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Der Stör soll mit gezielten Aktionen wieder in der Havel angesiedelt werden.

© Manfred Thomas

Wasserqualität der Havel: Weniger giftige Weichmacher

Am Montag wurden Störe in der Havel ausgesetzt, die bedrohten Fische sollen in Brandenburg wieder heimisch werden. Doch es ging auch um die Wasserqualität des Flusses.

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Potsdam - Eigentlich war es ein Traumtermin für Politiker: Bei Sonnenschein und begleitet von etlichen Grundschülern hat Brandenburgs Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Montagvormittag 250 junge Störe in der Havel ausgesetzt, um den vom Aussterben bedrohten Speisefisch wieder in Brandenburg anzusiedeln. Am Ufer des Flusses an der Schiffbauergasse kippte der Minister die Jungtiere aus Eimern und Schüsseln ins Wasser.

Doch der Termin wurde von Schlagzeilen der vergangenen Woche überschattet. Ausgehend von einer Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hatten diverse Medien gemeldet: Die Havel bei Potsdam gehört zu den fünf am stärksten mit giftigen Weichmachern belasteten Flüssen Deutschlands.

Die Belastungen in Potsdam kommen aus Berlin

Tatsächlich operiert das Ministerium in seiner Antwort mit drei Jahre alten Daten, die auch eine Belastung mit Polychlorierten Biphenylen (PCB) zeigen – das ist eine giftige und krebsauslösende organische Chlorverbindung, die bis in die 1980er-Jahre zum Beispiel als Hydraulikflüssigkeit sowie als Weichmacher in Lacken und Kunststoffen verwendet wurde. Für diesen Schwebstoff gilt laut dem Sprecher des Landesumweltministeriums, Hans-Joachim Wersin-Sielaff, eine Umweltqualitätsnorm, die bei 20 Mikrogramm pro Liter im Jahresmittel liege. „Seit 2012 sind keine Überschreitungen dieser Norm mehr festgestellt worden“, sagte Wersin-Sielaff. Zwischen 2000 und 2011 seien solche erhöhten Werte dagegen fast jedes Jahr gemessen worden. Eine entsprechende Messstelle sei bereits 2000 an der Humboldtbrücke eingerichtet worden, einmal pro Monat werde dort eine Wasserprobe entnommen. Nach starken Regenfällen könne die Belastung allerdings noch weit über dem Normwert liegen, so Wersin-Sielaff.

Das Problem sei seit Jahren bekannt und Gegenmaßnahmen längst eingeleitet, so der Ministeriumssprecher. PCB sei eine Altlast, deren Verwendung seit 1989 verboten sei. Die in Potsdam gemessenen Belastungen hätten ihre Ursachen primär im Zulauf aus Berlin. Die Probleme könnten aber minimiert werden, wenn etwa Regenwasserabläufe, insbesondere von alten Gewerbestandorten, gezielt abgeleitet und entsprechend gereinigt würden. Da diese chlorierten Kohlenwasserstoffe nur schwer abbaubar seien, hätten sich in der Havel über Jahrzehnte sogenannte Sediment-Archive abgelagert, sagt Wersin-Sielaff – daher müssten bei Wasserbauaktivitäten möglichst verwirbelungsarme Technologien eingesetzt werden.

Kein Grund, das Baden einzuschränken

Für Badende in der Havel sei das PCB kein Problem, so der Sprecher – denn der Stoff liege im Wasser vorwiegend an Partikel gebunden vor, zum Beispiel an Schwebstoffen. „Es gibt deswegen keinen Grund, das Baden einzuschränken.“ Auch für das Potsdamer Trinkwasser spiele der Schadstoff keine Rolle, betonte Wersin-Sielaff – denn dieses bestehe aus aufbereitetem Grundwasser. Die zuständigen Stadtwerke bestätigten das und teilten mit, schon aus Vorsorgegründen werde das Grund- und Rohwasser regelmäßig auf PCB untersucht.

Auch für die am Montag von Minister Vogelsänger im Rahmen des Wiederansiedlungsprojekts ausgesetzten Störe sei keine übermäßige Gefahr durch das PCB zu erwarten, bestätigte Steffen Zahn vom Institut für Binnenfischerei in Sacrow. Denn die mit Peilsendern ausgestatteten Jungstöre halten sich nicht lange in Potsdam auf: Sie treten eine Reise in die Nordsee an und kehren erst nach etwa 15 Jahren zum ersten Mal zum Laichen zurück. Ebenso lagerten sich PCB-Schadstoffe in Fischen zunächst lediglich im Fettgewebe der Tiere ein, sagte Zahn.

Die Belastung nimmt ab

Ministeriumssprecher Wersien-Sielaff verwies wiederum auf Untersuchungen, die der Potsdamer Fischereischutzverein „Havel“ im Rahmen der Selbstkontrolle beteiligter Berufsfischer bei gefangenen Aalen durchführt. Auch hier werde das Gewebe auf PCB untersucht. „Dabei hat sich gezeigt, dass die Belastung in Fischen stetig abnimmt.“ Zuletzt seien keinerlei Überschreitungen mehr festgestellt worden, so der Sprecher. Noch 2009 waren bei Fischen aus dem Krampnitzsee bei Fahrland und aus dem Jungfernsee zum Teil deutlich erhöhte PCB-Werte festgestellt worden. Gleichwohl hatte das Ministerium nicht generell vom Verzehr von Havelaalen abgeraten: Wer vorsorgen wolle, soll nicht mehr als 200 Gramm Aal pro Monat essen, hieß es damals.

Derweil soll kurz vor Beginn der Badesaison noch in diesem Monat die Liste zur Badegewässerqualität in Brandenburg veröffentlicht werden. Das bestätigte das Landesumweltamt. Unter anderem kontrollieren die Gesundheitsämtern die Seen und Flüsse in der Mark mithilfe mikrobiologischer Untersuchungen, insgesamt werden 250 Badestellen erfasst. Den Potsdamer Badestellen – am Strandbad Babelsberg am Tiefen See sowie am Waldbad Templin – sei im vergangenen Jahr jeweils eine ausgezeichnete Badewasserqualität bescheinigt worden, hieß es. Beanstandungen gab es keine.

Lesen Sie hier den Hintergrund: Die Rettung des Störs >>

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