Kultur: Allzu neutraler Vortrag
Casanova-Episoden mit Heinz Behrens im Palmensaal
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Venedig „serenissima“ steht derzeit im Fokus des Traumes von Potsdam, Musikfestspiele genannt. Man lobt die Werke dieser Stadt, ihre Namen zwischen Liebe, Künsten und Tod. Giacomo Casanova (1725-1798) gehörte ihr an, bevor er sie floh, spät zurückkehrte, um sie dann niemals wiederzusehen. Als Herzensbrecher und Abenteurer die personifizierte Unruh, trug er sein Venedig, ihre Tugenden und Laster, durch ganz Europa, von Portugal bis Russland, von Paris via Potsdam bis Berlin. Ein zu spät gekommener Renaissance-Mensch des 18. Jahrhunderts mit tragischem Ende im dunklen Böhmen.
Der Schauspieler Heinz Behrens las im Palmensaal aus seinen posthum erschienenen Memoiren, der venezianische Musiker Saverio Tasca rahmte die Veranstaltung mit eigenen Kompositionen an Vibraphon und Marimba ein. So stand vor der legendären Flucht dieses Casanovas und selbsternannten Chevaliers de Seingalt aus den Bleikammern des Dogenpalastes ein musikalischer Introitus, Canto Alpino, in dessen meist sanftem Verlauf ein Hauch der Vivaldischen „Jahreszeiten“ aufschien. Behrens las im Schweiße seines Angesichts kraftvoll, aber ziemlich neutral.Doch wird dies kaum der Grund gewesen sein, warum einige Besucher früher gingen. Vielleicht war das Programm nicht geschickt inszeniert. Nach der abenteuerlichen Flucht des lendenfrohen „Ritters“ mit einem Mönch und dem zweiten Musikstück „Market Day“, zu dem man sich Casanova hinzudenken musste, folgte die lange Passage seiner Begegnung mit Friedrich II. Manch Playboy hat auch heute noch Sorgen ums Geld – der Venezianer suchte schlichtweg eine gutbezahlte Anstellung. Beide waren sofort voneinander beeindruckt. Casanova schlug den anstrengenden Posten eines Kadetten-Erziehers aus und wandte sich gen Petersburg, wo er Katharina in die Reform des russischen Kalenders dreinreden wollte. Unausweichlich und zugleich letzter Teil dieser Lesung war sein Bericht über eine Liebesnacht mit zwei Damen, damals so wenig eine Sensation wie heute. „Incenso“, ein recht schönes Stück von Saverio Tasca, schloss die Veranstaltung merkwürdig ab. Beifall, das Duo wurde kein zweites Mal gerufen.
Heinz Behrens versuchte zwar, die aus verschiedenen Teilen der Memoiren zusammengestellten Abenteuer durch Überleitungen zu verknüpfen, doch dieser Nachmittag selbst blieb Episode. Vielleicht lassen sich die in Ich-Form verfassten Lebenserinnerungen gar nicht „neutral“ vortragen? Es fehlte ein Fokus, welcher die Teile zusammenführte, Sinn vom Sinne dieses viel zu spät gekommenen Renaissance-Menschen. Gerold Paul
Gerold Paul
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