Kultur: Das Drama zwischen Frau und Mann
Gemalte Beziehungsgeschichten: Die Argentinierin Rosemarie Allers stellt auf Einladung der Batuz-Foundation im Alten Rathaus aus
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Gemalte Beziehungsgeschichten: Die Argentinierin Rosemarie Allers stellt auf Einladung der Batuz-Foundation im Alten Rathaus aus Von Marion Hartig Jeder Tag ein neues Spiel. Mal ist es der Mann, der im Kampf der Geschlechter dominiert, mal ist die Frau die Stärkere, sagt Rosemarie Allers. Mit geöffnetem Mantel, halb auf dem Sprung, geht die Künstlerin aus Argentinien durch den Flur des Alten Rathauses. Vorbei an den großformatigen Bildern ihrer Ausstellung „Eigenartiges Wesen“. Vorbei an nackten Frauenkörpern im Gras oder auf dem Kanapee, an ästhethischen Machtspielen und markanten Männergesichtern, an symbolischen Pferden und Vögeln. Morgen reist Rosemarie Allers zurück nach Buenos Aires, sie ist in die Bilderschau am Alten Markt gekommen, um von ihren Werken Abschied zu nehmen. Die Künstlerin mit Hang zum Dramatischen lässt expressive Malerei mit breitem Pinselstrich zurück, die vom Figürlichen ins Abstrakte übergeht und durch ihr immer wieder neues Farbspiel fasziniert. Ihre Bilder waren in Argentinien, Chile, Holland, Italien und Japan zu sehen. Nach Potsdam kam die Frau mit dem Mantel auf Einladung der Batuz-Foundation. Wie eine Puppe hält der „Mann mit Krawatte“ die zarte Frau in seiner Hand. Sie blicken sich in die Augen. Ihr nackter Körper fühlt sich wohl, er schmiegt sich an seinen Beschützer. „Dompteuse II“ heißt das Bild, das die Verhältnisse umkehrt. Es geht um Sex. Die Frau liegt über dem Mann, ihr Gesicht ist mit einer Maske bedeckt. Sie dominiert. Er ist der Unterlegene, erklärt die Künstlerin. Das Bein der Frau geht in ein Stärke symbolisierendes Pferdebein über. In „Dompteuse I“ hat die Künstlerin der sitzenden Schönen einen kleinen Vogel an die Hand gegeben. Immer wieder tauchen in den Bildern Vogel und Insekt auf. Der Vogel ist das Symbol für den Mann. Das Insekt steht für die ihn umschwirrende Frau. Wie Mücken plagt sie den Mann, lässt nicht von ihm ab. Symbole haben in der Malerei von Rosemarie Allers eine große Bedeutung. Nur lassen sie sich nicht immer entschlüsseln. Dieses Manko ist aber kein wirklich gravierendes, denn nicht jedes Detail ist unbedingt wichtig: Die Stimmung und Emotionalität der Arbeiten vermitteln sich trotzdem. Bestes Beispiel dafür ist „Die Schmach“: Eine nackte Frau steht seitlich mit geraden Beinen und gebeugtem Oberkörper. Ihre Lippen sind kurz davor, den Boden zu berühren. Ihre Brust endet in einer prallen roten Kugel. Ganz offensichtlich hat ihr Rücken schwere Lasten getragen. Ihr Gesicht aber drückt alles andere als Schmach aus, sondern Stärke und Glück. Ihre Augen lächeln. Ganz klar, der Titel ist zynisch gemeint, auf den ersten Blick schon sieht man den stolzen Glanz, die Kraft der Frau. Die Künstlerin aber hat noch mehr hinein gelegt, die rote Brustwarzenkugel mit den Leuchtstrahlen steht für das Blut, das die Frau lässt. Sie blutet, sie hat Schmerzen, aber sie lächelt, denn sie hat das Glück, Leben zu schenken, sie hat die Power der Welt, erklärt die Malerin die Feinheiten – die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Inspiration für ihre Kunst ist der natürliche Kampf zwischen Mann und Frau. Tagelang trägt sie Motive mit sich herum, bis sie den Pinsel in die Hand nimmt. Und der läuft schneller als sie denken kann. Es ist ihre Seele, nicht ihr Verstand, die ihn führt. In einem Zug kommt sie zum Ende. Es passiert ihr, dass sie acht Stunden malt und in einem Moment der Weisheit das ganze Bild verändert. Frei steht sie vor der Leinwand, sie malt in groben Zügen, trägt dick Farbe auf, zeichnet auf verschiedenen Ebenen übereinander. Sie umrandet mit Schwarz oder ritzt mit Messer Struktur in den Untergrund. Die Künstlerin schafft Bilder, die berühren, wenn ihre Emotionalität auch Geschmacksache ist. Das schönste künstlerische Kompliment, das sie je bekam, sprach ihr der Enkel des spanischen Künstlers Joan Miro aus: Der freie Moment ihrer Bilder erinnere ihn an den Großvater. M. Hartig Bis 5. Februar, Altes Rathaus; Do, 19 Uhr: die Künstlerin Franca Sferlazza erzählt in der Ausstellung aus ihrem Leben.
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