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Ausstellung im Kunsthaus Potsdam: Das Leben tobt woanders

Im Kunsthaus zeigen zehn Künstler ihre Visionen und Alpträume von der modernen Stadt. Ein paar spannende Werke aus der privaten Sammlung Florian Peters-Messer fehlen aber leider.

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Seltsam vertraut wirkt sie, die Prager Straße in Dresden. Vertraut – und luftig und ein bisschen hohl. Denn die Fassaden der sozialistischen Architektur sind nur Atrappen, kleine, aber originalgetreue Modelle – natürlich steht die Prager Straße nicht neuerdings in Potsdam – auch wenn die Mietsituation der Stadt ein Konzept für 614 Wohnungen vielleicht gut vertragen könnte. Aber der Künstler Karsten Konrad hat das Ensemble, das in voller Pracht am Dresdner Bahnhof steht, nachgebaut – das stilisierte Rosen-Mosaik in Orange, Rosa und Rot inklusive.

„Stadtplaners Workshop“ heißt die Arbeit – und gibt damit schon die thematische Richtung der Ausstellung vor, die derzeit im Kunsthaus zu sehen ist: Es geht um Städte – als soziale Utopien, und wie sie scheitern. Werke von zehn Künstlern sind in „Vom Aussenraum zum Innenraum“ zu sehen. Sie alle stammen aus der Privatsammlung von Florian Peters-Messer. Wer hier allerdings akribische Modelle, den üblichen kühlen Architekten-Chic erwartet, muss enttäuscht werden. Konrad etwa arbeitet mit dem, was er so findet, Schränke und andere Möbel, die er dann mit der Kreissäge zu feinen Streifen zerlegt. Aus alten werden bei ihm so neue Räume.

Von einer anderen Stadt handelt die Arbeit von Larissa Fassler. Mit ihrem Bauplan karikiert sie die Bausünden rund um den Berliner U-Bahnhof Kottbusser Tor: Wohnblöcke, die einst als ein Ort geplant waren, an dem sich Menschen begegnen, der gut angebunden ist an den Rest der Stadt – und der heute als ein Brennpunkt gilt. Bei Larissa Fassler sieht das so aus: Ein fein säuberlich gezeichnetes Chaos, die ganze Unübersichtlichkeit des Berliner Lebens schlägt einem aus diesem Liniengewirr entgegen. An den Straßenrändern stapeln sich die Logos der winzigen Läden und Imbisse, darüber schichten sich Fasslers Kommentare wie „Hier Polizeieinsatz“ oder „Punktreff“. Einzige Anhaltspunkte für das Auge sind die Anzeigetafeln des U-Bahnhofs Warschauer Straße.

Wie anders dagegen wirkt die westdeutsche Tristesse, etwa in Leverkusen. Dort war Thomas Struth mit seiner Kamera unterwegs und hat sterile Mehrfamilienhäuser fotografiert. Schwarz, weiß mit schwarzem Dach, schwarz mit schwarzem Dach, schwarzes Dach mit weißen Giebeln. Das ist die ganze Bandbreite der Variation. Die Highlights zeigen eine kerzengerade Konifere oder einen weißen VW-Käfer vor schwarzem Haus. Das Leben tobt woanders.

Dass moderne Städte nicht länger der Bourgeoisie dienen, nicht länger ein Lebensgefühl vermitteln sollten, das der Wohligkeit eines gepflegten Einfamilienhauses entspricht, das habe schon 1922 Le Corbusier gefordert, sagte Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, zur Eröffnung von „Innenraum – Aussenraum“. „Über die ideale Form und die Symmetrie sollte die Befreiung des Menschen von der Unordnung erfolgen“, so Jutta Götzmann. Befreit wirkt auf Struths Bildern nichts, im Gegenteil. Die aufgeräumte Ordnung nimmt einem fast die Luft zum Atmen – das Chaos am Berliner Kotti aber auch. Luft, aber eben auch nicht viel Lebendiges, findet sich in Konrads Nachbau des Wohnblocks in der Prager Straße – der aber wurde 1962 nach dem Vorbild von Le Corbusiers Ideen gebaut.

Klar ist, eine Stadt ist immer Projektionsfläche für Visionen und Utopien. Das zeigt auch das Foto „Karl-Marx-Allee“ von Sabine Hornig aus ihrer Serie „Fenster“. Sie interessiert sich für den Berliner Osten, die Straßen, die bis heute von den architektonischen Utopien der sozialistischen Moderne geprägt sind. Sabine Hornig fotografiert das Kino International aus dem Schaufenster eines leer stehenden Ladens – von innen über außen wieder hinein in die Utopie quasi.

Aber kann eine Großstadt das Paradies sein? „What paradise?“ heißt die Arbeit von Kon Trubkovich. Eine gewöhnliche Schaufel, ein sogenanntes Readymade, ein Fundstück also, das seine Bedeutung erst dadurch bekommt, dass es im Museum platziert wird. Mit so einer Schaufel lässt sich natürlich viel verbinden: Kommunismus, Kapitalismus, Totengräber.

Zur Frage, ob alle Utopien schon begraben gehören, finden sich in der Sammlung von Florian Peters-Messer noch einige interessante Arbeiten, die leider keinen Platz in der Ausstellung im Kunsthaus gefunden haben. Die Figuren von Iris Kettner etwa. Ärmliche Gestalten in Trenchcoats und ausgeleierten Kapuzenpullis, mit Fischermützen und billigen Käppis. Beim Blick in ihre Gesichter erschrickt man: Mit diesem zusammengebundenen Knäuel von Stoffresten hat Iris Kettner sie aller persönlichen Merkmale beraubt – und sie der Wut der Städter ausgesetzt. Einen Monat lang platzierte sie sie auf Bänken am Alexanderplatz – mit verdeckten Gesichtern. Foto- und Videoaufnahmen dokumentierten die Reaktionen der Passanten: Von vorsichtiger Kontaktaufnahme bis hin zur Gewalt war alles dabei, am Ende waren die Puppen – bis auf zwei – völlig zerstört.

„Vom Aussenraum zum Innenraum“ ist noch bis zum 4. Mai jeweils Mittwochs von 11 bis 18 Uhr, Donnerstags und Freitags von 15 bis 18 Uhr und am Wochenende von 12 bis 17 Uhr im Kunsthaus, Ulanenweg 9, zu sehen, der Eintritt ist frei

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