Kultur: Baumeister unter zwei Königen
300 Jahre Jan Bouman – Eine Ausstellung würdigt die Leistungen des niederländischen Baupraktikers
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Von Angesicht zu Angesicht kann man ihm nicht gegenüber treten. Von dem Königlichen Oberbaudirektor Jan Bouman existieren keine Bildnisse. Anders als bei Knobelsdorff. Dabei sei der „Stardesigner“ durchaus auch von Bouman abhängig gewesen: von seinem Dienstrang, handwerklichem Geschick und organisatorischem Gespür. So jedenfalls ist es in der Ausstellung anlässlich des 300. Geburtstages von Jan Bouman zu lesen. Dafür stünde beispielsweise die St. Hedwigs-Kathedrale Berlin, deren Kuppel als eine der kühnsten Holzkuppeln der Baugeschichte gelte und die ohne das fachmännische Wissen Boumans wohl nicht denkbar gewesen wäre.
Eine Ausstellung stellt den Praktiker nun posthum auf den Sockel. Und zwar an einem der wichtigsten Orte seines Schaffens: dem Holländischen Viertel. Die Mittelstraße 8 trägt inzwischen auch seinen Namen: Drin gewohnt hat er indes nicht. Dort ist aber der Förderverein zur Pflege niederländischer Kultur in Potsdam aktiv. In den auf 15 Schautafeln erzählten Lebens- und Arbeitsweg in der Dokumentationsschau erfährt der Besucher, dass Jan Bouman 26-jährig nach Potsdam kam. Frisch verheiratet ließ er sich von dem Preußischen Gesandten Friedrich Wilhelm I. werben. Zum einen gab es zu Hause in Amsterdam große Konkurrenz durch Glaubensflüchtlinge aus Salzburg. Zum anderen frohlockte der Preußenkönig u.a. mit einem zinslosen Überbrückungskredit für die sehnlichst erwarteten Handwerker. Anfangs logierte das junge Glück im Haus der Witwe Seehausen. Doch bald bekam Bouman als Nachfolger des verstorbenen Schlosskastellans Stegman eine Wohnung im nordöstlichen Pavillon im Potsdamer Stadtschloss zugewiesen. Dort richtete man dem Zimmerermeister, der auch die Berechtigung hatte, eigenständig Häuser zu bauen, ein Arbeitszimmer als „Baucomtoir“ ein, wo er plante und mit Handwerkern verhandelte. Ab 1732 lag das große Vorhaben Holländisches Viertel und Bassinplatz auf seinem Tisch. Noch vor Ende der Fertigstellung starb 1740 sein erster königlicher Auftraggeber. Doch Sohn Friedrich II. schien von dem Können Boumans ebenfalls überzeugt gewesen zu sein, denn er übergab ihm die Bauleitung bei der Neugestaltung des Potsdamer Stadtschlosses und des Neubaus des Schlosses Sanssouci. 1755 ernannte er ihn zum Oberbaudirektor des Königs für Aufgaben in Berlin und Potsdam. Sein inzwischen erworbenes Grundstück in Sichtweise zu Sanssouci musste Bouman nunmehr aufgeben, immer mehr nahm ihn Berlin in Beschlag. Also zog er an die Spree, wo der „allerunterthänigste Knecht“ des Königs schließlich 70-jährig starb.
Doch Bouman ist nicht unumstritten. „Die geringe bis abfällige Wertung der Leistungen Boumans in der Kunstwissenschaft der letzten 70 Jahre ist völlig unverständlich“, meinen indes Ute Kamps und Christian Wendland in der von ihnen realisierten Ausstellung. Das negative Urteil nähre sich nur aus Unwissen und der Übernahme von Fehleinschätzungen anderer, so ihr Fazit. In der Ausstellung dokumentieren sie anhand von Skizzen, Plänen und Fotos seiner Bauten die Leistungen des Baumeisters und Architekten – die ihm allerdings nicht immer eindeutig zugeschrieben werden können.
Er habe vor allem auch einiges Geschick gehabt, die laienhaften Skizzen des Königs in dessen Sinne zu deuten und den Bauten entsprechende Proportionen zu verleihen. Wiederholt musste Bouman Bauten nach Stichen realisieren, was ihm besonders gut beim Alten Rathaus gelang, das den wenig attraktiven Alten Markt in eine italienische Piazza verwandeln sollte. Selbst Futterkrippen entwarf der vielseitige Mann: aus wenig Holz und daher kostengünstig für die Nachnutzung in der Provinz.
Da es weder Tagebuchaufzeichnungen noch persönliche Briefe Boumans gibt, kann die Ausstellung auch nur wenig über das Privatleben des sechsfachen Vaters erzählen. Bekannt sei, dass er wohl auch Vetternwirtschaft betrieb. Er unterstützte seine Landsleute, in dem er ihnen Arbeiten bei den königlichen Bauten zuwies – eine Übervorteilung in den Augen der Einheimischen. Sein Bruder Dietrich durfte beispielsweise die Erneuerung der Kuppel des Potsdamer Stadtschlosses übernehmen und neu angekommene Landsleute ließ er mit Quartieren versorgen.
Vom König wurde er vor allem als Baupraktiker geschätzt. Zum Ableben kondolierte Friedrich II. Boumans Sohn persönlich in einem Brief. Heidi Jäger
Geöffnet bis Jahresende, Mo bis Fr von 13 bis 18 Uhr, Sa und So von 11 bis 18 Uhr, Mittelstraße 8.
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