Die Gedichte sind mal wie ein leises Knirschen und Ächzen im Lebensgetriebe, dann wie der wilde Flügelschlag zwischen dem Nichtmehr und Nochnicht. „machen müssen / machen sollen / machen wollen / ja was denn eigentlich / wo ist der sinn im leben ...“ notiert Tina Wolff. Die in Groß Glienicke lebende Autorin hat sich viele Fragen von der Seele geschrieben, die sie in ihrer Sinnsuche umhertreiben. Man spürt in ihren prägnanten Texten, die sie in dem kleinen Band „Just do“ im Deutschen Lyrik Verlag herausgegeben hat, den quälenden Prozess der Neuorientierung.
Ihre künstlerischen Reflexionen haben auch etwas von einem therapeutischen Schreiben. Es geht um die Wahrnehmung von Selbstbetrug, Abhängigkeiten, zwanghaftem Handeln, um ein verwässertes, oft ferngesteuertes Leben. Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Yogalehrerin verdichtet, was sich in ihr über Jahrzehnte ausgebreitet hat: das Einengende, Beklemmende, Abstumpfende. Sie schaut auf die selbst gezogenen Grenzen, um sie nun endlich, nach langem quälendem Verharren, einzureißen.
Nach einer persönlichen Lebenskrise nahm sich die 36-jährige gebürtige Berlinerin 2009 eine Auszeit, setzte ihr Lebenskarussell auf Stopp. Es ging um die Entscheidung: Leben oder Sterben. Sie entschied sich für das Leben. Die Stille setzte neue Quellen in ihr frei, ließ die Kreativität sprudeln. Tina Wolff begann zu malen, zu schreiben, fand neue Energien.
Ihr „Verbranntsein“ spiegelt ein Gesellschaftsphänomen: Immer mehr Menschen leiden an Erschöpfungszuständen, was inzwischen auch immer stärker thematisiert wird. Das Buch von Miriam Meckel „Brief an mein Leben“ über ihr eigenes Burnout gehört zu den eindrücklichsten Auseinandersetzungen, die dieser physischen und psychischen Krankheit auf den Grund gehen.
Tina Wolffs Gedichte bringen diese Abgründe zugespitzt und prononciert auf den Punkt. Sie schauen auf die Schieflage, aber schon im Wissen um ein mögliches Gegengewicht. Das lässt die Worte lichter und leichter werden. Und man freut sich mit der Autorin, die offensichtlich ihr einschnürendes Korsett abwerfen konnte und neugierig nach vorne schaut. „Die Bereitschaft / Die Entscheidung / Wieder Wissen / Zu wollen / Wer ich bin / Erlaubt / Das Förmchen / Zu verlassen / Und zu sein“. Heidi Jäger
Tina Wolff: „Just do“, 6,90 Euro, Deutscher Lyrik Verlag, Edition Anthrazit, Aachen 2011
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