
© Andreas Klaer
Kultur: Aus dem Verkehr gezogen
Kunstverein Potsdam zeigt in seinen neuen Räumen Zensiertes aus der DDR
Stand:
„Groß in Gesängen rühmten die Alten den Schaffer Prometheus. Weil er das Feuer uns gab; Wir heute schlucken den Rauch.“ Die Zeilen von Rainer Kirsch, bedeutender Lyriker der DDR, waren für eine Kunstmappe zum Thema Prometheus gedacht. In Auftrag gegeben vom Kulturbund der DDR im Goethejahr 1982. Die wichtigsten Künstler der DDR sollten sich in Bildern und Texten mit Goethes Prometheus auseinandersetzen – selbstredend nach offizieller Lesart. Man erwartete ein Loblied auf die Menschheit, Wissenschaft und Fortschritt, wozu es Götter nicht braucht. Künstlerische Arbeiten wie die von Rainer Kirsch und anderen, die das Thema Fortschritt kritisch reflektierten, in Wort oder Bild Kriege, Umweltverschmutzung und Gewalt ansprachen, passten dem Besteller nicht. Prompt wurde die Mappe mit 28 Bildern, Grafiken, Holz- und Linolschnitten, Zeichnungen und Radierungen und vielen Texten sofort nach der Premiere aus dem Verkehr gezogen.
Jetzt zeigt der Potsdamer Kunstverein das komplette Material in einer Ausstellung. „Der gefesselte Prometheus. Zensierte Kunst aus der DDR“ ist die erste Ausstellung in den neuen Räumen des Vereins, der vor einem Jahr aus dem Holländischen Viertel in die Charlottenstraße 121 gezogen ist, in direkter Nachbarschaft zu weiteren Galerien.
Die verbotene DDR-Kunst hat Kunstvereinsvorsitzender Andreas Hüneke nach Potsdam geholt. Der Experte für „entartete Kunst“ unterrichtet gerade ein Seminar „Grafische Mappenwerke und Künstlerbücher der DDR“ an der FU Berlin. Da passte das ganz gut. Nur 60 Exemplare wurden von der „Prometheus-Mappe“ gedruckt, 30 davon als Belegexemplare an die Künstler. Die anderen sollten eigentlich in den Galerien des Kulturbundes der DDR öffentlich ausliegen. Doch daraus wurde nichts. „Schon bei der Premiere in Halle wurden nicht alle Texte vorgelesen“, sagt Hüneke. „Danach war Schluss.“ Die Mappen wurden eingezogen. Wie viele heute noch erhalten sind und wo, weiß keiner. Eine allerdings landete im Museum Schloss Moritzburg Zeitz. Und wurde jetzt dem Kunstverein zur Verfügung gestellt.
Es ist die Crème de la Crème der DDR-Künstler, die damals auf den Aufruf hin Werke einsandte, darunter Willi Sitte, Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer und Gerd Mackensen. Man musste sogar erweitern, ursprünglich waren nur 20 Bilder geplant. Aber es war die Zeit des Wettrüstens zwischen Ost und West, eine Zeit, als sich die DDR stets bedroht und in der Defensive sah. Und so verwundert es nicht, dass die kritischen Reflektionen der Künstler den Altvorderen übel aufstießen.
Wieland Förster malte ein Stadtpanorama mit Atompilz im Hintergrund. Uwe Pfeifer eine leere Steinwüste, mittendrin ein Panzer mit einem winzigen Männlein an Deck – Che Guevara. Wolfgang Mattheuer schickte einen Linolschnitt „Prometheus verlässt das Theater“. Aus einem Zimmer, das mal gemütlich gewesen sein könnte und jetzt verwüstet ist, steigt ein nackter Mann mit großem Schritt aus dem Fenster. Bei Karl-Georg Hirsch stürzen Menschen wie wütende Bestien aus dem Himmel, hinunter aufs Feld, auf dem eine Frau Spargel erntet. „Feuer II“ heißt der Holzstich. Armin Münch malt Prometheus und Pandora als mehrteiligen Cartoon, es endet mit Folter, Mord und Verwüstung.
Das wollte, das sollte natürlich keiner sehen. „In der DDR hatte man, wie in jedem Unterdrückungssystem, viel Angst davor, was man mit Kunst erreichen kann. Das kann man nachvollziehen – andererseits haben sie die unmittelbare, schnelle Wirkung der Kunst auf die Öffentlichkeit auch überschätzt“, sagt Hüneke. „Die Kunst hat eher eine Langzeitwirkung, die nicht messbar ist.“
Den Ausschlag zum Verbot der kompletten Prometheus-Mappe haben aber letztlich die kritischen Texte gegeben, Beiträge von Heinz Czechowski, Helmut Preißler, Günther Rücker, Wilhelm Bartsch, Uwe Berger, Volker Braun, Peter Gosse, Manfred Jendryschek, Rainer Kirsch und Dieter Mucke, sagt Hüneke. Texte von Adolf Endler und Heiner Müller waren sogar von vornherein raus geflogen. Und ein geplantes Begleitheft mit Erläuterungen zum Material, das den Bürgern zur Hand gegeben werden sollte – auch Andreas Hüneke war für einen Beitrag angefragt – wurde erst gar nicht produziert.
Etwa vier Ausstellungen im Jahr will der Kunstverein in der Galerie, die der Verein bescheiden „Gute Stube“ nennt, künftig kuratieren. Darunter sollen auch immer wieder Werke aus dem vom Verein verwalteten Nachlass der Potsdamer Künstler Suse Ahlgrimm und Hubert Globisch sein. „Ansonsten wollen wir hier machen, was wir interessant finden“, sagt Hüneke.
Vernissage am heutigen Samstag um 17 Uhr in der „Guten Stube“, Charlottenstraße 121. Geöffnet Montag und Samstag von 10 bis 14 Uhr oder nach Vereinbarung.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: