Kultur: Der Kampf um die Denkmale
Von wann bis wann reicht eigentlich die Archäologie? Ungefähr von der Bronzezeit bis gestern, wenn man dem neuen Band „Archäologie in Berlin und Brandenburg 2008“ glauben will.
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Von wann bis wann reicht eigentlich die Archäologie? Ungefähr von der Bronzezeit bis gestern, wenn man dem neuen Band „Archäologie in Berlin und Brandenburg 2008“ glauben will. Seit nunmehr 15 Jahren gibt es diese Anthologie, etwas länger, als Berliner und Brandenburger Behörden, Museen und Vereine in Sachen Bodendenkmalpflege kooperieren. In dieser Woche wurde der jüngste Band im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall vorgestellt. Man erfuhr aus berufenem Munde nicht nur den aktuellen Forschungsstand, sondern auch von den Sorgen vor Ort. Die ergeben sich vorsätzlich aus der Prioritätenfindung des betreffenden Ministeriums, was auf der anderen Seite zu mangelnder Präsenz vor Ort führe.
Genau dies aber haben Archäologen und Denkmalpfleger im Sinn: Weg vom alleinigen Ausgrabungseifer, hin zu den Menschen, für die man ja arbeitet. Zur Präsentation. Spardruck auf der einen Seite minimiert die Öffentlichkeitsarbeit. Wie wichtig sie ist, erleben die Ausgräber täglich: Immer wieder fragen Zaungäste nach dem Stand der Dinge, auch am Buddelkasten neben St. Nikolai, jetzt schon „Landtagsareal“ genannt. Es gibt also ein großes Interesse in der Bevölkerung, es gibt ungezählte Helfer im Ehrenamt.
Wie aber nun sollten sich Archäologen und Denkmalpfleger besser empfehlen, als durch ihre Arbeit? Im Land Brandenburg gibt es derzeit 800 sogenannte Maßnahmen mit den Schwerpunkten Lausitzer Braunkohlerevier, Baruth, Prignitz, und überall da, wo in den Boden eingegriffen wird, vom Häuslebau bis zur Errichtung von Windrädern. Es ist ein Kampf gegen die Zeit, Kulturgeschichte steht oft der aktuellen Ökonomie im Wege, und nicht immer finden die Pfleger offene Ohren. So hörte man Kutschstall sogar den Satz vom „Kampf um unsere Denkmale“.
Wohlgeordnet nach Zeit und Kultur berichten die Autoren in „Archäologie in Berlin und Brandenburg“, was im Jahr 2008 im Land Brandenburg so alles ans Licht kam, etwa bei den Grabungen zwischen Holzmarkt- und Türkstraße, oder auf dem Schlossplatz in Potsdam. Es gibt Neues von der Saline Salzbrunn bei Beelitz, aber auch den Goldschatz aus dem Dreißigjährigen Krieg in Fürstenberg. Die wahrlich flächendeckende Informationsfülle läßt natürlich auch Berlin nicht aus: Erst jetzt, so war zu hören, grabe man sich von den „barocken Vorstädten“ an die historische Mitte heran. Berichte von der Georgenkirche und vom Schlossplatz belegen das. Wenig ist da, viel sei zu holen: Gerade weil das Zentrum Berlins ein „desaströser Stadtraum“ sei, müsse die Archäologie die Politik wieder beraten – und diese das Zuhören lernen.
Welche Züge der „Kampf um die Denkmale“ auch annehmen kann, zeigt der letzte Artikel des Buches unter dem Stichwort „Neuzeit“. Vor zwei Jahren meldeten Zeitungen hysterisch, auf der Mülldeponie Groß Schönebeck hätte man Reste der Reichspogromnacht 1938 gefunden. Retten, tönte es aus allen Ecken. Man grub, doch schon bald erwies sich alles als Irrtum. Jetzt wird die sogenannte „Altablagerung“ befriedet und begrünt. Auch das gehört eben zur zeitgenössischen Archäologie. Man kann nur empfehlen, dieses Buch in die Hand zu nehmen. Gerold Paul
Archäologie in Berlin und Brandenburg 2008, Hrsg. von der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e. V., Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2010, 154 Seiten mit 141 überwiegend farbigen Abbildungen, gebunden, 26,50 €
Gerold Paul
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