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Marktplatz der Erziehungsangebote. Schüler der Heights-School beim Gebet in der schuleigenen Kapelle – in dieser Größe auch in der USA nicht häufig zu finden.

©  Heights

Diskussion um Potsdamer Jungen-Schule: Wo Opus Dei die Schulglocken läutet

Die Politik in Potsdam und dem Land Brandenburg will sie nicht, muss sie aber dulden: eine reine Jungenschule, hinter der ein Verein steht, der dem Opus Dei nahesteht. Nicht überall versteht man das.

Was in Potsdam zu einer erbitterten Auseinandersetzung führte, ist in einem Vorort der US-amerikanischen Hauptstadt seit Jahrzehnten Alltag: Die erzkatholische Laienorganisation Opus Dei betreut dort eine Schule exklusiv für Jungen. Im Nordwesten der US-Hauptstadt, dort wo Washington etwas teurer, gepflegt und exklusiv wird, liegt sie, die Heights School. Sie ist eine von insgesamt vier Schulen in den USA, in denen Opus Dei aus Knaben Männer machen will, die sich „Eltern als Bräutigam für ihre Töchter wünschen“. So jedenfalls formuliert es Alvaro de Vicente, der Schulleiter. Ein paar Meilen weiter lernen übrigens in der ebenfalls mit Opus Dei verbundenen Oakcrest School die Mädchen, wie sie gute Bräute werden könnten. In Potsdam soll auch das noch entstehen: eine Mädchenschule.

Alvaro de Vicente, einst in Spanien geboren, ist verwirrt, als ihm von dem Schulstreit in diesem Potsdam im fernen Deutschland und dem Land Brandenburg, das von „Communists – really?“ mitregiert wird, erzählt wird. Die strikte Geschlechtertrennung ist zwar auch an den Privatschulen der USA eher eine Ausnahme, aber die Schulwahl sei doch Sache der Eltern, und nicht der Politik, meint er. Der Landkreis, in dem die Heights liegt, schickt zuweilen einen Feuerwehrmann vorbei, der kontrolliert, ob Fluchtwege oder andere Sicherheitseinrichtungen den Vorschriften entsprechen. „Ansonsten aber bestimmen wir hier zusammen mit den Eltern selbst, wie die Kinder erzogen werden“, sagt er. In Potsdam dagegen wird das enger gesehen: Das Bildungsministerium will nur die gemeinsame Schule für Jungen und Mädchen. Die Stadt will sich weigern, eigene Grundstücke für die reine Jungen- sowie die reine Mädchenschule zur Verfügung zu stellen. Auch verkaufen will die Stadt kein Land dafür.

In Washington fällt die Schule nicht besonders auf – in einem Land, in dem Privatschulen eher die Regel als die Ausnahme sind. In der Nachbarschaft der Heights gibt es zwei weitere davon, die sich an den Glaubenssätzen der katholischen Kirche orientieren und dann auch noch die Deutsche Schule von Washington, in die viele Diplomaten der Bundesrepublik ihre Kinder schicken. Die meisten Staaten der USA erlauben es den Eltern im Übrigen, ihre Kinder selbst zu Hause zu unterrichten – wie sollte man sich da darüber streiten, wo sie zur Schule geschickt werden?

Wer die Heights besucht, wird auf den ersten Blick auch kaum einen Unterschied erkennen zu den anderen Privatschulen in der Umgebung der US-Hauptstadt. Die Schüler sind „businesslike“ gekleidet, also zumeist in einem Anzug mit Krawatte, aber auch darin unterscheiden sie sich nicht, einige der anderen Schulen haben sogar eine Uniform. In der Heights wird zwar nicht herumgetobt wie auf einem Schulhof in Neukölln, aber es geht wiederum auch nicht zu wie in einer Kadettenanstalt, es dominiert das unaufgeregte Grundrauschen einer offenbar mit sich selbst zufriedenen Schar wichtigtuerischer junger Männer.

Die Heights unterrichtet 460 Schüler von der 3. bis zur 12. Klasse. Die Schulgebühren sind für amerikanische Verhältnisse bescheiden und liegen für Vollzahler zwischen 16 000 und 22 000 Dollar im Jahr - an den Eliteschulen der Hauptstadt kann man gut und gerne das Doppelte bezahlen. Etwa ein Drittel der Schüler zahlt deutlich weniger - manche nur 100 Dollar im Monat. Die Aufnahme erfolgt zunächst ohne jede Prüfung der Einkommensverhältnisse der Eltern und erst danach wird der Satz festgelegt, den die Familie zu zahlen hat.

„Entscheidend sind die Vorzeugnisse und der Charakter“, sagt der Leiter. Mit Charakter meint er vor allem die Bereitschaft zur Selbstdisziplin und das Interesse an einem guten Abschluss. Er bedauert, dass er mit seinen Gebühren die Lehrer nur vergleichsweise schlecht bezahlen kann. Man wolle aber nicht mehr verlangen, weil die Schüler oft aus kinderreichen Familien kämen und dann die Belastung zu groß werden würde. Staatliche Zuschüsse gibt es nicht. Einige wenige der Eltern der in der Schule unterrichteten Kinder zählen zur Machtelite – beispielsweise der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner Rick Santorum oder Jack Hagel, der gerade vor dem US-Senat darum kämpft, als Verteidigungsminister von Barack Obama bestätigt zu werden. Ansonsten allerdings leben die meisten Schüler das Leben des gehobenen Mittelstandes, der in den letzten Jahren mit den Folgen der Wirtschaftskrise zu kämpfen hatte.

Als Opus Dei durch den Film „The Da Vinci Code“ große Aufmerksamkeit gewann, haben sich auch die großen amerikanischen Zeitungen intensiv mit Schulen des Opus Dei wie der Heights beschäftigt. Bei den Recherchen kam nichts Sensationelles zutage. Nur ein Teil der Lehrerschaft, so der Befund, ist in Opus Dei organisiert und unterwirft sich den strengen Regeln dieser Vereinigung. Die Schule hat bei Katholiken vor allem deswegen einen guten Ruf, weil sie junge Menschen in der Pubertät davon abhält, auf die aus der Sicht der Eltern schiefe Bahn zu geraten. Ein gutes Fünftel der Schüler ist allerdings nicht katholisch getauft, wird auch nicht missioniert und nur wenige der Schulabgänger finden sich später im Opus Dei wieder. Die Lehrinhalte wie die Erziehungsmethoden orientieren sich an den traditionellen Werten des Katholizismus. Die Schüler sollen möglichst nur ausgesuchte Literatur konsumieren, sie haben sich einer disziplinierten Zurückhaltung zu unterwerfen. Aber indoktriniert im strengen Sinn werden sie so nicht.

Sie leben dafür auch viel zu sehr außerhalb des Schulalltags wie alle anderen Kinder auch und nur ein Teil ihrer Freizeitaktivitäten haben etwas mit der Schule zu tun. Die öffentliche Aufmerksamkeit hat die Verantwortlichen der Schule dennoch verstört und so bedurfte es einiger Überredung, bis die Türen für einen deutschen Journalisten geöffnet wurden. Tatsächlich aber gibt es auch auf den zweiten Blick wenig Besonderes zu sehen - sieht man von der großen Kapelle ab, die in vielen anderen Schulen nicht zu finden sein wird und davon, dass man nur ganz selten einem jungen Menschen begegnet, der mit seinem Handy beschäftigt ist.

Tatsächlich ist die Heights wie jede andere der Privatschulen im Wettbewerb um Schüler vor allem darauf ausgerichtet, die Schulbildung so nah wie irgendwie möglich an den Bedürfnissen und Wünschen der Eltern zu orientieren. „Wir sind hier vor allem Teil des großen Marktplatzes der Erziehungsangebote“, sagt Alvaro de Vicente. Die renommierten Universitäten des Landes haben ihre eigenen Kriterien bei der Auswahl der Bewerber. Daran orientieren sich die Eltern wie die Schule. Und die große Mehrheit der Bewerber will nicht ins Priesterseminar, sondern an eine der angesehenen Hochschulen wie beispielswiese Harvard oder Princeton.

In den USA gehen die Menschen ganz generell mit Eigenheiten, die aus Religionszugehörigkeit resultieren, wesentlich toleranter um als in unserem einst von Religionskriegen verwüsteten Deutschland. Als der Republikaner Mitt Romney als Spitzenkandidat um das Weiße Haus kämpfte, war seine Zugehörigkeit zu den Mormonen kein Thema – auch nicht für die starke katholische Minderheit im Land, die ansonsten deutliche Distanz hält zu dieser Religion. Schulen mit religiöser Orientierung sind in den USA nicht notwendigerweise Einrichtungen, die für dogmatische Begrenztheit, Intoleranz oder ideologische Verbissenheit stehen.

Wer es sich irgendwie leisten kann, wählt in aller Regel die eine oder andere Art der Privatschule. Auch der Präsident schickt seine Kinder nicht auf staatliche Einrichtungen – obwohl Barack Obama ansonsten nicht als ein Paradebeispiel eines Konservativen gilt. Das öffentliche Schulsystem kann zumindest in den Großstädten nicht mithalten mit solchen Angeboten. Diese für Deutsche befremdlichen Verhältnisse werden nur auf dem Hintergrund der Geschichte des Landes erklärlich. Private Initiative, eigenverantwortliche Entscheidungen gehören zur amerikanischen Tradition genauso wie ein erbittertes Ringen um die aus deutscher Sicht erstaunlich niedrigen Steuersätze. Man braucht ja das Geld beispielsweise für die Kindererziehung.

In solch einer Landschaft hätte eine Schule kaum eine Chance, die ihre Schüler all zu sehr einengt auf einen bestimmten Lebensentwurf. „Was für unsere Eltern wichtig ist, sind die Chancen, die wir ihren Kindern offenhalten“, sagt der Schulleiter. Zuweilen sei dies ein schwieriges Abwägen zwischen christlicher Nächstenliebe und den Erwartungen der Elternschaft. „Wir können angesichts der beschränkten Ressourcen nicht immer das leisten, was für ein einzelnes Kind vielleicht das Beste wäre“, meint er weiter. Auf dem Markt, auf dem auch Opus Dei in den USA agiert, zählt vor allem der Erfolg. Für einen Beobachter aus Europa, der hinter Schulen wie der Heights vor allem Überzeugungstäter vermuten würde, ist dies wohl die größte Überraschung. Denn Erfolg misst sich hier nicht in erster Linie in der Abgrenzung, sondern in der Fähigkeit, dabei zu sein im Ringen um Geld und Macht und Einfluss. Dem könnte sich die Heights-Schule selbst dann nicht entziehen, wenn sie es wollte.

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