Kultur: Bitte nicht elitär
Berlinale-Chef Dieter Kosslick begrüßte gestern 112 neue Studierende an der Filmhochschule HFF
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Gleich einer Prozession drängt sich ein Strom junger Menschen durch das kleine Wäldchen zwischen dem S-Bahnhof Griebnitzsee und der Filmhochschule HFF auf dem Studiogelände. Während man hier in den Semesterferien eher Angst vor Wildschweinen hat, sind es nun die Wildschweine, die Angst vor den vielen Menschen haben müssen. Vorbei führt der Weg zur Filmhochschule an den Freilichtkulissen, die schon lange nicht mehr nach Sonnenallee oder Warschauer Ghetto aussehen. Schließlich landen die angehenden Filmemacher im strahlenden Glas-Stahl-Palast der HFF, in dem die neuen Studierenden begrüßt werden.
An den Wänden hängen nicht nur Filmplakate, auch ein Poster des Wissenschaftsministeriums ist zu sehen. Es zeigt eine Sardinenbüchse. Botschaft: in Brandenburg gibt es keine Platznot an den Hochschulen. Eng wir es dann aber trotzdem. Das liegt weniger an den 112 neuen Studierenden, die zum Wintersemester begrüßt werden. Es liegt vor allem am Grußwort von Berlinalechef Dieter Kosslick, das auch zahlreiche ältere Semester und Dozenten in das HFF-Kino gelockt hat. Kosslick kommt mit strahlendem Lächeln, herzt und duzt eine Dozentin, die auch Filmregisseurin ist, und lässt das Fotoshooting professionell über sich ergehen. Gehört alles zum Marketing, wie er später noch betonen wird.
Die Studierenden haben angespannte Gesichter, schließlich ist es der erste Tag in einem neuen Lebensabschnitt, der erste Tag in der aufregenden Welt des Films. Doch das Blitzlichtgewitter der Presse wird noch ein paar Jahre auf sich warten lassen. Kosslick verspricht den Erstsemestern trotzdem schon mal, nach ihrem Studium am anderen Ende des roten Teppichs zu warten. „Der ist auch nur einfache Auslegware, mehrfach ausgewechselt“, beruhigt der Berlinalechef, bekannt für seinen Hang zu Anekdoten.
Zuvor hatte HFF-Präsident Dieter Wiedemann den „Neuen“ erklärt, dass sie an einer Elitehochschule gelandet sind, die sich derweil um den Titel Film-Universität bemüht. Er sprach vom Wettbewerb um Aufmerksamkeit, der auf die Studierenden nach ihrem Abschluss wartet. „Sie werden auffallen müssen!“ Auch hänge viel davon ab, wie man seine Kreativität vermarkte.
Die Sache mit der Elite greift Kosslick dankbar auf. Es sei löblich für die Hochschule, wenn sie ein solches Selbstverständnis habe. „Aber bitte werden Sie später nicht elitär“, sagt er zu den Erstsemestern. In der Filmbranche sei elitäres Gehabe oft anzutreffen. Doch dieser Zug sei nicht wichtig fürs Filmemachen. Vielmehr müssten die Studierenden lernen, zu kooperieren, schließlich entstehen Filme meist in Teamarbeit. „Dafür bedarf es Respekt vor der Person und der Arbeit der anderen“, sagt Kosslick.
Neben dem Respekt spiele die Verantwortung ein große Rolle. Die Verantwortung, die ein Regisseur mit seiner Arbeit gegenüber der Öffentlichkeit habe. Kosslick spricht von sozialem Engagement und hat auch hierzu eine kleine Geschichte. Der Film „Bordertown“ im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb über eine Mordserie an Frauen, die an der mexikanisch-amerikanischen Grenze im Billiglohnsektor ausgebeutet werden, habe ihn fast den Kopf gekostet. Bei der Kritik sei der Film durchgefallen, kaum einer habe verstanden, wieso Jennifer Lopez und Antonio Banderas in einem solch krassen Film mitgemacht haben. Kosslick sei gefragt worden, ob ihn die Kritik verletze. Ihm sei schleierhaft gewesen, wieso man nach seiner Befindlichkeit fragte und nicht nach den Gefühlen der 500 Mütter, deren Töchter ermordet wurden.
„Wenn Sie Engagement für sozialkritische Themen zeigen, dann warte ich gerne am anderen Ende des roten Teppichs“, verspricht Kosslik schließlich mit Augenzwinkern.
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