zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Zwei Tonnen Karpfen zu Silvester Raum für kreative Köpfe Kunstverein arbeitet schon in zweiter Generation

Mario Weber sorgt seit 25 Jahren in Potsdam für das Traditionsmahl am letzten Tag des Jahres

Stand:

Innenstadt - Gestern Morgen waren wieder zwei im Netz von Mario Weber – Havelkarpfen, dicke, zwölf Kilo schwere Kawenzmänner. „Die lassen sich aber nicht leicht verkaufen, der Größe wegen“, sagt Potsdams einziger Fischer. Auch nicht am wichtigsten Fischtag des Jahres.

Der 31. Dezember ist Karpfentag – aus Tradition. Und für Weber die Wochen bis Silvester davor Großkampfzeit. Die bauchigen Fische, die Weber in Menge veräußert sind natürlich nicht Havelkarpfen im klassischen Sinne. „So viele könnte ich gar nicht auf den Tag genau fangen“, sagt er. Zudem gebe es so viele auch gar nicht in den Potsdamer Gewässern. Gut 1000 dieser Fische gehen in den letzten Tagen eines Jahres über seinen Ladentisch in der Großen Fischerstraße. Das sind rund zwei Tonnen Karpfen, die von seinen Kunden verspeist werden. Die bis zu zweieinhalb Kilo schweren Zuchtfische sind seit Dezember in Webers Netzen im Havelwasser – davor wurden sie drei Jahre in der Oberlausitz in Sachsen herangezogen. „Ich habe einen alten und sehr erfahrenen Züchter, der gerade in diesem Jahr hervorragenden Fisch geliefert hat“, freut sich der Potsdamer Fischer.

Während der Karpfen gezüchtet wird, fängt Mario Weber andere immer beliebter werdende Fischsorten frisch aus der Havel: Zander zum Beispiel. Zwischen Kladow und Brandenburg ist sein Revier, „aber eigentlich lohnt es kaum, über Werder hinaus zu fahren“. Nicht, weil es dort weniger Fisch gebe, „die Anfahrtswege rechnen sich nicht, außerdem gibt es dort genügend andere Fischer.“ So tuckert er derzeit gegen sieben Uhr – im Sommer ist bereits vor sechs Arbeitsbeginn – hinaus auf die Gewässer in der Nähe seines Fischhofs, um die klassischen Flussbewohner Aal, Zander und Hecht zu fangen. Auch andere Fische tummeln sich noch in Potsdamer Gewässern: „Plötze und Bley gibt es genügend. Und früher wurden die auch noch verkauft“, weiß Weber. Sie gelten jedoch – auch wegen ihrer vielen Gräten – als Arme-Leute-Fische. „Der Wohlstand “, meint Weber leicht lächelnd. Er fängt sie trotzdem – des Gleichgewichts der Natur wegen – und muss sie verarbeiten. „Zu mehr als Tierfutter reicht es aber nicht.“

Mit dem Wohlstand sind bei den Kunden auch die Verarbeitungswünsche größer geworden: „Wir bieten mittlerweile fast alles an. Vom Töten, über das Schuppen der Fische bis hin zum Ausnehmen und Filetieren.“ Selbst portionsgerecht werden die Fische auf Wunsch zugeschnitten. Der Wunsch nach Lebendkarpfen – wie er früher noch hin und wieder nachgefragt wurde – ist fast gänzlich verschwunden. „Ziel war es damals, die Karpfen noch ausmodern zu lassen. Das ist heute aber nicht mehr notwendig“, erklärt Weber. Der Modergeruch komme vor allem durch die Ernährung, doch die Karpfen bekämen ab Oktober lediglich noch Erhaltungsfutter. Der schwimmende Fisch in der hauseigenen Badewanne ist somit passé geworden.

Wenn Mario Weber draußen ist auf seinem Boot, ist seine Welt in Ordnung. „Mir reicht es, wenn ich in Ruhe meine Arbeit auf dem Wasser machen darf“, bleiben seine Wünsche für 2008 bescheiden. „Und für die Gesundheit ist der Arzt zuständig.“ Einzig die Arbeit an Land sei immer ausufernder geworden - wenn der „Schreibkram“ etwas weniger werden würde, sei das Wunsch genug für das kommende Jahr, sagt der Fischer. Seine Fischfänge sind in allererster Linie für den Verkauf im eigenen Laden bestimmt. Zwar hat Weber auch Gaststätten und Hotels in Potsdam und Umgebung als Abnehmer, „doch die bekommen nur die Überproduktion“.

Warum er in der wasserreichen Stadt mittlerweile der einzige professionelle Fänger der Wassertiere ist, bleibt ihm ein kleines Rätsel. „Immer wenn ich Zeit habe, denke ich darüber nach. Erklären kann ich mir es nicht.“ Es sei komisch, dass in solch einer großen Stadt der Fischfang und -verkauf so unterrepräsentiert sei. „Früher war viel mehr los auf dem Wasser“, weiß er von zwei alten Potsdamer Fischern, mit denen er sich über die früheren Zeiten unterhält. Aber er will weiter durchhalten in der Landeshauptstadt. 25 Jahre hat er es bereits, das silberne Betriebsjubiläum wurde aber nicht begangen. „Mehr als einen kurzen Gedanken habe ich an die Zahl nicht verschwendet“, gibt der Fischfan zu. Der im übrigen auch kulinarisch nicht vom „weißen Fleisch“ lassen will. „Jeden Tag esse ich irgendwann Fisch“, sagt er. Und fügt verschmitzt hinzu: „Wenn ich schon an der Quelle bin “ Natürlich wird es bei Webers auch zu Silvester Karpfen geben. Traditionell wird er bei Potsdams einzigem Fischer gekocht serviert: „Karpfen blau“, also, mit Butter, Petersilie und Zitrone.

Doch vor dem Silvesterkarpfen-Essen heißt es noch arbeiten. Weber verspricht, auch für die Last-Minute-Käufer am Silvestertag noch Fisch vorrätig zu haben – egal ob klassischer Karpfen oder edler Zander. Nicht nur am 31. Dezember ist der Laden an der Potsdamer Stadtmauer geöffnet, auch heute und morgen stehen die Türen offen. „Wer jedoch den Fisch ausgenommen oder anderweitig verarbeitet haben möchte, sollte doch noch schnell vorbestellen“, bittet Weber.

Und auch die Probleme mit der geldbringenden Schuppe, klärt der Fischer auf. Zwar haben die gezüchteten Karpfen nur noch sehr wenige dieser Hautteilchen. „Aber an den Flossen und im Kiemenbereich gibt es immer noch ein paar, die natürlich auf Wunsch auch dranbleiben “, verspricht er. Damit der Aberglaube mit der Schuppe im Portmonee am Leben bleiben kann.

Innenstadt - Ein großer, schwerer Tisch steht im obersten Raum des Offenen Kunstvereins. An den Stühlen rundherum sitzen Kinder und Jugendliche. Gemeinsam gehen sie ihrem Hobby nach – dem Malen. Es geht locker zu. Jeder arbeitet an seinem Projekt. Die Leiterin, Sabine Raetsch, schaut gerne über die Schulter, lobt viel und hat den einen oder anderen guten Tipp parat. Es wird gegessen, gelacht, gemalt und erzählt.

Sabine Raetsch erinnert sich noch an die Anfangsjahre des Vereins. Damals, gleich nach der Wende, gab es noch kein Kunstvereins-Haus. „Ich hatte ein Auto, das voller Utensilien war“, erzählt sie. „Damit bin ich in die einzelnen Stadtteile gefahren und habe die Kurse manchmal sogar in privaten Räumen gegeben.“ Das hat sich zum Glück geändert. Vor sieben Jahren zog der Verein ins „Kunstwerk“ in der Hermann-Elflein-Straße. Dort ist genug Platz für die verschiedenen Kurse. Außerdem gibt es im Keller einen Proberaum für Bands, eine kleine Bühne und Räume für Ausstellungen. „Bei uns ist jeden Tag was los“, sagt Eva Kowalski. Als Vorstandsmitglied beim Offenen Kunstverein und Projektbetreuerin hat sie den Überblick über die Angebote.

„Wir haben regelmäßig kreative Gäste aus aller Herren Länder bei uns“, erzählt Sabine Raetsch. „Diese internationalen Erfahrungen liegen uns sehr am Herzen, denn sie prägen die Teilnehmer für den Rest ihres Lebens.“ Sie selbst leitete außerdem einige Male Exkursionen nach Bulgarien. „Dort gibt es ein Dorf, in dem ein alter Bauernhof zu einem Museum umgebaut werden soll. Gemeinsam mit anderen europäischen Vereinen haben wir uns in diesem Sommer zehn Tage am Aufbau beteiligt“, sagt sie. „Das war ein Leben wie vor zweihundert Jahren, aber wir sind gut damit zurechtgekommen.“

Mit dem Ruf als „etwas alternativer Verein“ fühle man sich sehr wohl, sagt Vorstandsmitglied Kowalski. „Wir bieten einen Ort für Ideen, und die Menschen nehmen ihn an.“ Froh sind die Mitglieder des Vereinsvorstands, dass die Mittelbrandenburgische Sparkasse sie in diesem Jahr mit einer Spende unterstützt hat, denn alleine können sie ihre Projekte nicht stemmen.

Seit 1990 gibt der Offene Kunstverein Kinder und Jugendlichen Anregungen, damit sich die unterschiedlichsten Talente entfalten können. Inzwischen ist es schon die zweite Generation, die zu den Treffs kommt. Und im Publikum sind dann Eltern auszumachen, die einmal selbst als kleine Künstler zu Kursen und Projekten gekommen waren. Eva Kowalski freut sich über solche Begegnungen ganz besonders: „Da sind wir offenbar in guter Erinnerung geblieben.“ bou

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })