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Landeshauptstadt: Zeitreisen in die Vergangenheit

Tag des offenen Denkmals in Potsdam lud die Besucher zum Bewundern, Zuhören und Staunen ein

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Tag des offenen Denkmals in Potsdam lud die Besucher zum Bewundern, Zuhören und Staunen ein Den Tag des offenen Denkmals haben in Brandenburg Zehntausende zu einer Zeitreise durch die Jahrhunderte genutzt. Rund 250 Einrichtungen hatten landesweit ihre Pforten für Besucher geöffnet – in Potsdam waren es rund 30. Besichtigt werden konnten historische Bauwerke ebenso wie Parks und Grabungsstätten. Der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz initiierte Tag stand in diesem Jahr unter dem Motto „Geschichte hautnah - Wohnen im Baudenkmal“. Die PNN stellen im Folgenden drei außergewöhnliche Denkmale vor: die Muschelgrotte im Neuen Garten, das „Große Militärwaisenhaus zu Potsdam“ und die Kutschenausstellung in der Orangerie im Neuen Garten. Erstmals seit mehr als 60 Jahren wurde am gestrigen Tag des Denkmals die Muschelgrotte unweit der Meierei im Neuen Garten wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der für ihre Restaurierung unter dem Vorsitz des Berliner Rechtsanwaltes Jobst von Unger gegründete Förderverein führte Hunderte Interessenten durch das verfallene Bauwerk. Die 1791 bis 1794 geschaffene „Chrystall- und Muschelgrotte“, für die Oberhofbaurat Friedrich Ludwig Carl Krüger die ersten Entwürfe lieferte, besteht aus zwei 30 Quadratmeter großen Kabinetten und einem 50 Quadratmeter Fläche einnehmenden Mittelsaal. Die Wände wurden, wie Akten in der Plankammer verraten, u.a. mit „Chirstalldrusen, Bleiglanzdrusen, linsenförmigen Quarzdrusen, Kupferschlacken, Schwefelkieß, Gipsspath, so aus gräulichem Marienglase besteht und Tuffsteinen“, mit Muscheln und Glasstücken ausgekleidet. Von all dieser Pracht konnten die Besucher gestern kaum noch etwas sehen. Die Steine und Muscheln der Grottierung waren herunter gefallen und hatten eine 70 cm hohe Schuttschicht gebildet. Aus ihr wurden inzwischen durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sowie den Verein alle wieder verwendbaren Originalteile herausgesiebt und eingelagert. Die reiche Innenausstattung wiederherzustellen, wird äußerst schwierig sein – denn der Beruf des Grottierers ist inzwischen ausgestorben, bedauert Vorstandsmitglied Matthias Ruoff. Schon bald wird aber die Sicherung des Außenmauerwerks beginnen. Dazu wird die Grotte eingerüstet. Außerdem wird der Gang freigelegt, der das Bauwerk vor der vom Hang eindringenden Feuchtigkeit schützen sollte. Dienten anderenorts solche Grotten als Stätte höfischer Geselligkeit, war das Bauwerk am Jungfernsee abgeschieden von der Außenwelt ein Ort der Ruhe und Geborgenheit. Es ordnete sich damit in das Programm des damals der Öffentlichkeit verschlossenen Neuen Gartens ein, in dem König Friedrich Wilhelm II. die Zwiesprache mit dem Totenreich suchte. Wahrscheinlich wurden in der Grotte auf spiritistischen Sitzungen die Geister verstorbener Verwandter und Freunde beschworen. Der neu gegründete Verein möchte die Grotte für Besichtigungen freigeben und bereits im Verlauf der Sanierung für Vorträge, Lesungen, Konzerte oder auch Empfänge und Trauungen nutzen. Er wirbt für die Sanierung Gelder ein und hat ein Spendenkonto eingerichtet. Demnächst soll auch eine für Spenden bestimmte Stele aufgestellt werden. Zum anderen hofft er auf weitere Mitglieder – vielleicht haben sich einige der Denkmal-Besucher gestern dafür entschieden, bei der Wiederherstellung der Grotte mitzuhelfen. Erhart Hohenstein Schulausbildung in Uniform Um die Vergangenheit ging es zum Tag des Denkmals gestern auch im einstigen „Großen Militärwaisenhaus zu Potsdam“ – von Friedrich Wilhelm I. gegründet und im November 1724 eröffnet. Ehemalige Zöglinge begleiteten die Führungen durch die „Anstalt“, wie das Internat früher genannt wurde. Einer von ihnen ist Klaus Bohrisch. Er besuchte von April 1939 bis Frühjahr 1945 die Mittelschule des Militärwaisenhauses. „Meine Eltern wollten für mich eine gute Schulausbildung, die es bei uns nicht gab.“ Dass er in diesem Hause Aufnahme gefunden hat, ist dem Versailler Vertrag zu verdanken, in dessen Folge das Haus 1920 entmilitarisiert wurde. „Ein pädagogisch ausgebildeter Direktor leitete fortan die Einrichtung“, erläutert René Schreiter, Historiker und Mitarbeiter der Stiftung „Großes Militärwaisenhaus zu Potsdam“. Außerdem konnten nun neben Waisen und Soldatenkindern auch Kinder von Staatsbeamten oder aus kinderreichen Familien die Einrichtung besuchen. Der Tag, so erinnert sich Bohrisch, begann morgens um sieben Uhr. „Bis zum Schulbeginn um acht mussten wir Frühsport machen, uns waschen, ankleiden und frühstücken.“ Am frühen Nachmittag folgten militärische Exerzitien. Er zeigt Bilder von sich mit Uniform, schwarzer Hose, olivenfarbener Jacke, Käppi und Schirmmütze. Auf Ordnung wurde großer Wert gelegt. „Bevor wir das Haus verließen, wollten die Pförtner oft unser Taschentücher sehen. Hatten wir kein frisches dabei, mussten wir umkehren und es austauschen.“ Klaus Hellmann, ein alter Schulkamerad Bohrischs, besuchte ab 1939 die Oberschule, die ein Jahr zuvor im Gebäude an der Lindenstraße eingerichtet worden war. Auch Hellmann stammt aus einer kinderreichen Familie. In den Kriegsjahren hat der gebürtige Pforzheimer immer im Klassenbuch eintragen müssen, wer „Reviergänger“ war und nicht zum Unterricht erschien. Regelmäßig fehlten morgens Schüler. Nicht etwa aus Krankheit. „Abwechselnd hörten wir morgens heimlich die Nachrichten der BBC, die genau zur ersten Stunde anfingen.“ Mit den Luftangriffen veränderte sich die Schulsituation. Oft begann der Unterricht später, weil die Schüler wegen der nächtlichen Bombardierungen morgens ausschlafen sollten. In den Kriegsjahren wurde die Mittelschule mehrmals verlegt. Klaus Bohrisch legte 1945 seine Mittlere Reife letztendlich in der Nähe von Nürnberg ab. Klaus Hellmann wurde mit 16 Jahren Luftwaffenhelfer. Später wollte er Chemie studieren, doch dieses war „nur mit der richtigen Einstellung zum Staat“ möglich. Hellmann ging nach West-Berlin und trat in den Polizeidienst ein. Bohrisch und Hellmann trafen sich erst nach dem Mauerfall wieder. Das Militärwaisenhaus wurde nach dem Krieg eine Art Flüchtlingsheim, erläutert René Schreiter. „Anfang der 50er Jahre enteignete man die Einrichtung rechtswidrig. Die Stiftung hat man aufgelöst.“ Nach 40-jähriger Unterbrechung wurde sie vor nun elf Jahren wiederbelebt. Ulrike Strube Goldener Krönungswagen Zu einem Hauptanziehungspunkt am Tag des Denkmals wurde die Orangerie im Neuen Garten mit der Ausstellung von drei prachtvollen königlichen Kutschen und einer Feuerspritze aus dem 18. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stand der „Goldene Krönungswagen“, der 1789 von König Friedrich Wilhelm II. beim Straßburger Wagenbaubetrieb Ginzrot bestellt und unter anderem 1861 bei der Königskrönung Wilhelms I. eingesetzt worden war. Die Restaurierung dieser im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Kutsche hat bereits gute Fortschritte gemacht. Mit Hilfe der BPW Bergische Achsen wurde das Fahrgestell wiederhergestellt, eine Spende der Peter Dussmann GmbH ermöglichte Restaurierungsmaßnahmen am Wagenkasten. Dennoch sind noch aufwändige Arbeiten erforderlich, um die teils vergoldeten Holzfassungen, Metallteile aus Messing und vergoldetem Blei, das Leder, die Seidengewebe, die Goldborten und -stickereien sowie den Hermelinbesatz der Innenausstattung zu restaurieren oder zu erneuern. Diese Fragen waren in der vorigen Woche auch auf einem internationalen „Kutschenkolloquium“ der Stiftung diskutiert worden. Dabei gab es durchaus unterschiedliche Meinungen, ob die Staatswagen komplett in den Originalzustand zurück versetzt werden oder auch Spuren ihrer wechselhaften Geschichte bewahren sollten. Erstmals zu sehen war außerdem eine fahrbare Handdruckspritze wahrscheinlich aus dem Berliner Kronprinzenpalais. Wie Stiftungs-Chefrestaurator Jochen Klenner sagte, sollen die historischen Gefährte einschließlich der Winterschlitten und Sänften künftig ständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Als Ort für das „Kutschenmuseum“ ist der einer der beiden Seitenflügel von Schloss Paretz vorgesehen.Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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