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Auf Freigang. Um Häftling Mark dreht sich der Film Lebendkontrolle (Bild oben). Regisseur Florian Schewe und Hauptdarsteller Gerdy Zint wurden dafür prämiert (rechts, v.l.). HFF-Präsident Dieter Wiedemann begrüßte die Gala-Gäste (links).

© Manfred Thomas (2)/promo

Von Jana Haase: Der kleine Bruder

Bei den 15. Babelsberger Medienpreisen gewann der HFF-Film „Lebendkontrolle“ gleich zweimal

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„Lebendkontrolle“, so wird im Gefängnis der morgendliche Kontrollrundgang genannt, bei dem die Inhaftierten auf körperliche Unversehrtheit überprüft werden. Im gleichnamigen Film von HFF-Absolvent Florian Schewe jedoch wird der erste Freigang für Häftling Mark (Gerdy Zint) zu einer Prüfung ganz anderer Art. Ein „Freundschaftsdienst“, den der ruppige und wortkarge junge Mann für seinen Zellengenossen ausführen will, führt ihn umgehend zurück ins kriminelle Milieu, die Ereignisse laufen aus dem Ruder, enden mit roher Gewalt. Zum geplanten romantischen Treffen mit seiner Freundin kommt Mark zu spät, mit gebrochener Nase. Aber er ist nicht nur äußerlich lädiert. Seine hilflose Wut lässt er an der Unschuldigen aus.

Gleich zwei Auszeichnungen gab es für den Film von Florian Schewe am Freitagabend bei den Babelsberger Medienpreisen: Neben dem mit 18 000 Euro dotierten Förderpreis für den besten Spielfilm gewann Hauptdarsteller Gerdy Zint den in diesem Jahr neu gestifteten Schauspielpreis – zumindest die eine Hälfte davon. Die dreiköpfige Jury hatte sich entschieden, den mit insgesamt 7 000 Euro dotierten Preis zu halbieren. Neben Nachwuchstalent und Quereinsteiger Gerdy Zint wurde eine Grand Dame der Bühne und Leinwand gewürdigt: Ursula Werner erhielt den Schauspielpreis für ihre Rolle als Telefonseelsorgerin Marianne in „Am anderen Ende“. Die 66-Jährige Berlinerin war erst im vergangenen Jahr für ihre Hauptrolle im Rentner-Liebesdrama „Wolke 9“ mit der „Lola“, ausgezeichnet worden.

Im Vergleich zu diesem wichtigsten deutschen Filmpreis, um dessen Ausrichtung sich Babelsberg – bislang noch vergebens – bemüht hat, ist der Babelsberger Medienpreis allenfalls so etwas wie ein kleiner Bruder. Mit den Preis-Statuetten in Form einer Filmrolle, die im Dunkeln blau leuchtet, werden die besten Diplomfilme von Absolventen deutschsprachiger Filmhochschulen in den Kategorien Dokumentarfilm und Spielfilm sowie – mit dem mit 25 000 Euro dotierten „Erich-Kästner-Fernsehpreis“ – das beste deutschsprachige Kinder- und Jugendprogramm prämiert.

Dass der Preis in den nunmehr 15 Jahren seines Bestehens einen festen Platz in der Filmfamilie behaupten konnte, zeigt der Blick auf die Liste der „Ehemaligen“: Hans Weingartner, der in Babelsberg für seinen Erstling „Das weiße Rauschen“ geehrt wurde, drehte danach Kino-Erfolge wie „Die fetten Jahre sind vorbei“, auch Maren Ade, die 2009 bei der Berlinale den Silbernen Bären für „Alle Anderen“ gewann, bekam den Babelsberger Medienpreis für ihr Debüt, Roland Suso Richter ist heute als Fernseh-Regisseur mit Projekten wie „Das Wunder von Berlin“ oder „Mogadischu“ erfolgreich.

Als Investition in die Zukunft des deutschsprachigen Films verstehen die Initiatoren, die Münchener Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film und Fernsehrechten (GWFF) als Hauptsponsor und die Babelsberger HFF, folgerichtig den Preis. Dabei stand die Zukunft des Preises selbst zwischenzeitlich auf der Kippe, wie HFF-Präsident Dieter Wiedemann am Freitag wissen ließ. Er rechne nun aber damit, dass der Hauptsponsor, der im Laufe der Jahre bereits rund 750 000 Euro investiert habe, sein Engagement fortsetzen werde.

Schließlich gibt es für das „Kind“ mittlerweile nicht nur prominente Paten wie Berlinale-Chef Dieter Kosslick, der sich am Freitag wegen einer Dienstreise nach Hollywood per Videobotschaft entschuldigen ließ, und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder – auch sie kam nicht zur Gala ins Atrium der HFF in der Marlene-Dietrich-Allee. Die Initiatoren konnten auch weitere Geldgeber wie den Rundfunk Berlin Brandenburg und neuerdings die Polyphon Film- und Fernsehgesellschaft überzeugen.

Das kommt den Gewinnern zugute. Neben Florian Schewe, Gerdy Zint und Ursula Werner wurde in diesem Jahr das Südafrika-Spezial der „Sendung mit der Maus“ prämiert. Der Preis in der Kategorie Dokumentarfilm ging an Pascal Hofmann und Benny Jaberg von der Zürcher Hochschule der Künste. Ihr atmosphärisches Porträt des 2006 verstorbenen Regisseurs Daniel Schmid „Daniel Schmid - Le chat qui pense“ hat es bereits in die Kinos geschafft – und ist träumerisch-poetisches Gegenstück zur dokumentarisch-harten Gefängnis-Realität in „Lebendkontrolle“, einem Film, der bei der diesjährigen Berlinale Aufsehen erregte.

Dass das Preisgeld an neue Projekte gebunden ist, sei „großartig“, betonte HFF-Absolvent Florian Schewe. Der Preis könne zur „Starthilfe“ für neue Projekte und den Einstieg in den freien Markt des Filmemachens sein, meint der 32-Jährige. Dass dabei auch finanziell schwierige Zeiten warten können, weiß Hauptdarsteller Gerdy Zint aus Erfahrung. „Ich habe sieben Jahre auf Risiko gelebt, es gab auch Zeiten, wo ich abbrechen wollte“, erzählte der gelernte Dachklempner, der neben seinem regulären Job zunächst jahrelang unentgeltlich auf der Theaterbühne stand: „Tagsüber auf dem Bau, nachts am Theater.“ Von dem Babelsberger Preisgeld für „Lebendkontrolle“ wolle er auch Schulden bei Freunden begleichen, gab er freimütig zu.

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