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Landeshauptstadt: Welt im Blick

Sandra Scholz holte Gold beim bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb

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Sie wäre vermutlich die erste Russisch sprechende Buchverkäuferin des KaDeWe geworden. Ginge es nach den Juroren der Russischolympiade, dann hätte Sandra Scholz den Job bekommen. Im Anschluss an eine Führung durch Berlins Nobel-Kaufhaus hatte sich die Potsdamer Helmholtz-Schülerin als Prüfungsaufgabe in einer der Abteilungen bewerben müssen. Auf Russisch natürlich. Für die 16-Jährige kam nur das Buchgeschäft infrage. Da kenne sie sich aus, pries sie die eigenen Fähigkeiten an. Sie könne Autoren empfehlen, kenne viele Romane in Originalsprache und in der Übersetzung und könne so Vergleiche ziehen. Und natürlich käme sie leicht mit ausländischen Touristen ins Gespräch. Die Prüfungskommission glaubte es ihr aufs Wort, aufs russische, und verlieh ihr einen 3. Preis. Die Jury hätte das Mädchen mal auf Englisch hören sollen ...

Russisch lernt Sandra erst seit zwei Jahren. Ihre Spezialstrecken hingegen sind Englisch und Französisch. Da ist sie richtig gut. So gut, dass sie jetzt beim bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb mehr Punkte einheimste als alle anderen ihres Alters im Land Brandenburg. Als 1. Preis gewann sie eine Reise nach Malta und einen Stapel Wörterbücher. Teure Bücher, weiß Sandra den Wert zu schätzen. In der Bibliothek ihrer Eltern stehen viele davon, gewichtige Nachschlagewerke, Romane in Originalsprache, auch Kinderbücher, englische und russische. Die werden gehütet wie Schätze, erzählt Sandra, froh darüber, an diesem Reichtum teilhaben zu dürfen.

Mutter und Vater sind studierte Dolmetscher. Fremde Sprachen gehören in der Familie quasi zur Alltagskultur, fließen hier und da ins Deutsche hinein, berühren die Wahl von Literatur, Film, Musik. Auch wenn Sandra und ihre Geschwister nicht bilingual aufwachsen, so erleben sie die Vielsprachigkeit doch als eine Normalität, die ihnen jede Hemmung vor fremden Vokabeln genommen hat. So ruhig und konzentriert das schmale Mädchen äußerlich erscheint, so sehr ist doch ihr Ehrgeiz zu spüren, die Lust, immer neue Sprachzusammenhänge zu verstehen, Wörter auf ihren Stamm zurückzuführen, um sich deren Bedeutung selbst herleiten zu können. Liest Sandra Bücher im Original und entdeckt dabei, wie schlecht und sinnentstellend manche Übersetzungen sind, dann fühlt sie eine aufkeimende Souveränität, die sie ganz sicher ihren Weg weitergehen lässt.

Sie will Englisch studieren, Lehrerin werden, jeden Tag diese Sprache sprechen, in die sie bereitwillig immer tiefer eintaucht, so tief, dass sie manchmal vergisst, was sie auf Deutsch sagen wollte. Sandra merkt, dass sie nicht mehr nur den Inhalt versteht, sondern nun auch feine Nuancen wahrnimmt, Ironie und Sprachwitz. Wenn sie heute englische Titel im Radio hört, kann sie sich kaum mehr vorstellen, früher nur die Musik gehört zu haben. Es tut ihr gut, dass sie über Texte, Bücher und Filme auch mit ihren Mitschülern reden kann. Für sie ist es wichtig, Sprachen nicht an sich zu lernen, sondern als Mittel zum Zweck, um sich über Gedanken auszutauschen oder Probleme zu diskutieren.

Sandra hat am Helmholtz-Gymnasium den bilingualen Zweig belegt, dort lernt sie auch Geschichte und Politische Bildung auf Englisch. Der Trend, glaubt sie, geht an vielen Schulen in diese Richtung. Auch ein Grund, Englischlehrerin zu werden. Vielleicht in Kombination mit Chemie. Die Wissenschaftssprache ist ohnehin schon Englisch.

Sandra weiß, dass ihr die Mehrsprachigkeit viele Türen öffnen wird. Sie will reisen, sich mit jedermann unterhalten können, Theater und Museen ohne Hilfsmittel verstehen. Sie ist neugierig auf Menschen in anderen Kulturen. Berührt war sie von der Mischung aus Melancholie und Lebensfreude in St. Petersburg, überrascht von der freundlichen Zurückhaltung ihrer Gastfamilie während einer Klassenfahrt ins englische Brighton.

Erzählt Sandra von ihren ersten Stippvisiten in anderen Ländern, dann so respektvoll wie jemand, der weiß, was ihm verborgen blieb. Sie wird vieles entdecken. Doch noch ruht in ihr eine gut gehütete Vorfreude. Sicher, sie könnte jetzt, so wie andere Gymnasiasten, ein Jahr im Ausland verbringen. Das aber hebt sie sich fürs Studium auf. Stattdessen richtet sie ihre ganze Aufmerksamkeit aufs Abitur. Und dafür beginnt sie ab dem kommenden Schuljahr auch noch Spanisch zu lernen. Für einen Studentenjob im Berliner KaDeWe, in Moskau, London oder Madrid kann das nur von Vorteil sein.

Antje Horn-Conrad

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