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Muster im Quadrat. Robert Krüger ist Chef-Kulissenmaler bei Studio Babelsberg. Für den Film „Huhn mit Pflaumen“ entwickelte er einen „geflochtenen“ Boden (r.).

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: „Wunderschön, fast verloren“

Für den Babelsberger Kulissenmaler Robert Krüger war es ein Lieblingsprojekt: „Huhn mit Pflaumen“

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Altern braucht seine Zeit. Aber die gibt es beim Film nicht. Dort gibt es stattdessen Leute wie Robert Krüger. Der 53-Jährige ist Chef-Filmkunstmaler beim Studio Babelsberg, er leitet die Abteilung „Oberflächen“. Was seine Kollegen aus der Tischlerei und den anderen Werkstätten bauen, versieht Krüger mit dem letzten Schliff. Doch dabei geht es nicht nur um Hochglanz, sondern oft sogar genau um das Gegenteil: Staub, Schmutz, Kratzer. All die Spuren, die einer Filmdekoration erst Leben verleihen. Die den Zuschauer glauben machen, er sieht ein Stück echter Welt auf der Kino-Leinwand – und kein brandneues Produkt frisch vom Reißbrett. „Bewusst pfuschen ist auch eine Kunst“, sagt Robert Krüger und lächelt.

Dass Krüger und sein Team es damit ziemlich weit gebracht haben, wird beim Besuch in der Werkstatt auf dem Babelsberger Studiogelände schnell klar: Die Wand mit Musterstücken reicht von verwitterter Klinkerfassade über feinen Marmor oder Seidentapeten bis hin zu edlem Parkett und orientalischen Kacheln. Für das Laienauge ist das alles nicht einmal auf den zweiten Blick vom Original zu unterscheiden.

Mit vielen großen Namen hat Krüger in Babelsberg – er begann 1986 als Stuckateur bei der Defa – bereits gearbeitet: Er „alterte“ ganze Straßenzüge für Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“, war dabei, als das Guggenheim-Museum für Tom Tykwers „The International“ nachgebaut wurde, Hitlers Wolfsschanze für den Stauffenberg-Film „Operation Walküre“ oder türkische Kulissen für die Action-Komödie „In 80 Tagen um die Welt“. Zu seinen Lieblingsprojekten zählt der Potsdamer indes eine vergleichsweise kleine Produktion: Den Film „Huhn mit Pflaumen“ der Exil-Iranerin Marjane Satrapi, der derzeit im Kino läuft.

Ein bittersüßes Märchen aus dem Iran der 1950er Jahre: Der Geigenspieler Nasser-Ali Khan beschließt zu sterben, nachdem er sein geliebtes Instrument verloren hat. Im Rückblick auf sein Leben entfaltet sich die Geschichte einer großen Liebe. Ungewöhnlich ist das schon deshalb, weil es so leise erzählt wird. „Wenn in einem Film heute nichts explodiert, glaubt man ja schon, man ist im falschen Kino“, sagt Robert Krüger.

Was im gleichnamigen Bilder-Roman minimalistisch wie ein Scherenschnitt aussieht, bekommt auf der Leinwand liebevollen Retro-Charme. „Wunderschön, fast verloren“, beschreibt der Kulissenexperte den Stil, den Szenenbildner Udo Kramer, ein Absolvent der Hochschule für Film und Fernsehen Babelsberg, dafür gefunden hat. Mit einem Team von etwa 20 Kulissenmalern – bei großen Filmen sind es locker dreimal soviel – zauberte Krüger im Sommer 2010 einen Hauch Orient in die Kulissen: Das Innere eines Hauses in Teheran, ein ganzer Straßenzug aus dem eher ländlichen Süden – und die wertvolle Geige, ein kunstvoll patiniertes Billiginstrument. „Wir hatten nicht viel Zeit, aber dafür ist etwas sehr Schönes enstanden“, sagt Krüger.

Zum Beispiel Nasser-Alis Haus, das den verblassten Reichtum früherer Tage atmen sollte. Für die Wände nutzte Krüger eine alte Technik: Kreidefarbe, in mehreren Schichten aufgetragen. Die Pigmente lassen sich mit einem Schwamm einfach verwischen, leuchten in pastelligen Tönen. „Mit festen Farben wäre das nicht gegangen“, sagt der Kulissenmaler. Seine Vorstellungen von dem vorderasiatischen Land musste er anhand von Bildbänden revidieren: Nicht nur Moscheen und Mosaike prägen das Stadtbild in Teheran, sondern „unglaublich viele Klinkergebäude“ – mit Salzkrusten vom Schnee, der dort im Winter liegt.

Besonders stolz ist der Kulissenmaler auf einen Boden, scheinbar aus Holz geflochtenen. Minutenlang schwebt die Kamera im Film darüber, ein Muster-Quadrat hat Krüger aufbewahrt. Das Holz wurde erst geschnitten, dann gebeizt, geschliffen, gewachst und mit schweren Ketten „behauen“ – um Kerben zu erzeugen, wie sie das Alter mit sich bringt. Die Arbeit sieht man dem scheinbar Jahrzehnte alten Material nicht an. Dafür gibt es eben einen wie Robert Krüger.

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