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Kultur: Der harte Aufprall nach dem Siegestaumel

Knuth Seim erhielt für seine Plastik „Wohin?“ den Brandenburgischen Kunstpreis 2013. Dann kam die Ablehnung, an der „Art Brandenburg“ teilnehmen zu können. Ein Künstler zwischen Wut und Verständnis

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Er ist sauer gewesen, ohne Frage. Erst erhält er diesen renommierten Brandenburgischen Kunstpreis und dann folgt kurz darauf die Ablehnung, an der Kunstmesse „Art Brandenburg“ in Potsdam teilnehmen zu dürfen. Seit dieser Absage sind gut vier Wochen vergangen und Knuth Seim sieht die Sache inzwischen viel gelassener. Er ist wieder im Gleichgewicht. „Ein Künstler muss eben immer auch damit rechnen, dass er in ein bestimmtes Konzept nicht reinpasst. Und eine Jury-Entscheidung ist nun mal souverän“, spricht er sich jetzt selbst wieder Mut zu. Natürlich sei er erst mal geschockt gewesen, dass er aus der Bewerberrunde rausgeschmissen wurde. Aber einem Drittel der Bewerber erging es nicht anders. Der Unterschied war vielleicht nur, dass Knuth Seim gerade noch im Taumel des Erfolgs dieses Kunstpreises stand. Und gerade erst hatte er auch angefangen, sich wieder ausschließlich der freien Kunst zuzuwenden. In seiner kunstpreisgekürten Arbeit „Wohin?“ ließ er allen widerstreitenden, sich aufbäumenden Gefühlen freien Lauf. Es ist die Skulptur, in die er die Trennung von seiner Frau und die neue Liebe hineinmeißelte. So überzeugend, dass er diesen wichtigen Preis in der Kategorie Skulptur dafür bekam. Das war im Juni – mit einer anschließenden Ausstellung im Schloss Neuhardenberg, in dem sich alle Preisträger vorstellten. „Normalerweise bekommt man einen Kunstpreis für ein Werk, das sich über Jahre entwickelt hat. Meine Arbeit war nicht hinterfüttert mit anderen Plastiken. Also kann ich auch nicht erwarten, jetzt auf einem Silbertablett getragen zu werden“, sagt der Künstler, nachdem sich die inneren Wogen geglättet haben.

Seim ist kein Neuling in seinem Metier. Nach einer Lehre als Steinmetz an der Semperoper Dresden hat er in Berlin-Weißensee an der Kunsthochschule studiert und ein Jahr vor der Wende sein Diplom gemacht. Der 1961 in Karl-Marx-Stadt (dem heutigen Chemnitz) geborene Künstler versuchte freiberuflich Fuß zu fassen. Aber irgendwann konnte er sein Atelier nicht mehr bezahlen, seine Frau und die drei Kinder nicht mehr ernähren. „Überall schwappte die Westkunst auf den Markt und ich fühlte mich mit meinen Figuren total verunsichert.“ Ja, ab und an hat er mal etwas verkauft, aber es reichte einfach nicht. Er tat sich auch schwer mit der Selbstvermarktung. Also trat er die Flucht nach vorn an, zog aufs Land: ins Havelland. Dort ging er in den Wald, schlug Holz, baute Spielplätze. Und lernte als Geschäftsführer marktwirtschaftlich denken. Die Vorstellung, nebenbei weiter Kunst zu machen, trat mehr und mehr in den Hintergrund. Fast seine ganze Zeit und Energie floss ins Geschäft mit Spielhütten, Schaukeln und Rutschen. Für die Kunst blieb nur der Winter. „Das hat mich nicht gerade glücklich gemacht.“ Seim arbeitete sporadisch weiter an seinen einfachen Köpfen ohne Gesicht. Seine „geschlossene Phase“, wie er sie nennt. Vielleicht war sie ein Widerhall auf die zunehmende eigene künstlerische Gesichtslosigkeit.

Dann kam vor anderthalb Jahren der Bruch. Er verliebte sich in eine Künstlerin und durchlebte eine große Beziehungskrise. Knuth Seim wurde getrieben von dieser Frage „Wohin?“. Die Skulptur aus Sandstein ist bildhafter Ausdruck dieser inneren Zerrissenheit. Inzwischen ist er nach Glienicke zu seiner neuen Liebe gezogen. Kurz darauf kam der Kunstpreis. Und eine weitere Herausforderung: Seim arbeitet jetzt an der lebensgroßen Bronzeplastik „Undine“ für die Stadt Brandenburg, die der Rotary Club finanziert und die 2015 fertig sein soll. Er wurde Sieger eines Wettbewerbs zur Landesgartenschau. „Mein Entwurf zeigt Undine als junge Frau von besonderer Schönheit und Sinnlichkeit“, beschreibt er seinen Entwurf, mit dem er eine hochkarätige Jury überzeugen konnte. Das alles hat ihm einen Schub gegeben – trotz der langen Phase des Umbruchs. „Ich spürte, dass der jetzige Weg der richtige ist. Ich war so im Siegestaumel, dass mich die Ablehnung zur ,Art’ wie ein Faustschlag traf.“

Doch wenn er sich umpusten lassen würde von jedem Gegenwind, wäre es vorbei mit der Kunst. Das weiß Knuth Seim natürlich. Er muss einfach das tun, was ihm auf der Seele brennt, was nach künstlerischer Bearbeitung ruft. Wie bei „Wohin?“ und jetzt bei der Undine. Zudem gibt es 2014 zwei Ausstellungen: in Falkensee und in Berlin-Lichtenberg. „Wenn man sich vom Urteil anderer abhängig macht und von allen geliebt werden will, ist man in der Kunst falsch.“

Wird er sich noch mal zur „Art“ bewerben? Knuth Seim weiß es nicht. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass die Jury ihn dort ablehnte. Von vier Anläufen wurde er dreimal nicht genommen. „Man kann eben nicht überall obendrauf tanzen,“ so das Mitglied des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler (BVBK). Knuth Seim hat auch schon selber Juryentscheidungen mitgefällt bei Teilnehmern für Symposien. „Da geht es oft weniger um die einzelne Persönlichkeit als um die Genrevielfalt.“ Sicher: Das klingt irgendwie nach Trost, den er sich selbst zuspricht. Aber warum auch nicht.

„Wir haben viel mehr Bewerber als Plätze. Es gab in diesem Jahr 126 Anwärter auf 70 Kojen“, relativiert auch Daniela Dietsche, die Geschäftsführerin des BVBK, die die „Art Brandenburg“ mitorganisiert. Die Jury bestehe aus unabhängigen, ausgewiesenen Kunstexperten und sei jedes Mal anders zusammengesetzt. Daniela Dietsche weiß, dass es vor allem auch darauf ankomme, ansprechende Bewerbungsmappen abzuliefern. „Man muss sich sehr gut präsentieren“, sagt sie, ohne die Mappe von Knuth Seim zu kennen. Der Verband biete seinen Mitgliedern auch Hilfe in Form von Mappenkursen an.

Knuth Seim meint indes: „Irgendwie steht die Sache mit der Art für mich wohl unter einem schlechten Stern. Ich bin ein bisschen Art-geschädigt.“ Aber er wird seiner Freundin Heike Adner helfen, ihre Arbeiten dort aufzubauen. Sie konnte die Jury mit ihren Plastiken überzeugen.

Die Art Brandenburg findet vom 15. bis 17. November 2013 in der Schinkelhalle, Schiffbauergasse 4a, statt

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