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Kultur: Beziehung auf Zeit

Die Sonderausstellung „Bunt – Der Sturm – Die Aktion“ im Kutschstall

Stand:

Expressionismus war von seinem Geiste her immer Unruhstiftung, Aufruhrzeit, Revolte. „Der Schock des ersten Großen Krieges der Weißen Männer“ (Arnold Zweig) und sein bitteres Ende hatten ihn erst so recht entzündet, obwohl schon vor 1914 „expressiv“ gearbeitet worden war. Nach dem Versailler Diktat änderte sich vieles. Posen zum Beispiel gehörte nun den Polen. Gut neunzig Jahre später erinnerte man sich, dass in dieser alten Stadt polnische Expressionisten gearbeitet hatten, die sogar gute Kontakte nach Berlin zu den expressiven Exklusiv-Adressen „Der Sturm“ und „Die Aktion“ pflegten. Von diesem fast unbekannten Ereignis will die am gestrigen Donnerstag eröffnete Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) erzählen. Sie ist in Zusammenarbeit mit dem Museum der Anfänge des polnischen Staates Gniezno, dem National Museum in Poznan sowie mit Kulturland Brandenburg entstanden, wo der Weg vom Expressionismus an sich zum aktuellen Kulturland-Thema „moderne in film. kunst. baukultur“ ja nun wirklich nicht weit.

Wie Herwarth Walden ab 1910 die Unruh stiftenden Geister der bildenden Kunst in der Zeitschrift „Der Sturm“ und Franz Pfremfert den literarischen Avantgardismus ein Jahr später in seinem Journal „Die Aktion“ um sich scharte, so gründete sich 1917 in Posen der Künstlerverein „Bunt“. Ihre Häuptlinge waren Stanislaw Kubicki und seine Frau Margarete.

Nach diesen drei auffällig militanten Begriffen ist auch die Ausstellung im HBPG benannt: „Bunt – Der Sturm – Die Aktion. Polnische und deutsche Expressionisten“. Allerdings gab es dabei ein Crossover: Während die Polen das polnische Wort „Bunt“ im deutschen Sinn interpretierten, bevorzugten die Deutschen die polnische Fassung und die bedeutete eben Aufruhr, Revolte. Beide Seiten freilich überschätzten mal wieder die Rolle der Kunst im öffentlichen Leben: Nach wenigen Jahren war es aus mit dem Bund polnischer Künstler, viele ihrer Werke verschwanden im Nichts. 450 aber blieben erhalten, daraus hatte die polnische Kuratorin Agnieszka Salamon-Radecka möglichst repräsentativ zu wählen. Der größte Teil wird nun erstmals in Deutschland gezeigt. Auch die „nationalen“ (soweit man bei solchen linken Weltbürgern überhaupt davon reden kann) Quoten dieser Ausstellung sind unterschiedlich. Während sich „Bunt“ zwischen 1917 und 1922 als fest umrissene Künstlergruppe verstand, handelte es sich auf deutscher Seite eher um Maler und Grafiker, die in „Sturm“ oder „Aktion“ mehr oder weniger regelmäßig gedruckt wurden. Sie arbeiteten auch im Bereich Illustration und Plakatgestaltung, farbige Druckgrafiken in Journalen waren ja damals fast eine Sensation!

So ist es wirklich schön, Edmund Kesting, Conrad Felixmüller, Georg Tappert oder Otto Freundlich in dieser Ausstellung wiederzusehen! Auf polnischer Seite heben sich das Ehepaar Kubicki und Jerzy Hulewicz vielleicht etwas von den anderen ab. Toll, diese neue Begegnung! Wenn die für sich selbst avantgardistische Schau nach ihrer Potsdamer Zeit gen Poznan zieht, soll ihr polnischer Anteil erhöht werden, denn auch dort ist „Bunt“ wohl nicht so bekannt.

Um diese sich auffallend bescheiden gebende Ausstellung unterm Dachfirst des HBPG zu erreichen, muss man sinnigerweise an ihrer größeren Schwester namens „Aufbruch in die Moderne“ vorbei. Linkerhand wird man dann von Herwarth Waldens Bronzebüste (Wilhelm Wauer) begrüßt, während gegenüber Originalausgaben der Zeitschrift „Aktion“ gezeigt werden. Die ersten der fünf kleinen Räume sind schwarz, die anderen in Rot gehalten, Farben, wie sie der Expressionismus gern benutzte, versicherte Andreas Hüneke, neben Susanna Koller für den deutschen Teil der Ausstellung zuständig. Alles in allem sind 65 Grafiken zu sehen, ein paar Pastelle, Aquarelle, etwas Öl. Kleinplastiken von Wladyslaw Skotarek und Katharina Heise komplettieren das Bild dieser deutsch-polnischen Beziehung auf Zeit. Der Rest lässt sich bequem im zweisprachigen Katalog nachlesen, auch die kulturpolitische Dimension – wichtig für Staatsfunktionäre!

Inhaltlich wie formal hat man es vom ersten bis zum letzten Raum mit lupenreinem Expressionismus zu tun. Dabei bemüht sich die wie provisorisch ausschauende Ausstellung um Übersicht und Repräsentation. Techniken wie Farblinolschnitt, Typografie oder die expressiven Varianten des Aquarells, auch in den Themen folgten die Künstler ihren zu Unrecht namhafteren Vorbildern der „Brücke“ oder des „Blauen Reiters“. Man findet im HBPG die üblichen Liebesmotive, ausdrucksstarke Porträts, Abstrakta, religiöse Themen von erstaunlicher Verknappung. Letztlich saß der Schock wohl zu tief, die wichtigsten Bilder zeigen das Ende der Welt 1918 aggressiv, einstürzende Häuser, den Turm zu Babel schon im Wanken. Expressionismus – Gegenwart eben!

Noch bis zum 7. August im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall, Am Neuen Markt 9

Gerold Paul

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