zum Hauptinhalt

Kultur: Bis in die letzten Stunden

Eine Fotoausstellung und der Film „Ich will da sein“ erinnern im Filmmuseum an Jenny Gröllmann

Stand:

Eine lange Schlange an der Kinokasse des Filmmuseums: Wann gibt es das schon bei einem deutschen Dokumentarfilm. Zur Premiere im Berliner „International“ vor zwei Wochen das gleiche Bild. Jenny Gröllmann-Fans stauen sich vor dem Eingang, um die filmische Hommage „Ich will da sein“ zu sehen: gedreht von Jenny Gröllmanns Freundin Petra Weisenburger im Wettlauf gegen die Zeit.

Bevor jedoch die unterhaltsam-anekdotischen, mitunter auch etwas voyeuristischen, aber keineswegs larmoyanten Momentaufnahmen aus dem kurzen Leben der Schauspielerin in Potsdam über die Leinwand gehen, brilliert noch einmal das junge Mädchen Jenny als „Hütchen“ in der Episode „Die Prüfung“: ganz sinnliche Begierde, unerschrocken und doch in anmutiger Sanftheit. Dabei wollte Regisseur Ulrich Thein sie anfangs gar nicht in dieser vor Weiblichkeit strotzenden Rolle besetzen. Doch Jenny Gröllmann hielt dagegen: „Den Typ, den spiele ich doch. Ich mache sie so schön, wie es geht.“ Dafür musste sie sich jeden Morgen vor Drehbeginn die etwas abstehenden Ohren und falschen Wimpern ankleben lassen. „Heute schreit kein Mensch mehr nach so etwas“, sagt die Schauspielerin fast 40 Jahre später in der Dokumentation, in der ihr Charisma von vielen Kollegen offenherzig „besungen“ wird und die sie mit Romy Schneider und Catherine Deneuve vergleichen.

„Sie hätte Weltkarriere machen können, aber sie lebte nun mal in der DDR“, sagt Michael Weidt, der sich vor allem in die unvergleichlich schönen Hände und Füße der Freundin verguckt hatte. „Ich kannte Jenny über 50 Jahre, fast ein ganzes Leben.“ In seiner Rede im Filmmuseum beschränkt er sich jedoch auf eine kleine Episode, die an die erste Hochzeit der Schauspielerin in Zeuthen erinnert. Dort sollte er auch fotografieren. „Doch damals konnte ich noch gut schlafen und wachte erst mittags auf.“ Also überlegte er sich eine kleine Notlüge: sein angeblich kaputtes Moped. „Jenny durchschaute mich sofort und fragte nur: ,Na, Micha, hast Du verschlafen?““ Sie nahm es nicht krumm. „Jenny war in allem sehr großzügig.“ Die Ehe sei dann ohnehin nicht der Brüller gewesen, fügt er in seiner lockeren Art hinzu. Und betont zugleich: Die letzte Trauung habe ich dann aber fotografiert.

Die wurde 2004, zwei Jahre vor Jenny Gröllmanns Tod, gefeiert: mit dem langjährigen Lebensgefährten Claus-Jürgen Pfeiffer. Vor einem Jahr übergab dieser den Nachlass seiner Frau ans Filmmuseum. Daraus entstand die am Donnerstag eröffnete eindrucksvolle Fotoausstellung, in der das Gesicht der Schauspielerin in den verschiedensten Facetten leuchtet (PNN berichteten). „In einem angenehm kleinen Rahmen. Nicht zu aufgeblasen“, freut sich der Witwer über diese Foyerausstellung mit rund 100 Bildern. „Jenny hätte sie sicher auch gefallen, schließlich leben Schauspieler davon, präsentiert zu werden.“ Das habe sie in den letzten drei Jahren allerdings sehr vermisst. „Es kamen plötzlich keine Angebote mehr. Das hat ziemlich an ihrem Selbstbewusstsein genagt.“ Wie natürlich auch die Stasi-Geschichte, die in der Ausstellung nicht thematisiert wird, aber in dem Film der Freundin eine Rolle spielt. Der einstige Ehemann Ulrich Mühe, der die Stasi-Vorwürfe öffentlich machte, wird darin allerdings nicht befragt. „Es wäre mir unmöglich gewesen“, so Petra Weisenburger, die Jenny Gröllmann gemeinsam mit der Familie bis in die letzten Stunden begleitete, immer im Hoffen und Bangen um den nächsten Tag. Trotz ihrer Krebskrankheit habe Jenny nicht locker gelassen, ihren guten Ruf wieder zu erlangen, so die Regisseurin. Ein Zuschauer fragt schließlich in dem späten Filmgespräch, zu dem sich die Reihen bereits leeren, ob das Thema inzwischen beendet sei und die Rehabilitation von der Öffentlichkeit akzeptiert werde. Die Filmemacherin betont, dass alle Prozesse, die Zeitungen geführt hätten, zugunsten von Jenny Gröllmann entschieden worden seien. Nur der Focus prozessiere weiter und gehe jetzt vor das Bundesverfassungsgericht. „Aber solange die Schuld nicht bewiesen ist, ist man unschuldig. Dieses juristische Prinzip ist bei Jenny nicht geachtet worden“, so die aus dem Westen Deutschlands stammende Dokumentaristin. „Ich wäre froh, wenn das alles vorbei wäre“, betont auch ihr Ehemann, der jetzt für die beiden Töchter von Jenny Gröllmann wichtiger Begleiter ist. „Als übrig gebliebene Familie befanden wir auch darüber, die Erinnerungen in ein Archiv zu geben: Nicht in das der Akademie, sondern in das des Potsdamer Filmmuseums. Denn Jennys Zeit war vor allem mit der DDR verbunden. Die Rollen, die sie dort spielte, haben sie groß gemacht.“ Und unvergessen, wie die Besucherschlange zeigt.

„Ich will da sein“: Zu sehen bis 16. Juli im Filmmuseum.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })