Homepage: Zwischen Verrat und Amnestie
Ausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums zur Dreyfus-Affäre
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Ausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums zur Dreyfus-Affäre Der jüdische Hauptmann Alfred Dreyfus war 1894 trotz mangelnder Beweise verurteilt worden. Man warf ihm Spionage vor, das Urteil lautete lebenslängliche Verbannung auf die Teufelsinsel vor der Küste Französisch-Guayanas. In der Folge entwickelte sich eine Debatte im Frankreich der Dritten Republik (1871-1940), die als Dreyfus-Affäre auch das gesamte europäische Ausland über zehn Jahre hinweg polarisierte. Die Affäre deutet die großen Themen des 20. Jahrhunderts schon an: Antisemitismus, Säkularisierung, die Kontroverse um Staats- und Demokratieverständnis sowie die Menschenrechte. Frankreich spaltete sich damals in zwei Lager. Der Riss in der französischen Gesellschaft ging bis in die Familien hinein. Der mit „J“Accuse!“ („Ich klage an!“) überschriebene offene Brief des französischen Schriftstellers Emile Zola an den französischen Präsidenten brachte 1898 schließlich die Nation in Aufruhr. Dieser direkte Angriff auf führende Personen in Militär, Justiz und Politik des Landes grenzte in den Augen vieler Franzosen an Landesverrat. Zolas Botschaft war klar: Ohne Wahrheit und Gerechtigkeit gerät eine Demokratie in Gefahr. 1899 wurde zur Beendigung der Affäre eine Generalamnestie für alle Beteiligten erlassen. Als man am Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) vor zwei Jahren erfuhr, dass die Privatsammlerin Lorraine Beitler in New York eine einzigartige Sammlung zur Affäre Dreyfus besitzt, wurde rasch der Kontakt zu der Wissenschaftlerin hergestellt. Im Wintersemester 2004/2005 bot man dann an der Universität Potsdam eine Lehrveranstaltung mit dem Titel „Die Dreyfus-Affaire / Ein Ausstellungsprojekt“ an. „Ich hatte großes Glück“, fasst MMZ-Geschäftsführerin Elke-Vera Kotowski zusammen. „Es fanden sich 13 engagierte und vor allem hochmotivierte Studentinnen und Studenten, die bereit waren, weit über den üblichen Aufwand hinaus, mitzuwirken.“ Zum 70. Todesjahr des jüdischen Hauptmanns und Justizopfers Alfred Dreyfus (1859-1935) hat das MMZ dann zusammen mit den Studierenden eine Wanderausstellung vorbereitet, die Einblicke in die Auswirkungen der Dreyfus-Affäre auf Politik und Gesellschaft der Jahrhundertwende in Frankreich, Europa und der Welt gibt. Unter dem Titel „J“Accuse!“ war die Ausstellung bereits in Hamburg zu sehen, seit heute wird sie in Potsdam gezeigt (bis 19. August), danach stehen Berlin (1.9.-12.10.), Dresden und Karlsruhe auf dem Programm. Zu sehen sind historische Zeitungen, Fotografien, Briefe, Plakate und Bücher. Die rund 230 Exponate stammen aus der Sammlung von Lorraine Beitler. Das MMZ will die Ausstellung auch Schulklassen öffnen. Den Schülern will man auf diesem Wege die Gefahren von Vorurteilen, die Macht der Medien und die Bedeutung der Grundrechte verdeutlichen. Die Dreyfus-Affäre beginnt am 25. September 1894 als eine Putzfrau, die zugleich französische Agentin ist, im Mülleimer des deutschen Militärattaches Schwarzkoppen einen brisanten Brief findet. Er ist an den Militärattache gerichtet und beinhaltet das Angebot des Verrats von französischen Militärgeheimnissen. Im Generalstab wird aufgrund des weit verbreiteten Antisemitismus unter den französischen Offizieren Alfred Dreyfus, der einzige jüdische Hauptmann der noch dazu aus dem Elsass stammt, des Landesverrats bezichtigt. Bereits im März 1896 ist dem neuen Chef des Geheimdienstes, Georges Picquart die Identität des wahren Täters, Major Walsin-Esterhazy, bekannt. Der hoch verschuldete Generalstabsoffizier wollte sich mit Hilfe der Spionage seinen aufwändigen Lebensstil finanzieren. Im Generalstab werden allerdings diese neuen Fakten manipulierte, um das Fehlurteil des Militärgerichtes zu vertuschen. Esterhazy wird im Prozess freigesprochen. Trotz gegenteiliger Schriftgutachten und vieler Beweise, die für die Unschuld von Alfred Dreyfus sprachen, kam es auch in dem Wiederaufnahmeverfahren 1899 zu einer erneuten Verurteilung. Erst das entlarvende Schreiben von Emile Zola, der den Fall als skandalöses Justizverbrechen anprangerte, brachte Bewegung in die Affäre. In Anbetracht der Unruhe, die dieser Justizskandal nicht nur in Frankreich verursachte und der bevorstehenden Weltausstellung in Paris (1900) entschloss sich die französische Regierung zehn Tage nach der Urteilsverkündung zur Amnestie aller Straftaten, die mit der Affäre in Zusammenhang standen. Eine endgültige Rehabilitierung erfuhr Alfred Dreyfus allerdings erst 1906 mit der Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion. Jan Kixmüller Die Ausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums ist bis 19. August im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, zu sehen.
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