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Landeshauptstadt: Was tun mit der weißen Johannisbeere Ein Gartenreich der guten Nachbarschaft Abenteuer am Weißen See

Der wöchentliche PNN-Gartentipp Potsdams am schönsten gelegene Kleingartensparte hat eine bewegte Geschichte

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Der wöchentliche PNN-Gartentipp Potsdams am schönsten gelegene Kleingartensparte hat eine bewegte Geschichte Von Erhart Hohenstein Von Erhart Hohenstein Wer heute einen Klein- oder Hausgarten übernimmt, wird mit 90-prozentiger Sicherheit einige Johannisbeersträucher in Weiß, Rot und Schwarz vorfinden. Heute mag diese kleinen, würzigen Beeren kaum noch jemand. Die aromatischen schwarzen wurden uns als Kindern wegen ihrer Heilkraft gegen alle möglichen Krankheiten empfohlen, die wir nicht hatten. Mit weißen und roten Beeren gemischt, gezuckert und frisch gegessen haben wir sie noch akzeptiert, was die Enkel aber nicht mehr tun. Was also anfangen mit den Johannisbeeren? Einen fruchtig schmeckenden Wein könnte man daraus keltern, aber wer nimmt diese Arbeit schon auf sich? Dazu werden Ballons, Gärröhrchen und Schwefelfäden gebraucht, die im Handel kaum noch zu bekommen sind. Die Rheinweinhefen, die früher für die Gärung angeboten wurden, sind für die Katz. Gut gemaischte (zerkleinerte) Beeren, in einem Tontopf in die Sonne gestellt, gären durch ihre Eigenhefe, die dem Getränk ein unvergleichliches Aroma verleiht. Mehrfaches Umstechen mit etwas Wasser im Ballon, das die Tropfen der angezündeten Schwefelfäden auffängt, verhindert, dass der Weinansatz einen „Böcksler“ einfängt oder zum Essig verkommt. Viel einfacher ist, vor allem die schwarzen Beeren mit Alkohol zu versetzen und daraus einen Johanniskorn oder mit Zuckerzusatz einen Johannislikör herzustellen. Der dafür geeignete hochprozentige Primasprit ist allerdings kaum noch zu ergattern; es sei denn, man bringt ihn von einer Reise aus Polen mit. Nicht so sehr für Likör zu empfehlen sind die bis zu Kirschgröße heranreifenden Jostabeeren volkstümlich Jockelbeeren), eine in den 70er Jahren durch die Kreuzung von Stachel- und Johannisbeeren heraus gezüchtete Hybride. Sie sind weniger herb als die Ausgangssorten und eignen sich eher zum Frischessen oder zum Saftmachen. Eine Delikatesse stellt Johannisbeergelee aus roten oder schwarzen Früchten dar. Das Entsaften mittels Kalt- oder herkömmlichen Dampfentsaftern erfordert allerdings hinterher meist einen Großputz in der Küche. Mit Pektina, das in Werder hergestellt wurde, gelang die Herstellung mit Sicherheit. Der heute angebotene Gelierzucker verlangt dagegen im Mischungsverhältnis und im Einhalten der Kochzeit Millimeterarbeit, soll der Saft nicht Saft bleiben oder zu einer zähen Masse erstarren. Gar nicht Rechtes anzufangen ist mit den weißen Johannisbeeren, die relativ wenig Saft haben. Sie sind deshalb aus vielen Gärten verschwunden. Einige Kochbücher empfehlen die Verarbeitung zu Ketchup. Mit Sauerkirschen gemischt sollen sie auch eine Grundlage für eine wohlschmeckende Marmelade abgeben. Wer viele kleine Kerne mag, kann es versuchen. Ein gestaltetes Gartenreich, wie man es um ein Mehrfamilienhaus mit 11 Wohnungen kaum erwartet, entdeckt der Spaziergänger an der Dürerstraße 1 in der Berliner Vorstadt. Von einem erhöhten Sitzplatz fällt der Blick auf stimmig geführte Wege, kleine Mauern, Treppen und Pergolen. Die mit Stauden und Blumen bepflanzten Rabatten werden von Buchsbaum umgrenzt. Hecken aus Hainbuchen und Liguster gliedern das Gelände,auf dem auch einige alte Bäume stehen. Einem Garten Struktur zu geben, sei ebenso wichtig wie die Bepflanzung, sagt Brigitte Rusch, die Schöpferin der Anlage. Die aus Soest (Westfalen) stammende Architektin bekam von der Eigentümerin den Auftrag, das rückübertragene Haus zu sanieren. Wie stets in solchen Fällen, übernahm sie auch die Gestaltung des Umfeldes, das aus einer Betonfläche, Kohlelager, Wäscheplatz und verwilderten Strauchecken bestand. Von Anfang an ging es ihr darum, die Mieter in die Arbeiten einzubeziehen. Mit ihnen gemeinsam verlegte sie die Steine für einen Rasenweg und errichtete ein Spielhaus für die Kinder. Drei der Wohnungen wurden vor dem Souterrain mit einem kleinen Mietergarten ausgestattet. Brigitte Rusch ist überzeugt, dass ein gemeinsam angelegter und gepflegter Garten die Hausbewohner einander näher bringt. Das hat sich für die Dürerstraße 1 erneut bestätigt, in der sie inzwischen mit ihrem Ehemann auch selbst wohnt. Die Mieter sitzen oft im Garten zusammen, manchmal schauen dann sogar die Nachbarn vorbei. Sie hofft, dass das so bleibt, wenn sie mit der Pensionierung ihres in Berlin arbeitenden Manns in die westfälische Heimat zurückzieht. Die Architektin, die außerdem als Malerin hervorgetreten ist und derzeit auf Schloss Zieten eine Ausstellung zeigt, hat in der Berliner Vorstadt schon Nachahmer gefunden. „Ein gut gestalteter Garten am Haus ist so wichtig für die Wohnqualität“, erklärt sie. „In vielen Fällen fehlt aber fachkundiger Rat, wie er anzulegen ist. Nur ein paar Rosenstöcke zu setzen und einige Büsche zu pflanzen, reicht nicht aus.“ E. Hoh Die Wurzeln der Kleingartenanlage Am Weißen See liegen an der Nuthemündung. Die letzte Stunde des gleichnamigen Vereins schlug 1969, als das Gelände an der Babelsberger Straße mit Werkhallen für die Geräte- und Regler-Werke Teltow bebaut werden sollte. Dazu kam es wegen des sumpfigen Untergrundes zwar nie, aber die Gärtner waren ihre grüne Oase los. Sie verwandelte sich in Kohlelager und Abstellplatz für Lkw. Auch Reinhard Heise verlor seine Parzelle, machte sich aber beim Rat der Stadt für eine Ausweichfläche stark. Damals wurden im Potsdamer Norden gerade LPG und GPG zusammengelegt. Der neue Großbetrieb wusste mit den Splitterflächen, die zwischen Privatgrundstücken lagen und zuvor mit Getreide bestellt oder mit Obstbäumen besetzt waren, nichts mehr anzufangen. So gelangten die etwa 20 Kleingärtner, die Heise in den Norden folgten, und 44 neue Interessenten in ihren Besitz und wandelten die Äcker in die unmittelbar am Weißen See und damit landschaftlich wohl am schönsten gelegene Potsdamer Kleingartensparte um. Dabei ist viel Schweiß geflossen, worüber Gerhard Kuschel abenteuerliche Geschichten erzählen kann. Er übernahm 1972 den Vorsitz des Vereins und führte ihn fast drei Jahrzehnte. Um Strom auf die Parzellen zu bekommen, bauten die Kleingärtner ohne Aufnahme in die Baubilanz ein Trafohäuschen. Das Material mussten sie also selbst besorgen. Das gelang für plastummantelte Kabel, doch es mussten bleiummantelte sein. Bei einer „Fahndung“ der Arbeit- und Bauern-Inspektion (ABI) nach Materialreserven wurden dann just solche Kabel(rollen) gar nicht weit entfernt im Wald entdeckt. Sie waren von einem fallen gelassenen Bauvorhaben zurück geblieben. Die Kabel hatten sie, aber dann lieferte die Energieversorgung einen Transformator falschen Typs. Selbst einige einflussreiche Betriebsdirektoren, die dem Verein angehörten, konnten nicht helfen. Der trickreiche Vorstand fand trotzdem einen Ausweg. Zwischen den Teilflächen der Kleingartenanlage stand das Gästehaus des Berliner Stadtkommandanten Generalmajor Poppe, das später vom Chef der NVA-Landstreitkräfte Generaloberst Stechbarth übernommen wurde. Die wünschten für die Sicherung ihres Geländes dringend eine bessere Stromversorgung. Binnen kurzem war der richtige Trafo da. Als alle Kleingärtner Strom hatten, kränkelte das Vereinsleben. Viele zogen sich in ihre Lauben zurück und setzen sich vor den Fernseher. Da verkaufte der Vorstand das Trafohäuschen für 25 000 DDR-Mark an die Energieversorgung und finanzierte davon den Bau eines Vereinslokals. Das wurde schnell zu einem beliebten Treffpunkt und ist es heute noch. Gerade schreibt der Pächter mit Kreide die Tagesgerichte ans Brett, die es zusätzlich zur Standardkarte gibt: Kaninchenleber und Rostbrätel, für je 5 Euro. Nahe dem Vereinslokal schaukeln Boote im Wasser. Sie gehören Gartenfreunden, die sich zu einer Bootsgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Sie können sich also nicht nur im Garten, sondern auch auf dem Wasser erholen. Von Gerhard Kuschel hat 2001 Manfred Lehre den Vorsitz übernommen. Die 200 Mitglieder der im Laufe der Jahrzehnte auf 101 Parzellen angewachsenen Anlage machen es ihm leicht: Sie pflegen ihre Gärten, halten die für den Gemüseanbau vorgeschriebene Beetfläche ein und streiten nur selten untereinander. Gerade jetzt am Wochenende wurde wieder stimmungsvoll Sommerfest gefeiert.

Erhart Hohenstein

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