen die Insassen hinaus. Bei der Pressevorführung im Berlinale-Kino gibt es für diese Verfolgungsjagd Szenenapplaus.

Der Thriller „Unknown Identity“, der gestern im Wettbewerb des Festivals - außer Konkurrenz - gezeigt wurde, ist eine sehr gegenwärtige, sehr unterhaltsame Berlin-Hommage voller Action. Das Potsdamer Studio Babelsberg, dessen Statuette der Maria aus „Metropolis“ bereits im Vorspann über Leinwand flimmern darf, könnte „Unknown Identity“ gar als Meilenstein feiern. Einige Jahre nachdem das Studio in „Das Bourne Ultimatum“ das Zusammenspiel von Action, Thriller und Berlin als Schauplatz erfolgreich erprobte, folgt nun das Meisterstück: „Unknown Identity“ des jungen spanischen Regisseurs Jaume Collet-Serra mit den internationalen Stars Liam Neeson und Diane Kruger in den Hauptrollen zeigt all das, was Babelsberg sich in der jüngsten Vergangenheit angeeignet hat. Die Studio-Leute haben es als Koproduzenten verstanden, dem Regisseur, der Berlin zuvor noch nie besucht hatte, einen hoch attraktiven Drehort zu präsentieren. Und zwar nicht als Städte-Double, sondern als Schauplatz, der die Story prägt, sie ergänzt, dem internationalen Publikum Neues zeigt, gleichsam den deutschen und europäischen Zuschauer nicht mit platten Klischees für dumm verkauft. In 48 Drehtagen filmte die 100-köpfige Crew an 40 Schauplätzen, zwei Drittel davon außerhalb der Studiohallen in Berlin, Potsdam – Drehorte waren hier das Foyer der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) und ein Pflanzenlabor in Golm – und am Leipziger Flughafen. Der erneute Beweis, dass wer in Babelsberg dreht nicht nur Kulissen- und Weltkriegs-Filme machen muss, wäre damit angetreten. Wobei die traditionelle Kompetenz der Studio-Filmschaffenden nicht zu kurz kommt: Die gesamte Präsidentensuite des Berliner Hotel Adlon wurde in der „Metropolishalle“ in Babelsberg im Originalmaßstab nachgebaut, um dort in Ruhe filmen und sie schlussendlich spektakulär in die Luft sprengen zu können. Im echten Hotel ging dies selbstverständlich nicht – gefilmt wurde dort bei laufendem Betrieb, „wir durften die Gäste nicht einmal bitten, aufzustehen“, sagt Regisseur Collet-Serra.

Im Adlon zu drehen, sei im Übrigen ein Wunsch des Mannes gewesen, dessen Zutun für Babelsbergs Hollywood-Aufträge maßgeblich ist: Joel Silver. Der US-Produzent gilt seit jeher als Fan des ältesten Filmstudios Europas. Fünf Filme ließ der markante Film-Boss hier bereits produzieren, weitere sollen folgen. Auch, weil die Studio Babelsberg AG bereits vor Jahren zehn Millionen US-Dollar in eine „strategische Allianz“ mit Silver investierte: Damit ist eine gewisse Hallenauslastung garantiert, Babelsberg kassiert Gewinnbeteiligung, wenn ein Film gut läuft. Außerdem hilfreich bei der Auftragsakquise: Die Gelder der länderübergreifenden Filmförderanstalt Medienboard Berlin-Brandenburg und aus dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF). Vier Millionen Euro Zuschuss gab es aus letzterem, das Medienboard bewilligte 450 000 Euro. „Die Förderung macht es lohnenswert für uns, hier zu drehen“, sagt Andrew Rona, Chef von Silvers Firma „Dark Castle Entertainment“. Insgesamt habe „Unknown Identity“ 40 Millionen US-Dollar gekostet – ein vergleichsweise bescheidenes Budget. Die „Bourne“-Filme beispielsweise sollen zwischen 60 und 110 Millionen US-Dollar verschlungen haben. Die Wahrnehmung von Filmkritiken, dass bei „Unknown Identity“ aus verhältnismäßig wenig Geld viel gemacht worden sei, dürfte die Babelsberger Studiochefs erfreuen.

Dass in dem Actionthriller nur deshalb viele deutsche Schauspieler zum Zuge kamen, um sich die Millionen aus dem DFFF zu sichern, weist Studio Babelsberg-Vorstandsvorsitzender Carl L. Woebcken zurück. Beim Cast seien ausschließlich künstlerische Aspekte wichtig gewesen, versichert er. Und selbst wenn nicht: Die deutschsprachigen Schauspieler scheinen noch heute glücklich über ihre Rollen. Sebastian Koch, bekannt aus dem TV-Mehrteiler „Die Manns“, mimt den politisch korrekten Wissenschaftler Professor Bressler. Was Studio Babelsberg „in den letzten Jahren auf die Beine gestellt hat, ist Wahnsinn“, findet er. Bester Nebeneffekt: „Für einen deutschen Schauspieler ist es toll, nicht immer nur den Nazi zu geben.“

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