KOOPERATIONÄRE: „Vor einer weiteren Hochzeitsnacht“
Harmonie statt Konfrontation: Nach ihrem Krisentreffen versuchen die Partei- und Fraktionschefs in der Rathauskooperation den Neuanfang. Die Bündnispartner wollen sich zu einer weiteren Runde treffen
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Steeven Bretz nahm die Angelegenheit mit Humor. „Wir haben keine Scheidungsanwälte benötigt, sondern stehen kurz vor einer weiteren Hochzeitsnacht“, sagte der Potsdamer CDU-Vizekreischef am Montagabend bei einer improvisierten Pressekonferenz im Stadthaus – kurz nach dem Krisentreffen der Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP. Die anderen Partei- und Fraktionschefs neben Bretz lachten freundlich über seinen Scherz. Ein Bild voller Harmonie.
Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sprach von einem sehr konstruktiven Gespräch. Er habe den Eindruck gewonnen, die Partner in der Rathauskooperation seien an gemeinsamen Lösungen interessiert. Deswegen werde noch im November ein weiteres Treffen stattfinden. „Ich bin optimistisch, dass wir die Kooperation fortsetzen können.“ Die umstehenden Bündnispartner nickten, lächelten, witzelten.
Doch bei welchen Fragen sich die seit Wochen streitenden Bündnispartner am Montagabend tatsächlich angenähert haben oder auch nicht, blieb am Montagabend unklar. Oberbürgermeister Jakobs sagte, die Partner hätten sich zum einen über das anstehende 160-Millionen-Euro-Paket für neue Schulen unterhalten – hier soll noch vor der Kommunalwahl im kommenden Mai feststehen, mit welchen Maßnahmen die Stadt diese Investitionen bezahlen soll. Ebenso sei es um die immer noch ungeklärte Finanzierung der Millionen-Zahlungen für die Schlösserstiftung zur Verhinderung eines Zwangseintritts für den Park Sanssouci gegangen. Thema war auch der umstrittene Neubau der Weissen Flotte am Fuße des Mercure-Hotels. Bei den letzten beiden Themen hatte Jakobs wie berichtet in der vergangenen Stadtverordnetenversammlung wichtige Abstimmungen verloren, so war etwa die von ihm favorisierte Tourismusabgabe glatt durchgefallen.
Diese Niederlagen hatten die Krise der Kooperation ausgelöst, es folgten gegenseitige Schuldzuweisungen. Die SPD hatte „überraschende Wendungen im Verhalten der Kooperationspartner“ beklagt – insbesondere bei den Grünen und der CDU – und zur gestrigen Krisensitzung eingeladen. Das Ziel: Man müsse prüfen, ob die inhaltlichen Übereinstimmungen noch ausreichend sind, um noch bis zur Kommunalwahl gemeinsam Politik zu machen.
Zu den einzelnen Streitpunkten nahm am Montagabend keiner der Bündnispartner konkret Stellung. Die Pressekonferenz dauerte keine fünf Minuten, dann gingen die Kommunalpolitiker zu Sitzungen ihrer Fraktionen. Jakobs sagte lediglich noch, die verschiedenen Fragestellungen seien nicht zu Ende diskutiert. Bei dem mehr als zweistündigen Gespräch sei aus seiner Sicht aber klar geworden, dass die Kooperationspartner weiter miteinander arbeiten wollen. Auch CDU-Vize Bretz sagte, alle Partner hätten den Eindruck vermittelt, die Rathauskooperation halten zu wollen. Mehr als dieses klare Signal habe er von dem Treffen auch nicht erwartet, sagte Bretz. Er vertrat die wegen den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen in Berlin nicht anwesende Potsdamer CDU-Kreischefin und Umweltstaatssekretärin Katherina Reiche. Diese hatte in der vergangenen Woche in einem Interview Oberbürgermeister Jakobs Defizite in der Kommunikation vorgeworfen. Die SPD hatte dies prompt zurückgewiesen.
In dieser Situation hat jetzt Linke-Kreischef Sascha Krämer die SPD aufgefordert, Mut zu zeigen und die Kooperation zu verlassen. „Die SPD hat sich freiwillig in eine Art babylonische Gefangenschaft begeben – Klein- und Kleinstparteien verhindern eine originäre sozial-demokratische Politik“, teilte der Linke-Kreischef mit. In der Kommunalpolitik gehe es um den Wettbewerb von guten Ideen für Potsdam, daher seien wechselnde Mehrheiten zu bevorzugen, so Krämer weiter.
Doch genau gegen dieses Prinzip war die Rathauskooperation nach den Kommunalwahlen 2008 gegründet worden, um etwa bei Abstimmungen zum Haushalt der Stadt auf sichere Mehrheiten vertrauen zu können. In einem Kooperationsvertrag hatten die Partner die Leitlinien ihrer Zusammenarbeit festgeschrieben und verabredet, welche Partei welche Beigeordneten vorschlagen darf. Die Linke im Stadtparlament hat das Bündnis seither stets kritisiert, damit werde die größte Fraktion im Plenum faktisch ausgegrenzt. Krämer teilte nun mit, nach der Postenvergabe gebe es in der Kooperation keine gemeinsamen Inhalte mehr. Dafür bestünden zwischen der Linken und der SPD bei Sachfragen durchaus Schnittmengen, darüber sollten die Akteure beider Parteien miteinander reden. Doch speziell das Verhältnis zwischen Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg und seinem SPD-Pendant Mike Schubert gilt als nachhaltig gestört, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit als kaum möglich.
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