
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Zu sauber für den Zander
Wassermangel, Tourismus, „verbaute“ Flüsse – die Fischer kämpfen mit vielen Problemen
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Gerade ist Mario Weber von seiner Fangtour auf der Havel zurückgekehrt: Der Potsdamer Fischer sitzt auf einer Bank des Fischerhofes an der Alten Fahrt und schaut in den Regen. Über zu niedrige Wasserstände konnte der 50-Jährige dieses Jahr nicht klagen. Aber für die Fischer in Potsdam und Brandenburg gibt es viele andere Probleme.
„Aal und Zander sind meine Brotfische“, sagt Weber, dessen Fanggebiet von Sacrow bis zum Bahnhof Pirschheide reicht. Diese beiden Sorten machen einen Großteil des Umsatzes aus, doch haben beide Probleme: „Die Zandererträge in Brandenburg haben sich in den vergangenen 15 Jahren halbiert“, sagt Uwe Brämick, Leiter des Instituts für Binnenfischerei in Sacrow. Genaue Zahlen für den Raum Potsdam gebe es zwar nicht, aber auch hier sei die Entwicklung ähnlich.
Dies erstaunt, wenn man bedenkt, wie sehr sich die Wasserqualität der Havel in den letzten Jahren verbessert hat. Doch genau da liegt das Problem: „Die größere Wasserklarheit kommt der Fischfauna insgesamt eher zu Gute“, stellt Brämick fest, „aber der Zander bevorzugt eher trübe, nährstoffreiche Gewässer“. Auch der Rückbau von Überflutungsflächen, die für die Reproduktion der Fische sehr wichtig sind, ist ein großes Problem. Die Aalbestände hingegen sind in ganz Europa rückläufig, was vor allem an der „Unwegbarkeit“ vieler „verbauter“ Flüsse liegt, in denen der wanderfreudige Aal auf zahlreiche Hindernisse wie Schleusen oder Wehre stößt – auch in der Havel. „Von alleine kann der Aal nicht bestehen“, sagt Weber. Zuletzt hat er im Frühjahr Jungaale in der Havel ausgesetzt.
Ein weiteres Problem stellt der besonders im Raum Potsdam immer intensivere Wassertourismus dar: „Im Bereich der Havel sind einige Strecken bereits in einer Weise ausgebaut, wie sie für die Fischerei nicht mehr zuträglich sind“, warnt Brämick. Kritisch ist vor allem die starke Verdrängung von Schilfzonen, denn diese seien als Laichplätze „die Kinderstube“ der Fische, weiß Weber: „Dort wachsen sie heran und finden ihre erste Nahrung.“ Werden diese Zonen durch Wellenschlag, Steganlagen und Marinas zerstört, können sich die Fische immer weniger vermehren. Viele der Stege, die in letzten Jahren in Potsdam entstanden sind, seien „jenseits von gut und böse“, findet Weber. „Momentan sind die Bestände zwar stabil“, stellt der Fischer klar, „aber Fischerei ist immer langfristig zu sehen. Wenn die Reste vom Schilf weg sind, brauchen wir mit dem Aufbauen nicht mehr anzufangen.“
Auch die Fangmöglichkeiten der Fischer werden durch den Wassertourismus eingeschränkt, da weniger Netze ausgeworfen werden können. Dass seit 2006 Charterboote ohne Führerschein gefahren werden dürfen, sei ein Wendepunkt gewesen, sagt Weber: „Viele haben vom Führen eines Bootes keine Ahnung und wissen nicht, was bestimmte Bojen zu bedeuten haben.“ Immer wieder beschädigten Boote Netze und anderes Fanggerät, berichtet Weber. Für den Schaden müssen die Fischer in der Regel selbst aufkommen; auch am Wiederaufbau von Pfählen und Uferbepflanzung würden die Bootsführer nicht beteiligt, klagt Weber. Es gibt zwar den „Entschädigungsparagraph“ 27 des Fischereigesetzes, der Fischern Unterstützung bei derartigen Schäden zusichert, aber der Paragraph biete „nichts Handfestes“, so Weber, und habe bislang wenig zu seiner Entschädigung beigetragen.
Trotz dieser Probleme warnt Brämick davor, den Wassertourismus zu dramatisieren. Er schaffe auch neue Einnahmemöglichkeiten für die Fischer, trage zur Renaturierung bei, wovon die Fischfauna profitiere. Auch für Weber ist der Wassertourismus nicht das große Übel. Schwerwiegender sei die Umleitung von Spreewasser in ehemalige Tagebaue in der Lausitz: „Anfang der 80er Jahre floss die Havel im Sommer manchmal drei bis vier Wochen nicht, stand also. Heute steht der Fluss im Sommer manchmal Monate. Die klauen uns sozusagen das Wasser.“ Folge: Die Fische leiden unter Sauerstoffmangel. „In trockenen Sommern fließt die Havel manchmal ‚rückwärts’“, bestätigt Brämick, „nämlich wenn aus der Spree nahezu kein Zufluss mehr für die Havel stattfindet, sondern umgekehrt Wasserabzweigung in die Spree stattfindet. In diesem Sommer ist das natürlich kein Problem, aber die Tagebaue sind noch längst nicht alle gefüllt.“
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