Kultur: Der Antistar
Einstein Forum zur Berlinale: Die lange Suche nach dem „Star“ und Peter Fondas amüsante Antwort
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Einstein Forum zur Berlinale: Die lange Suche nach dem „Star“ und Peter Fondas amüsante Antwort Von Jan Kixmüller Die beste Antwort auf einen langen Tag der Diskussionen brachte der Abend. Während man sich vier Stunden lang in der Berliner Staatsbibliothek auf Einladung des Potsdamer Einstein Forums mühte, herauszuschälen, was nun ein „Star“ ist, und welche Verflechtungen mit der Politik bestehen, brachten es die 90 Minuten mit Peter Fonda schon eher auf den Punkt. An der Tür der ehemaligen Kommandantur Unter den Linden grüßte ein Türsteher mit „Sir“, bei der Akkreditierung sagte eine blonde Schönheit: „Sie können sich jetzt frei bewegen“, und in der feinen Lobby des neuen Bertelsmann-Domizils warfen sich Ehrengäste und Filmwelt in heruntergespielter Erwartung auf Fondas Auftritt exaltierte Sätze zu. Das musste nun die Magie sein, von der Filmwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen am Nachmittag gesprochen hatte, das nicht Greifbare, das den berühmten Menschen schließlich zum Star macht. Einer wie Fonda, umgeben von einer Familie der Filmstars und doch – nachdem er vor über 30 Jahren mit „Easy Rider“ Hollywood auf den Kopf gestellt hatte – als Schauspieler eher selten gerühmt, so einer hat sie, diese Aura. Es reicht, wenn der 64-Jährige in Jeans, Cowboystiefeln und mit der obligatorischen Sonnenbrille – acht verschiedene Modelle hat er zur Berlinale mitgebracht – erscheint und nicht mehr ganz nüchtern Anekdoten erzählt. Das hat Wirkung. Er kann machen, was er will, sein Lieblings-Hippy-Wort „Wow“ in die Runde werfen und die Deutschen für den Spruch „Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund“ rühmen („What a cool country“). Das Publikum liebt ihn, auch wenn sein Glanz als Schauspieler, sieht man vom Golden Globe und der Oscar-Nominierung für „Ulee''s Gold“ einmal ab, eher ein vergangener ist. Lange, lange, viel zu lange hatte man am Nachmittag in der Staatsbibliothek die Theorie der „Stars“ bemüht. Im Vergleich zu den Vorjahren waren die Diskussionspanels eher spärlich besucht, die Filmemacher reizte es wohl weniger über das Phänomen der Filmstars zu schwadronieren; und das studentisch-akademische Klientel tummelte sich auf einer unfreiwilligen Konkurrenzveranstaltung: der Lesesaal der Staatsbibliothek war an diesem Mittwoch überfüllt. Doch was ist nun ein Star: eine gewachsene Berühmtheit oder doch eher das Produkt von Filmmanagern? Der Bogen lässt sich heute weit spannen, von Greta Garbo über Madonna bis Daniel Kübelböck. Geradezu inflationär geworden ist der Gebrauch des Begriffs, so oft benutzt das Wort, dass man es nur noch mit Welt- und Superstar toppen kann. Doch ein Kübelböck steht noch ganz am Anfang. Die Experten waren sich einig: Man wird erst zum Star, wenn man wie Madonna 20 Jahre an sich gearbeitet hat. Gebetsmühlenartig machte das Wort Star an diesem Nachmittag die Runde, und wenn Elisabeth Bronfen nicht eingeschritten wäre, hätte man sich in diesem Star-Gerede verloren. Die Filmwissenschaftlerin erinnerte daran, dass auch so etwas wie Können zu einem Star gehöre und ein gewisses Charisma, eine Aura, ja sogar ein „magischer Transfer“. Nun gut, ein Transfer findet tatsächlich statt, meist eine Projektion der Träume und Wünsche des Publikums auf die unerreichbaren Berühmtheiten auf Leinwand und Bildschirm. Und wenn man einem anwesenden Pädagogen glauben darf, werden wir in einigen Jahren viele, viele Staranwärter haben, denn er werde heute geradezu mit Briefen von Kindern überhäuft, die wissen wollen, wie man ein Star wird. Worauf Regisseur Michael Verhoeven nur eine Antwort wusste: „Man muss an sich glauben“. Was aber letztlich den Star ausmacht, konnte die Diskussion nicht gänzlich beantworten. Die Frage nach Stars, die in die Politik gehen, blieb dann glücklicherweise nicht an Arnold Schwarzenegger hängen. Schnell war man bei den Politikern, die heute auch Darsteller sein müssten, Berlins OB Klaus Wowereit etwa wurde auf dem Podium genannt. Überhaupt stehe die Politik heute stark unter dem Einfluss medialer Strukturen, gab Hans-Ulrich Joerges vom „Stern“ zu bedenken. Vom TV-Duell Schröder-Stoiber über die pathetische Inszenierung der Hartz-Konzeptes im Französischen Dom bis zum Medienkanzler: Politik sei heute in erster Linie mediale Inszenierung. PDS-Chef Lothar Bisky pflichtete dem bei, in der „Mediokratie“ würde die Politik den Regeln der Medien folgen. Medienkanzler Schröder, so Joerges, sei nun gescheitert, die Menschen würden heute Kompetenz der Inszenierung vorziehen. Über Politik wollte Altstar Fonda am Abend dann allerdings nicht mehr sprechen. Er monologisierte lieber über die Dreharbeiten zu „Easy Rider“, Erinnerungen an einen wilden Drogentrip aus dem er als „Antistar“ hervorging; mehr oder weniger ungewollt krempelte er damals mit Dennis Hopper und Jack Nicholson die amerikanische Filmwelt um. Dann erzählte er noch von dem kleinen Italiener, bei dem er gestern mit Spagetti und Mozzarella abgefüllt worden sei, von den 16 Interviews der vergangenen Tage und vom Gespräch mit Maischberger, die ihre Brust so eigentümlich hervorgestreckt habe. „Wow, what a country“.
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