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Landeshauptstadt: „Wir müssen keine Berge versetzen“

Studio Babelsberg-Käufer Carl Woebcken über Pläne für den Filmstandort, Stellenabbau, Umsätze und das Fernsehzentrum

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Studio Babelsberg-Käufer Carl Woebcken über Pläne für den Filmstandort, Stellenabbau, Umsätze und das Fernsehzentrum Herr Woebcken, was haben Sie mit dem Filmstandort Babelsberg vor? Wir wollen das Studio im europäischen Wettbewerb als Premiumdienstleister ausrichten und mit zusätzlichen, interessanten Angeboten noch attraktiver machen. Wir werden in Babelsberg weiterhin großes Kino machen. Das hat ihr Vorgänger Vivendi zehn Jahren lang versucht – ohne je einen Gewinn zu erzielen. Warum können Sie es besser? Dem bisherigen Management ist es nicht gelungen, die kreative Wertschöpfung großer Filmproduktionen an den Standort zu binden. Kostüme sind zum Beispiel häufig in London geschneidert worden. Oder die Postproduktion, eine wichtige Wertschöpfungsstufe in der Filmherstellung, fand häufig in den USA statt. Es sind außerdem Produktionen in den Studios gemacht worden – etwa „Der Pianist“ – die einen guten Namen hatten, aber für das Studio ein Minusgeschäft waren. Das werden wir künftig vermeiden. Um großes internationales Kino in Babelsberg machen zu können, brauchen Sie Partner. Haben Sie welche? Im Moment sieht es gut aus. Wir haben zum Beispiel bislang noch unverbindliche Anfragen eines großen Londoner Studios, das mit uns über eine Kooperation sprechen will, und einer Reihe namhafter Filmfonds, die ein relativ großes Produktionsvolumen mitbringen könnten. Zusätzlich sprechen wir über drei deutsch-europäische Filmprojekte, die nach Babelsberg kommen wollen. Es gab Gerüchte, dass ein Fernsehsender hinter Ihnen steht, etwa Pro SiebenSat 1 und Haim Saban. Stimmt das? Nein. Es steht niemand hinter uns. Aber mein Partner Christoph Fisser hat exzellente Kontakte zu Fernsehleuten – in München und anderswo. Das reicht, um mehr Fernsehproduktionen nach Babelsberg zu holen? Das Film- und Fernsehgeschäft lebt von persönlichen Netzwerken. Verfügen Sie über gute Kontakte nach Hollywood? Es ist nicht so, dass wir jederzeit bei Dreamworks-Chef Jeffrey Katzenberg klingeln könnten. Aber wir haben gute Kontakte im Netzwerk der US-Filmindustrie. Den Vertrag von Henning Molfenter, der als Produktionschef die internationalen Filme nach Babelsberg geholt hat, wollen Sie nicht verlängern? Im Gegenteil. Er ist eine Schlüsselfigur, und wir wollen die Zusammenarbeit mit ihm intensivieren und interessanter machen. Wir werden ihm wahrscheinlich zwei gute Leute aus dem Angelsächsischen Raum an die Seite stellen. Wie wollen Sie im Wettbewerb mit osteuropäischen Studios bestehen? Das wird sicher schwer, weil wir mit den niedrigen Löhnen der Bühnen- und Kulissenbauer dort nicht konkurrieren können. Aber wir haben den Vorteil, dass wir wegen des niedrigen Kaufpreises keine Kapitaldienste erwirtschaften müssen. Der gute Ruf und die insgesamt vergleichsweise niedrigen Kosten machen Babelsberg trotzdem attraktiv. Gibt es von Seiten der Landesregierung Brandenburg, die Babelsberg mit Millionenbeträgen gefördert hat, Zusagen für weitere Unterstützung? Nein, noch nicht konkret. Es gilt aber weiterhin ein Bürgschaftsrahmen zur Co-Finanzierung von großen Filmprojekten in Babelsberg in Höhe von zehn Millionen Euro. Wir rechnen damit, dass dies auch für uns so bleiben wird. Außerdem wollen wir uns bemühen, dass wir und Vivendi von der etwaigen Verpflichtung freigestellt werden, bereits geflossene Fördergelder zurückzahlen zu müssen, und überdies auch zukünftig gefördert werden. Wir wollen bald mit der Investitionsbank Brandenburg darüber sprechen. Und die Steuerschuld aus Treuhandzeiten, die einen zweistelligen Millionenbetrag ausmachen könnte, fällt Ihnen nicht irgendwann auf die Füße? Nein. Das ist vertraglich abgesichert, dass wir als neue Eigentümer davon unbelastet bleiben. Sie haben also tatsächlich nur einen Euro für Studio Babelsberg gezahlt? Nicht ganz. Wir haben ja neben Studio Babelsberg mehrere Tochtergesellschaften gekauft, an denen wiederum Beteiligungen hängen. Zum Beispiel das Fernsehzentrum, an dem der NDR mit Studio Hamburg zur Hälfte beteiligt ist und die Ufa Babelsberg, einem Joint-Venture mit der von Bertelsmann geführten Ufa. Für beide Beteiligungen haben wir einen angemessenen Kaufpreis geboten. Wie viel? Für 50 Prozent am Fernsehzentrum bieten wir 900 000 Euro. Studio Hamburg hat allerdings ein Vorkaufsrecht. Wir hätten nichts dagegen, wenn sich der NDR stärker in Babelsberg engagieren würde. Und wie viel würden sie sich die Ufa-Beteiligung kosten lassen? Dazu möchte ich mich noch nicht äußern. Die Gespräche haben noch nicht stattgefunden. Vivendi hat Ihnen 18 Millionen Euro zur Anschubfinanzierung mitgegeben. Wie lange wird das Geld reichen? Hoffentlich für immer. Das Geld wird nach unseren Schätzungen ausreichen, um auch noch Ende 2006 ein Polster zu haben. Die Gewinnschwelle wollen wir aber schon früher erreichen, bestenfalls schon in einem Jahr. Wir müssen nur zwei bis drei Millionen Euro investieren, weil die Technik und Infrastruktur sehr modern sind. Bei der Postproduktion denken wir allerdings über Kooperationen nach, weil dieser Bereich investitionsaufwändiger ist. Hier wird es im Raum Berlin-Brandenburg zu Kooperationen kommen müssen. Sind die 18 Millionen Euro mit Auflagen oder Zusagen verbunden? Nein. Das sind freie Mittel, die entsprechende unseren Planungen in Raten ausgezahlt werden – womöglich auch schneller als geplant. Wir haben uns dafür verbürgt, sie nicht zu missbrauchen. Gutachten gehen von weitaus höheren Summen aus, die nötig sind, um Babelsberg als internationalen Filmstandort zu erhalten. Wo müssen Sie sparen? Wir haben jährlich Personalkosten von gut fünf Millionen Euro, die wir sicher noch absenken können. Das heißt, sie werden nicht alle 220 Mitarbeiter behalten? Das kommt darauf an, wie unsere Kooperationsgespräche laufen. In dem Szenario, das unseren Kostenplanungen zugrunde liegt, gehen wir von 50 Stellen aus, die wegfallen könnten. Darüber müssen wir natürlich mit dem Betriebsrat reden. Wir haben bisher reine Rechenbeispiele am Computer gemacht, auf der Grundlage der Gewinn- und Verlustrechnung der vergangenen Jahre. Wann machen Sie profitabel Umsatz? 2003 lag der Umsatz bei 18,3 Millionen Euro, 2004 streben wir 16 Millionen Euro an, 2005 sollen es 20 Millionen Euro werden. Mittelfristig wollen wir wieder das Umsatzniveau von 27 Millionen Euro aus dem Jahr 2001 erreichen. „Mission Impossible III“ wird nach unseren Rechnungen einen Umsatz von fünf Millionen, „Aeon Flux“ 2,8 Millionen Euro bringen. Im kommenden Jahr wollen wir zusätzliche Filmaufträge in der Größenordnung von zwei bis drei Millionen reinholen. Und was bleibt 2004 und 2005 übrig? Im laufenden Jahr liegt das Rohergebnis – ohne Berücksichtigung außerordentlicher Kosten und Abschreibungen – bei minus sechs Millionen Euro, nach rund zehn Millionen Euro Minus im vergangenen Jahr. Auch 2005 wird wohl noch schwierig, weil noch unklar ist, wie umfangreich die Sozialpläne werden. 2006 soll dann das Ergebnis ausgeglichen werden. Was werden Sie tun, wenn Ihre Planungen nicht aufgehen. Ziehen Sie sich dann aus Babelsberg wieder zurück? Wenn wir in zwei bis drei Jahren keinen positiven Cashflow erzielen, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Wir würden uns dann sicher auch nicht gegen zusätzliche Gesellschafter sperren, die frisches Kapital mitbringen könnten. So weit wollen wir es aber nicht kommen lassen. Babelsberg ist eine Lebenschance für uns. Der Mythos lebt, aber er muss von dem Wirtschaftsunternehmen Babelsberg getrennt werden. Wir müssen keine Berge versetzen, sondern wir haben eine harte Restrukturierungsaufgabe eines relativ kleinen Mittelständlers vor uns. Um erfolgreich zu sein, werden sicher auch Fortune brauchen. Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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