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Kultur: Der Film war sein Leben

Wolfgang Staudte wäre am 9. Oktober 100 Jahre alt geworden / Veranstaltungen im Filmmuseum

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Wolfgang Staudte (1906-1984), geboren in Osnabrück, hat sein Leben konsequent dem Film gewidmet. Zuerst als Schauspieler und Synchronsprecher und schließlich als Werbe-, Spielfilm- und Fernsehregisseur. Seine facettenreiche Tätigkeit umfasst die Zeit von den späten 1930er- bis in die 1980er-Jahre. Die Filme und Fernsehspiele aus knapp 50 Jahren reflektieren auf ganz außergewöhnliche Weise nicht nur die Geschichte der BRD und der DDR, sondern spiegeln die ästhetischen und strukturellen Entwicklungen der deutsch-deutschen Medienkultur, die in dieser Zeit einen Leitmedienwandel vom Kino zum Fernsehen, vom künstlerischen Medium zur Unterhaltungsmaschinerie vollzieht.

Am 9. und 10. Oktober wird im Filmmusueum ein „Nachdenken über Staudte“ stattfinden. Die Veranstaltung wird den ganzen Staudte in den Blick nehmen. Die Zeit des Nationalsozialismus soll die Frage nach seinen Anfängen stellen. Welche Position nimmt Staudte ein, wer sind seine Vorbilder? Wo arbeitet er, gibt es mögliche Anschlüsse nach dem Zweiten Weltkrieg?

Diese Überlegungen bilden eine zentrale Grundlage für die Beschäftigung mit der Zeit nach 1945. Denn seine Filme sind essentieller Bestandteil der deutschen Kultur der Nachkriegszeit. Welches Geschichtsbild vertritt Staudte in seinen Filmen? Gibt es für ihn eine Stunde Null? Welche ästhetischen und institutionellen Impulse gehen von ihm aus?

Nach dem Krieg ist der Regisseur eng mit der DEFA und den Filmstudios in Babelsberg verbunden. Hier und in der näheren Umgebung entstehen „Die Mörder sind unter uns“ (1946), „Rotation“ (1948) und sein wohl bekanntester Film „Der Untertan“ (1951). „Die Geschichte vom kleinen Muck“ (1953), dessen Regie er zunächst nur widerwillig übernahm, wurde zu einem zeitlosen Klassiker des Märchenfilms.

Mit Blick auf sein Schaffen für die DEFA, in Westdeutschland und Holland soll nicht nur die Frage nach der zunehmenden Politisierung des Werks und der Person weitergeführt werden, sondern auch die Frage nach Staudtes ästhetischen Strategien im Spannungsfeld von Unterhaltungskino und der Analyse deutscher Gegenwart im Kino und im Fernsehen aufgeworfen werden. Wie vermittelt Staudte seine Themen in dem sich wandelnden Filmmarkt? Gibt es einen gesellschaftlichen Auftrag bzw. eine Selbstverpflichtung, die ihn bewegt?

Fortgeführt werden diese Fragestellungen mit Blick auf eine für die deutsche Nachkriegsgesellschaft wichtige Scharnierstelle: die 1950er und 1960er Jahre. Welche Wirkung haben seine Zeitfilme überhaupt noch? War er in Bezug auf die Ästhetik der Filme ein Avantgardist? Oder nur ein im Rahmen des ökonomisch Möglichen agierender Kauz? Diese Fragen führen direkt zu Staudtes Arbeit beim Fernsehen. Gezwungen durch den finanziellen Misserfolg seines selbst produzierten Films „Herrenpartie“ (1964) und wegen des Ausbleibens attraktiver Drehbücher wendet er sich verstärkt dem Fernsehgeschäft zu. Geschätzt wegen seiner Präzision und Zuverlässigkeit, realisiert er einzelne Folgen des „Tatort“ bzw. „Der Kommissar“ im Rahmen von Fernsehreihen, zeichnet aber auch verantwortlich für die Realisierung ganzer Serien („Der Seewolf“ oder „Die Pawlaks“).

Beeendet wird die Veranstaltung mit einer Diskussion unter dem Titel „Film zwischen gesellschaftlichem Seismograph und Massenunterhaltung oder: Würde Wolfgang Staudte Telenovelas drehen?“, die die Aktualität seines Werks auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Produktionsbedingungen im Fernsehen reflektieren soll. B.M.

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