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Propaganda  die bevorzugte Waffengattung im Kalten Krieg. Neben Plakaten, Fotos, Leserbriefen, Kritiken sind vor allem Filmausschnitte zu sehen.

© Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Aufpoliert

Die 50er Jahre im DEFA-Film: Heute wird im Filmmuseum die Ausstellung „Glück für alle!“ eröffnet

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Rote Fahnen statt Rock’n’Roll: die „Sonnensucher“ der 50er Jahre lebten im Osten. Sie glaubten an ein „Glück für alle“, krempelten die Ärmel hoch und steuerten dem Traum vom Paradies auf Erden entgegen. Das halbe deutsche Volk befand sich auf dem Weg zum Kommunismus, glühte im Rausch des kollektiven Glückversprechens. „Sind Ideale nicht etwas Herrliches?“, schwärmte die 17-jährige Brigitte Reimann 1950, die nichts Schöneres kannte, als sich aus vollem Herzen für eine Sache einzusetzen.

Wie sah sie aus, die Wirklichkeit der 50er Jahre in der DDR? Die Mitarbeiter des Filmmuseums befragten dazu für ihre heute beginnende Ausstellung die DEFA-Filme jener Zeit. Sie klopften sie auf ihren Realitätsbezug ab, der damals an alle Filme gestellt wurde. „Ich dachte, es würde gähnend langweilig werden. Aber es gab nicht nur Sprechblasen, es ging um konkrete Probleme, die bewältigt werden wollten. Das ist zwar oft etwas schwerfällig umgesetzt, aber man spürt, was die Leute drängte, und das ist zum Teil berührend“, sagt die Kuratorin Ugla Gräf .

Wie ein multimediales Bilderbuch blättert sich die „Glück für alle“ verheißende Ausstellung auf. Der Besucher sitzt auf Stühlen aus Omas Zeiten und dreht an sechs kleinen Häuschen die Uhr ein halbes Jahrhundert zurück: Er kann hineinlesen, hineinhören, hineinschauen, was damals Alltag, Arbeit und Freizeit ausmachten, wie Spionage und Sabotage, wie der Zwang zur Kollektivierung in der Landwirtschaft funktionierten. Die Filme sind neben Plakaten, Fotos, Zeitungsartikeln, Kritiken oder Leserbriefen die wichtigsten Requisiten: Neben DEFA-Wochenschauen sind auf Monitoren Ausschnitte aus etwa 40 Spielfilmen zu sehen. Es gruselt schon, wenn Schauspielerin Yvonne Merin, die damalige Frau von Kurt Maetzig in dessen Film „Roman einer jungen Ehe“ ein Gedicht von Kuba voller Inbrunst deklamiert: „Geradeaus zu Stalin führt der Weg...“ Ein heroischer Streifen auf die Einweihung der Stalinallee – vom gleichen Regisseur, der zuvor eindrucksvoll „Ehe im Schatten“ und später „Schlösser und Katen“ drehte. Die DDR-Wirklichkeit wurde oft im Zerrspiegel wiedergegeben. Anderes verschwand hinter diesem Spiegel, wie der Ungarn-Aufstand und der 17. Juni 1953 in der DDR, der erst aus sicherer Entfernung anklingt, eben bei „Schlösser und Katen“ 1956. Bei Konrad Wolfs „Sonnensucher“ wird indes nichts beschönigt, „ein packendes Abbild des Schweren, oft kaum zu Bewältigenden“, schrieb die „Freiheit“ 1972.

Aber im Kalten Krieg ist Propaganda die bevorzugte Waffengattung und die ostdeutsche Kinoleinwand wurde mit politischer Bedeutung aufgeladen. „Magie und Leichtigkeit sind ferne Vergangenheit“, heißt es in der Ausstellung, die auch etwas von einer Wandzeitung hat – nur von aller Zensur befreit. Es gab damals zwar auch Komödien, wie „Junges Gemüse“ von Günter Reisch, der sich über Leute mokierte, die sich nach außen 150-prozentig gaben, innerlich aber die größten Ganoven waren. „Aber selbst in Komödien ging es bedeutungsvoll zu, permanent sollte man im Ost-West-Konflikt Haltung beziehen. Das Publikum wollte indes Ablenkung, hat sie aber nicht bekommen“, so Ugla Gräf. Eine Leserin schrieb 1950: „Liebe DEFA, drehen Sie doch mal einen lustigen Film, beispielsweise über eine FDGB-Reise.“

Um künstlerische Kriterien sei es damals kaum gegangen. „Hauptsache, alles stimmte.“ 1951 fuhren DEFA-Dramaturgen quer durch die DDR zu Werktätigen, um Anregungen für Filme zu bekommen, die das wahre Leben wiederspiegeln. Richard Groschopp musste 1951 Kritik einstecken, weil er in seinem Film „Modell Bianka“ einen Konfektionsbetrieb vorstellte, der für die Leipziger Messe arbeitete. Doch das darin gezeigte schulterfreie Abendkleid mit zig Volants ging bei den Zuschauern nicht durch: „Ein volkseigener Betrieb würde niemals ein solch unmögliches Phantasiegebilde herstellen“, hagelte es Widerspruch. Wie viele Menschen die DEFA-Filme der 50er sahen, sei nicht verbürgt, so Ugla Gräf. Dafür weiß man, dass die Grenzkinos an den westlichen Sektoren immer voll waren.

„Ich möchte auch im Westen wohnen“, konnte Gerhard Klein seine Protagonistin in „Eine Berliner Romanze“ noch sagen lassen. Doch die Phase von Großzügigkeit war bald vorbei. Im Sommer 1960 wurden die Filme mit landwirtschaftlichen Themen besonders überprüft und auch zurückgezogen,wie Frank Beyers „Eine alte Liebe“, weil er die genossenschaftliche Arbeit zu wenig würdigte. Da hatte man schon lieber eine Wochenschau, die zeigte, wie Westberliner Studenten gegen Studiengebühren demonstrierten, während im Osten Jungpioniere in einer Film-Arbeitsgemeinschaft aufblühten.

1961 ist die Welt klein geworden, der Traum vom „Glück für alle“ hat sich nicht erfüllt. Mit dem Mauerbau ändert sich die Kinogeschichte, der Westen als Lebensalternative verschwindet. „Ich glaube, ich bin nie ein glücklicherer und ein besserer Mensch gewesen, als zu der Zeit, wo ich noch meine schönsten Ideale hatte.“

Mit diesen Worten Brigitte Reimanns schließt sich der spannungsreiche Ausstellungskreis, den der Besucher neugierig betritt und gut unterhalten verlässt. Mit einer Idee vergangener Ideale.

Heute, 19 Uhr, Eröffnung mit Christel Bodenstein und Ernst-Georg Schwill.

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