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Grausige Details. Polizisten Ende Oktober 2015 durchsuchen die Wohnung von Silvio S. in Kaltenborn.

© dpa

Fälle Elias und Mohamed: 5. Verhandlungstag in Potsdam: Wie in einem Horrorfilm

Lebensechte Kinderpuppen, Fesseln, SM-Masken, aus Zeitungen ausgeschnittene Kinderköpfe: Im Prozess um den Mord an Elias und Mohamed schildern Ermittler, was sie im Haus von Silvio S. fanden.

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Kaltenborn/Potsdam - Fesselutensilien, Fetisch-Masken, Kinderkleider, lebensechte Kinderpuppen, ausgeschnittene Kinder-Bilder, bizarre Wunschzettel – die Ermittler machten nach der Festnahme von Silvio S. Ende Oktober 2015 grausige Funde. Am Dienstag schilderten mehrere Beamte im Mordprozess gegen Silvio S., der den sechsjährigen Elias aus Potsdam ermordet und den vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed sexuell misshandelt und dann stranguliert haben soll, Details von der Durchsuchung der Wohnung des 33-Jährigen. Um es vorwegzunehmen: Die Prozessbeobachter fühlten sich an einen Horrorfilm erinnert.

Die Polizeibeamtin Annika D. berichtete, dass S. am Tag nach dem Tod von Elias, den er am 8. Juli 2015 entführt hat, noch einmal im Wohngebiet am Schlaatz gewesen sein muss. Jedenfalls hätten die Ermittler in der Wohnung von Silvio S. einen Handzettel gefunden. Er war in einer Klarsichtfolie verpackt und offensichtlich von einem Mast abgerissen worden. Es war einer der ersten Flyer, die auf der Suche nach Elias in dem Potsdamer Wohngebiet verteilt worden waren – und zwar nur einen Tag nach seinem Verschwinden, sagte die Ermittlerin.

Wirre Gedanken auf Notizzetteln: „Die Worte scheinen die Interessen von Herrn S. wiederzugeben.“

Anika D. berichtet auch von Notizzetteln, die die Beamten in der Wohnung unter Müllsäcken fanden, beschrieben mit rosa Textmarker und den Worten: „Mädchen Junge Messer“, „Kind fesseln“, „Mund zukleben“, „Wohnwagen im Wald“ oder „Kind betrunken machen“. Die Schrift sei dem Angeklagten zuzuordnen. Ein DNA-Abgleich sei aber nicht erfolgt, sagte die Ermittlerin. Auf Nachfrage des Richters erklärte sie: „Die Worte scheinen die Interessen von Herrn S. wiederzugeben.“ Ebenso sei bekannt, dass er sich für Wohnwagen interessiert habe. „Es klingt wie eine Fantasieanleitung“, sagte sie. Offenbar gehe es um Wünsche des Angeklagten, die in die Tat umgesetzt werden sollten.

Zu den Polizisten, die das Haus von Silvio S. in Kaltenborn bei Jüterbog (Teltow-Fläming) untersuchten, gehörte auch Grit H. Ihre Aufgabe war es, mit Leichenspürhunden nach Kleidung der in Sachsen-Anhalt vermissten Inga zu suchen. Sie fanden zwar Mädchenkleidung, aber keine Spuren zu Inga. Im Schlafzimmer seien lebensechte Puppen, Kinderbekleidung, Perücken, Mundspreizer und Fesselwerkzeug entdeckt worden, im Wohnzimmerschrank benutzte und unbenutzte Kondome. In einer zwei mal drei Meter großen Kammer, in der auch der Leichnam von Mohamed zwischenzeitlich abgelegt war, habe sich ein „Riesenhaufen Müll“ befunden – unter anderem mit „Massen an Bildern von ausgeschnittenen Babyköpfen, Mädchenköpfen, Jungenköpfen“ und ein Fotobuch mit Zeitungsausschnitten von Kindern. Das sei präzise Kleinarbeit gewesen.

Ermittler: Eindruck, dass gefundene Gegenstände einer Kindesentführung dienen sollten

In einer Einkaufstüte fanden sich etwa Mädchenkleidung, ein Kinderslip, Einmalhandschuhe und Paketband, anderswo etwa ein Baderock. In der Mitte des Raums stand ein aufblasbarer schwarzer Fesselstuhl. Die Ermittler hätten den Eindruck gehabt, dass das alles zur Vorbereitung einer Kindesentführung dienen sollte. „Für mich war da schon klar: Er hat sich schon ziemlich lange mit dem Thema beschäftigt“, sagte H. „Die Massen an Kinderkleidung, die Puppe mit Mädchenkleidung, auch so viele Ausschnitte – er muss sich Mühe gemacht haben.“

Das Gericht verlas auch eine Einkaufsliste von S. bei Ebay. Dort kaufte S. vielerlei unter dem Namen „Luna14913“ ein, die Ziffern sind die Postleitzahl seines Heimatdorfes Kaltenborn. Über das Internet-Auktionshaus besorgte sich S. Säuglings- und Künstlerpuppen, Prinzessinnenkleider, ein Tigerkostüm für Kleinkinder, Horrormasken und eine Bondage-Ledermaske, Knebel- und Fesselartikel wie Handschellen oder Riemen, Mundknebel, ein Handeisen mit Stahlkette und eine Halskrause für Kinder.

Dabei waren aber auch ein Nachtsichtgerät, diverse Kameras, auch eine in einem Teddy verborgene Kamera. Darauf fanden die Ermittler Bilderreihen, darauf zu sehen war, „wie sich eine männliche Person auf dem Bett mit einer Puppe sexuell beschäftigt. Es gibt auch ein Bild, wo die männliche Person mit Latexmaske zu sehen ist“, sagte die Beamtin D. Die Ermittler haben auch geprüft, ob diese Bilder auf einschlägigen Foren zum Verkauf angeboten worden seien, allerdings ergebnislos.

Über die Untersuchung im Kleingarten bei Luckenwalde

Zum Ende dieses fünften Verhandlungstages sagte auch Burkhard P. von der Potsdamer Mordkommission aus. Er leitete nach dem Geständnis und der Festnahme von Silvio S. am 30. Oktober die Untersuchung der Kleingarten-Parzelle bei Luckenwalde, wo die Leiche von Elias gefunden wurde. Zur Erinnerung: Silvio S. soll Elias im Juli 2015 im Wohngebiet Schlaatz entführt haben. In seinem Auto soll er das Kind erst betäubt und dann versucht haben, es sexuell zu missbrauchen. Elias aber wehrte sich und schrie. Dann soll S. den Jungen mit einem Kabelbinder erdrosselt haben.

Nach seiner Festnahme hatte Silvio S. eine Skizze gezeichnet. „Den vergrabenen Leichnam hat er mit einem Kreuz gekennzeichnet. Die Skizze gab den Garten gut wieder. Mehr war auch nicht drauf“, sagte der Mordermittler P. nun vor Gericht. „Es war ein verwildertes Grundstück, lange Zeit ist nichts gemacht worden. Es gab keinen Hinweis auf kleingärtnerische Tätigkeit.“

Schließlich fanden die Ermittler einen mit Erde zugeschütteten Gartenteich. Die Kriminaltechniker haben ihn „Stück für Stück freigelegt“. In 30 Zentimetern Tiefe stießen sie auf Folie, wenige Zentimeter darunter auf ein Paket. „Wir konnten Verwesungsgeruch wahrnehmen, Bekleidung hat durchgeschimmert“, sagte P. Das Paket wurde dann zur Berliner Rechtsmedizin gebracht, die Leiche dort untersucht. In den nächsten Tagen fanden die Ermittler auch noch Reste eines Kabelbinders, eine Schippe und einen Spaten „mit frischen Erdanhaftungen“.

Gesamte Parzelle wurde umgegraben

Die Polizei wollte damals auch ganz sichergehen, dass keine weiteren Leichen auf dem Grundstück liegen. Deshalb ließ sie einen Bagger anrücken und die gesamte Parzelle umgraben. „Eine weitere Leiche haben wir nicht gefunden“, sagte P.

Der Beamte berichtete auch von Nachbarn, die im Juli 2015, zu jener Zeit, als Elias spurlos verschwunden war, Merkwürdiges gesehen haben wollen – wie er eine schwere Kiste in den Garten trug, dabei Schweißperlen auf der Stirn hatte. Und dass ein eigenartiger Geruch über der Parzelle gelegen habe, wie von einer toten Ratte.

Silvio S. hörte den Aussagen mit gesenktem Kopf und häufig geschlossen Augen zu – wie so oft in dem Verfahren. Er muss sich seit zwei Wochen vor dem Landgericht Potsdam wegen zweifachen Mordes verantworten. Trotz mehrfacher Appelle des Gerichts, eine Aussage zu machen und den Müttern damit zu helfen, schwieg S. auch am fünften Verhandlungstag. Gestanden hat S. bei der Polizei bislang nur den Mord an Mohamed, im Fall von Elias bislang nicht.

Mutter von Silvio S. informierte die Polizei

Silvio S. war im Oktober 2015 in Kaltenborn festgenommen worden, nachdem die Mutter ihn auf den veröffentlichten Bildern einer Überwachungskamera vom Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) erkannt hat. Dort soll S. am 1. Oktober 2015 den kleinen Mohamed entführt haben. In seiner Wohnung in Kaltenborn missbrauchte er den Jungen, er filmte das sogar mit seinem Smartphone. Aus Angst, entdeckt zu werden und weil Mohamed laut wurde, würgte er ihn erst, dann erdrosselt er den kleinen  Jungen mit einem Gürtel.

Die Mutter von S. war es auch, die die Polizei informierte. Die alarmierten Beamten fanden dann im Kofferraum des Autos von Silvio S. Mohameds Leiche, die er in eine Wanne mit Katzenstreu gelegt hatte. In dem Wagen lagen auch Süßigkeiten, Plüschtiere, Handfesseln und Chloroform.

Am Montag wird die Verhandlung fortgesetzt. Ein Urteil wird Ende Juli erwartet.

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