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Ausstellung im Potsdam Museum "Jenseits von Effi Briest": Das Gespür für den Augenblick

Die Stuttgarterin Sibylle Wagner porträtiert im Potsdam Museum Frauen in ihrer Besonderheit. Sie sind "jenseits von Effi Briest".

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Potsdam - Die schwere Tür fällt hinter dem Besucher ins Schloss und dann steht man da: ein wenig unvermittelt inmitten all der überdimensionalen Porträts, jedes etwa ein Meter mal ein Meter zehn. Frauen, die von der Künstlerin Sibylle Wagner eingefangen wurden für den Moment, so wie sie in diesem Moment der Welt und der Fotografin zur Verfügung standen. 47 Bilder, entstanden in den vergangenen zehn Jahren, schauen wie Begleiterinnen von den Wänden hinüber zum Besucher des Potsdam Museums. Stellen Fragen: Wer bist du, wer bin ich? Kannst du mich sehen? Ist man allein, hört man das leise Summen der Klimaanlage, am Sonntagmittag auch Glockengeläut der Nikolaikirche. Es ist eine sehr sinnliche Ausstellung, die hier am Freitagabend eröffnet wurde und die bis zum 19. April zu sehen sein wird.

Die Stuttgarterin Sibylle Wagner, geboren 1952, lebt heute in Berlin. Die Frauen aus ganz Deutschland sind Freundinnen und Bekannte aus Potsdam und Berlin. Junge und Alte, aus allen Berufsgruppen, von Künstlerin bis Krankenschwester. Namen und Beruf werden zu jedem Bild genannt. Doch man muss das nicht sofort lesen. Zunächst kann man sich Zeit nehmen, die Bilder in Ruhe zu erleben, eine Verbindung zu den Menschen zu erspüren. Jede der Frauen schaut anders. Direkt und offen geradeaus, aus einer zurechtgesetzten Haltung heraus. Aufgeräumt, herausfordernd. Mit einem Blick, der sagt: Hier also bin ich. So also bin ich. Bin ich so?

Jedes Foto zeigt eine besondere Facette

Was die Modelle selbst als erstes zu ihren Porträts gesagt haben, ist ebenfalls hier zu lesen und gibt weitere Einblicke in die Welt zwischen Fotograf und Objekt. Sie haben Sibylle Wagner vertraut, sich ihr hingegeben. Und die Künstlerin hat draufgehalten, könnte man sagen, wenn das nicht zu flapsig klingen würde. Sie hat jedenfalls gespürt, welcher Augenblick richtig ist. Hat anschließend aus jedem Foto etwas Besonderes gemacht. Manche sind von einer intensiven Farbigkeit, die fröhlich macht, die Wärme ausstrahlt. Andere sind in Grautönen gehalten, grob verpixelt, verzerrt, unscharf, als wolle sich jemand einer Konfrontation entziehen. Dann gibt es Bilder, bei denen aufgrund von Überlagerungen Effekte entstehen. Oder weil Wagner aus dem Foto eine Collage macht oder das Ganze hinter eine Schicht farbiges Plexiglas stellt. Und so ergibt sich ein Sog, sich der Begegnung hingeben, innezuhalten, aufgrund dieser mystisch leuchtenden Farbigkeit – aber auch weil die Frauen dies irgendwie einfordern.

Jenseits von Effi Briest

Mit der Überschrift „Jenseits von Effi Briest“ hat das Ausstellungsprojekt eine weitere Dimension bekommen. Wagner sucht Berührungspunkte im Frauenbild dieses Fontane-Romans und „ihren“ Protagonistinnen. Das Wort „Jenseits“ legt nahe, dass es keine gibt – andererseits laden sowohl eine Schaukelinstallation als auch ein Foto der Künstlerin, auf dem sie – wie Effi zu Beginn des Romans – waghalsig gen Himmel schaukelt, zu eigenen Interpretationen ein. Effi scheiterte an ihrem Freiheitsdrang und dem Unvermögen, sich gesellschaftlichen Normen und eigenen Schuldgefühlen zu entziehen. Fontane lässt sie in ihrer Trauer sterben.

Auf dem Stahnsdorfer Friedhof allerdings liegt die „echte Effi“, Elisabeth von Ardenne, die sich nach einer schmerzhaften Scheidung entschied, selbstbestimmt weiterzuleben. Wie viel Effi in den Bildern der Ausstellung steckt (und von welcher), liegt also im Auge des Betrachters. Die Bilder allerdings brauchen diese Fontanesche Lesart nicht unbedingt. Sibylle Wagners Porträts könnten durchaus alleine stehen.

Potsdam Museum, Forum für Kunst und Geschichte, Am Alten Markt 9, geöffnet Dienstag bis Sonntag ab 10 Uhr. Am Donnerstag, dem 5. März, findet der Vortrag „Effi Briest und ihre Schwestern“ statt. Referentin ist Hanna Delf von Wolzogen, Leiterin des Potsdamer Fontane-Archivs.

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