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Karsten-Uwe Heye.

© A. Klaer

HEYES Woche: Wo Verharmlosung der Nazis beginnt

Nun wird also deutlich, wie sehr die Oberfläche trog, die demokratische Gediegenheit zu signalisieren schien. Dass braunlastige Fans im Stadion des FSV Zwickau im Spiel gegen Erzgebirge Aue „Terrorzelle Zwickau – Olé, olé“ oder „NSU“ (Nationalsozialistischer Untergrund) skandiert haben sollen, zeigt nur, woran das Publikum längst gewöhnt war.

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Jetzt erst wird der Verein wach, zuvor wurden Warnungen als „übertrieben“ zurückgewiesen. Mancher Fanblock ist braun gesprenkelt. Leichtfertig wäre es, erneut solcherlei als „Rowdytum“ abzutun. Der braune Kampftrinker, der im Suff diejenigen verprügelt, die er für schuldig hält an seiner asozialen Lage, ist längst nicht mehr allein. Schon vor sechs Jahren hatte der leitende Staatsanwalt in Neuruppin gewarnt, es gebe Anzeichen auf einen organisierten terroristischen Untergrund, der den bis dahin üblichen rechtsextremen Einzeltäter ablöst. Er rechnete bereits 2005 mit gezielt geplanten und umgesetzten Taten. Dass ein V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes auf Zwickau und die Mordzelle dort verwiesen hatte, wurde in Thüringen von den Sicherheitsbehörden nicht ernst genommen. Initiativen gegen Rassismus und Antisemitismus erleben oft genug, dass ihre Warnungen vor Rechtsextremismus als Wichtigtuerei abgetan werden.

In Deutschland nimmt Ausländerfeindlichkeit zu – dies wird zur Kenntnis genommen wie der tägliche Wetterbericht. Man kann sich warm anziehen, muss aber nicht. Als im Zossener „Haus der Demokratie“ eine Ausstellung über die Geschichte der dortigen jüdischen Gemeinde gezeigt wurde, konnten Nazis einfach so das Haus abfackeln. Das Stadtoberhaupt duckt weg. Auch für Brandenburg ist also Entwarnung nicht angesagt. Es gibt Fortschritte im Kampf gegen rechts. Doch lange noch nicht genug.

Der bayerische Ministerpräsident warnt vor der „Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme“ und rüstet mit dem Satz nach: „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt.“ Das könnte aus dem Wörterbuch der NPD stammen. Er sollte wissen, dass es längst mehr Aus- als Einwanderung gibt. Die Vorsitzende der brandenburgischen CDU hält es für richtig, im rechten Szeneblatt „Junge Freiheit“ mitzuteilen, ihre Wiederwahl sei „als klare Abgrenzung nach links“ zu werten. Über Missverständnisse sollte sich da keiner wundern.

Vertiefende Untersuchungen zeigen, die Gefolgschaft der NPD ist zumeist bildungsfern. Statt in Brandenburg den Bildungsetat zu kürzen und damit vor allem Schulen in freier Trägerschaft zu treffen, sollte die Landesregierung Ehrgeiz und Mut entwickeln, damit das Land das bildungspolitische Schlusslicht abgeben kann. Bildung ist nicht alles, aber ohne Bildung ist alles andere nichts. Das gilt auch für den Kampf gegen Rechts.

- Der Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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