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Domizil für Kreative. Das Rechenzentrum in der Breiten Straße soll ab Sommer von Künstlern und Gründern in der Kreativbranche genutzt werden. Über ein Nutzungskonzept wird derzeit beraten. Preiswerter Büroraum für Neugründer fehlt in Potsdam.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Weg vom Bild des armen Künstlers

Das Stadt Forum Potsdam diskutierte über die Zukunft der Kreativwirtschaft und warum sie auf das Rechenzentrum hofft

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Nach mehr als zweieinhalb Stunden wurde es endlich interessant: Bei der 52. Sitzung des Stadt Forums Potsdam zum Thema Kreativwirtschaft stand die Frage im Raum: Was bedeutet das für Potsdam? Wie kann dieser Wirtschaftszweig hier gestärkt werden? Im Theatersaal des Treffpunkt Freizeit war Donnerstagabend zunächst sehr gründlich von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und Katja Dietrich-Kröck vom Landesministerium für Wirtschaft und Energie in das Thema eingeführt worden. Die meisten der etwa 30 Anwesenden – aufgrund des Feiertag-Wochenendes weniger als sonst – waren aber mit der Materie vertraut. Ebenso mit der Problematik: Was genau ist Kreativwirtschaft, wie grenzt sie sich – wenn sie das tut – von Künstlern ab? Was kann man tun, um sie zu unterstützen – und was nicht?

Einigkeit herrschte bei der Einschätzung, dass das Potenzial dieses Wirtschaftszweiges, 2,5 Milliarden Umsatz im Land Brandenburg, einerseits wichtig und andererseits nicht ausgeschöpft ist. In Potsdam liegt das hauptsächlich am angespannten Immobilienmarkt. Was der Stadt fehlt, sind Industriebrachen, die sich als Gründerzentren, kleinteilige Büro- und Atelierräume nutzen ließen. Kreative, Studenten und Absolventen zieht es eher nach Berlin als nach Potsdam. Stephanie Raab von der Coopolis GmbH Berlin, die dort Konzepte für die Ansiedlung kreativen Gewerbes entwickelt, macht aber auch das unflexible Baurecht dafür verantwortlich. Die strengen Auflagen blockierten bisweilen kurzfristige Zwischennutzungen von Immobilien. Neubauten hingegen seien für schlecht verdienende Kreativ-Unternehmer meist zu teuer. In Potsdam fehle es aber auch an der nötigen Infrastruktur, sagte Marius Schwarz, Finanzchef von Studio Babelsberg. IT-Unternehmen mit einem hohen Datentransfervolumen zahlen in der Medienstadt Babelsberg vielerorts eine Grundgebühr von 2000 Euro. „Das geht einfach nicht, das verhindert jede Neuansiedlung“, sagte Schwarz.

Nun ruhen viele Hoffnungen auf dem alten Rechenzentrum. Der DDR-Bau in der Breiten Straße soll übergangsweise zum Kreativ- und Künstlerzentrum werden. Eine mittelfristige Nutzung von zehn bis 15 Jahren sei denkbar. Ab Juli steht das Gebäude leer – bisher fehle aber ein Nutzungskonzept, sagte André Tomczak von der Kulturlobby Potsdam. „Auch für eine Zwischennutzung muss man in das Gebäude investieren.“ Für Björn Gripinski, der mit seinem Unternehmen Freybeuter aus Potsdam ins Umland zog, kommt das Rechenzentrum zu spät. Er regte an, bei der Entwicklung des Rechenzentrums auch für architektonische Ideen offen zu sein. „Vielleicht kann man hier die Fassaden öffnen?“

Derzeit bemühe sich die Stadt um den Erwerb der ehemaligen Husarenkaserne in der Berliner Straße, sagte Jakobs. 2019 zieht dort die Bundespolizei aus, dann könnte das ein Kreativstandort werden – passend zur Schiffbauergasse. Potenzial gebe es auch noch in der Zeppelinstraße in der Nachbarschaft zum Art’otel.

Wie schön ein Arbeitsplatz in der Kreativwirtschaft aussehen kann, zeigte eine Präsentation über das neue SAP Innovation Center am Jungfernsee. Architekt Mike Herud erklärte, wie sehr sich die Arbeitsplatzgestaltung in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert hat. Für Potsdamer ist der Neubau allerdings, außer bei Führungen, nicht zugänglich. Ein weiteres Beispiel für private Initiative stellte Stephanie Raab vor. Der Potsdamer Unternehmer Christoph Miethke kaufte vor wenigen Jahren einen Industriebau in Oranienburg und gründete das Oranienwerk für Unternehmen der Kreativwirtschaft. Es sei unabdingbar, auch private Immobilienbesitzer und Unternehmer mit ins Boot zu holen. „Dazu brauchen wir aber ein Umdenken, weg vom Bild des armen Künstlers zu jemandem, der professionell und flexibel arbeitet“, so Raab.

„Jeder Spitzenkünstler hat mal klein angefangen“, so Kulturamtschefin Birgit Katharine Seemann (SPD). Und verwies auf den morgigen Tag der offenen Ateliers, um Berührungsängste abzubauen und sich direkt vor Ort die Produktionsbedingungen der Kreativen anzuschauen.

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