
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Wünsch dir was
Andreas Schaffner hatte eines der größten Filmlager Deutschlands, betrieb in Potsdam die Kinos „Melodie“ und das „Charlott“. Jetzt startet der 56-Jährige ein Mitmachkino-Projekt
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Erwischt hat es ihn schon in Kinderjahren. Andreas Schaffner wohnte am Wittenbergplatz im Westteil Berlins und war Dauergast im Kino nebenan. Sah „Dick und Doof“ oder „King Kong“, oft den gleichen Streifen wieder und wieder. „Die Karten haben ja praktisch nichts gekostet“, erinnert sich der Mann in der kastanienroten Cordhose. Als er später, da hatte er das Pädagogik-Studium schon hinter sich, einmal nach dem Kinobesuch versehentlich die falsche Tür öffnete und im Vorführraum stand, kam zusammen, was zusammengehörte: „Ich habe diese schönen alten Filmprojektoren gesehen, mit dem Filmvorführer gesprochen und dann das Vorführen gelernt.“ Es war der Beginn von Schaffners Filmkarriere.
Sein neuestes Projekt heißt „We want cinema“ und ist eine Art Mitmachkino: Die Zuschauer suchen dabei selbst aus, welcher Film auf die große Leinwand kommt – und in welchem Kino. Der einzige Haken an der Sache: Sie müssen auch dafür sorgen, dass das Kino voll wird. Sonst fällt die Sache flach. „Es geht uns darum, die Leute wieder ins Kino zurückzuholen“, sagt Andreas Schaffner. Die Internetplattform, die Schaffner nach dem gleichnamigen Vorbild in den Niederlanden gestaltete, startete vor wenigen Tagen mit 25 Kinos in und um Berlin.
Auch zwei Potsdamer Kinos konnte Schaffner gewinnen: Das Babelsberger Thalia und das Defa 70 – Letzteres ein besonderes Schmankerl für Filmfreunde. Denn das Kino in der Babelsberger Medienstadt, in der auch Schaffner sein Büro hat, ist normalerweise nicht öffentlich zugänglich. Für einen Samstagabend mit dem Lieblingsfilm im Defa 70 müssen nun nur 78 Gleichgesinnte gefunden werden, die die Karte für 7,50 Euro kaufen. Beim Thalia braucht man immerhin noch 65 Mit-Zuschauer. Die Webseite mit Anschluss an soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter soll die Suche nach anderen Kinofans erleichtern. Ein Risiko gehen die Kinozuschauer nicht ein: Wenn bis spätestens zwei Wochen vor Vorstellungstermin nicht genügend Karten zusammengekommen sind, gibt es das Geld zurück. Kommt die Veranstaltung zustande, teilen sich Verleih, Kino und Schaffner die Einnahmen.
Thalia-Chef Thomas Bastian jedenfalls überzeugt das Konzept: „Wir haben schon seit Jahren ein ähnliches Angebot“, sagt er. Etwa 60-mal pro Jahr vermietet Bastian einen Saal gegen „die teuerste Kinokarte“ – und hat schon Stammgäste, die so regelmäßig Filmabende für Freunde organisieren. „We want cinema“ sieht Bastian als gute Ergänzung.
Premiere feierte Schaffner am vergangenen Dienstag in Berliner Alhambra-Kino – gezeigt wurde Stanley Kubricks Filmklassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“. Die Idee spricht sich herum, Schaffner hat schon Mails bekommen mit Filmvorschlägen, auch aus anderen Städten erreichten ihn Anfragen: „Es gibt einen Bedarf“, sagt der Unternehmer und lächelt. In einem Vierteljahr schon könnte er damit schwarze Zahlen schreiben, hofft Schaffner.
Sein Glaube an den Zauber des Kinos ist unverwüstlich. Dabei könnte Schaffner auch das Lied vom Kinosterben singen, von den Kosten der Digitalisierung, an denen die kleinen Häuser scheitern, von der Konkurrenz durch Multiplex-Theater und vom sich immer schneller drehenden Film-Karussell, das neue Filme im Akkord auf den Markt spuckt, die dann ebenso schnell wieder vergessen sind. Der gebürtige Berliner, der heute mit seiner Familie in Falkensee wohnt, ist lange genug in der Branche.
Nach dem Einstieg als Filmvorführer fuhr Schaffner als Kurier bei der Berlinale die schweren Filmrollen von Festivalkino zu Festivalkino, wurde schließlich als Filmspediteur erfolgreich. Und er hatte eines der größte Filmlager Deutschlands: Auf 2000 Quadratmetern in Spandau waren Tausende Filmrollen gelagert – die Zwischenstation für jeden Film auf dem Weg von der Verleih-Firma in den Kinosaal. Nach der Wende versorgte Andreas Schaffner die Lichtspielhäuser in ganz Berlin und Osdeutschland mit den Rollen. Das Geschäft lief so gut, dass er sich auch als Kino-Betreiber versuchte: 1992 übernahm Schaffner eine Reihe von vorher kommunalen Kinos in Brandenburg, darunter auch in Potsdam das „Melodie“ und das „Charlott“ – beide gab er aber nach wenigen Jahren wieder auf. Bekanntlich sind die zwei Traditionskinos immer noch geschlossen, ihre Zukunft unklar.
Auch Filmrollen sind selten geworden. Schaffner verschickt heute stattdessen spezielle Festplatten in kleinen Köfferchen. Große Zwischenlager braucht man dafür nicht mehr: Die Verleihfirmen kopieren die Filme auf die Festplatten – und löschen die Daten, wenn kein Kino mehr nachfragt. Von Schaffners Riesenlager sind gerade mal 500 Filme geblieben. Von einst 15 Mitarbeitern zwei: Schaffners Frau Sabine und eine Teilzeitkraft. Die guten Kontakte zu den Verleihfirmen kommen ihm bei „We want cinema“ zugute: Er könne beinahe jeden Film für das Mitmachkino organisieren, sagt er.
Was ihm jetzt die Energie für den Neustart gibt? Schaffner überlegt nicht lange. „Die Begeisterung am Kino“, sagt er.
wewantcinema.de
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