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Kultur: Der Krieg lässt sich nicht ausblenden

Myrna Maakaron präsentiert „Mein Libanon“ bei den Filmtagen vom 18. bis 21. Januar im Filmmuseum

Dieses deutsch-libanesische „Projekt“ trägt das schönste Lächeln. Es heißt Lily und ist noch kein halbes Jahr alt. Lily lebt in Berlin, im sicheren Berlin, wo die Angst vor dem Krieg nicht zum Alltag gehört. Auch Lilys Mutter, die Filmemacherin Myrna Maakaron, strahlt. Sie darf im Filmmuseum Potsdam Filme aus ihrer Heimat zeigen: aus dem Libanon. Auch ihr eigener ist dabei. „BerlinBeirut“, ein Film, der auf der Berlinale den Today Award 2004 erhielt und der die beiden Städte geradezu magisch in einem Schmelztiegel vereint.

Es ist eine spannende Herausforderung für den Zuschauer, zu erkennen, an welchem Ort er sich gerade befindet. Einschüsse in den Mauern hier wie dort, neue Stadtteile erheben sich neben alten. Und bunte, flirrende Märkte sind ohnehin wie Dönerstände längst vom Orient ins Abendland rübergeschwappt. Berlin und Beirut – beide Orte waren besetzt, zerstört, geteilt und wurden wieder aufgebaut. Noch heute sagen die Menschen beider Städte „Ost“ und „West“. Myrna spielt leichtfüßig und charmant mit den Täuschungen. Und Lilys deutscher Papa unterlegt sie mit einfühlsamer Musik.

In einer Szene stellt Myrna ihr Rad beiseite und steigt in ihrem weich fließenden, lila-blauen Kleid hinab in einen dunklen Keller; für sie Symbol für den Schutz vor Bomben. Es ist ein Berliner Keller.

Myrna war ein Jahr alt, als der Krieg in ihrer Heimat ausbrach und 15 Jahre dauern sollte. Alle 27 Spiel- und Dokumentarfilme, die während der am 18. Januar beginnenden dreitägigen Libanesischen Filmtage in Potsdam zu sehen sind, erzählen vom Krieg – und sei es nur im Hintergrund. „Eine Entdeckung, auf die wir nicht gefasst waren. Aber es muss wohl raus“, so Myrna.

Wie in einem Puzzle werden ganz verschiedene Geschichten erzählt, die ein vielfarbiges Libanon-Bild entstehen lassen, eines, das abrückt vom Nachrichtenbild, das sich nur auf den Krieg beschränkt. „Die meisten Leute in Deutschland denken, wir leben alle in der Wüste und tragen Schleier“, so Myrnas Erfahrung. Als sich die Filmmuseums-Direktorin Bärbel Dalichow auf die Reise in den Libanon begab, um die dortige Filmwelt zu erkunden, glaubte sie, eine völlig zerstörte Stadt anzutreffen. Sie hatte gerade die Tickets gebucht, als der Sommerkrieg ausbrach. „Zum Glück dauerte er nur 34 Tage. In Beirut erlebte ich Menschen, die am liebsten tot wären, weil sie den Krieg einfach nicht mehr aushalten.“

Die Recherchen vor Ort erwiesen sich für die Potsdamerin als schwierig, doch mit Hilfe von Künstlern habe sie dennoch diverse Filme sehen können. Beim Recherchieren stieß sie auch auf Myrna Maakaron, die mit 15 Jahren das erste Mal auf der Bühne stand. 2000 ging sie nach Paris an die Sorbonne, bis sie vor vier Jahren nach Deutschland kam. Ihr legte Bärbel Dalichow die Filmauswahl schließlich in die Hände: „Eine ganz subjektive Sicht, doch ich habe Libanon mit dieser Reihe entdeckt“, so die Museumsdirektorin.

Schon vor einem Jahr sollte ihr Haus anlässlich der Ausstellung „Wiederaufbau Beirut“ im Potsdam-Museum begleitend Filme zeigen. „Doch wir nehmen keine Filme ins Programm, die wir nicht kennen. Die jetzt gezeigten Streifen sind aus vielen Ländern zusammen gestoppelt, weil im Libanon kein Filmarchiv existiert“, so Bärbel Dalichow. „Es gibt bei uns kein Geld, Filme zu machen. Wir haben zwar fünf Filmhochschulen, die jedes Jahr für 100 Absolventen sorgen, doch der Großteil macht nicht weiter“, erklärt Myrna Maakaron die schwierige Situation. Die meisten libanesischen Künstler leben im Ausland, so wie oft auch ihre Filmhelden, über die sie erzählen. Da ist zum Beispiel der 10-jährige „Zozo“, dessen Eltern im Krieg starben und der nach Schweden zu seinen Großeltern gebracht wird. Dort erlebt er einen Kulturschock. „Als ich diesen sehr persönlichen, herzerwärmenden Film von Josef Fares sah, brach ich in Tränen aus, denn meine eigene Kindheit und das Leben meiner Familie während des Krieges standen mir vor Augen – und zugleich mein Schicksal als Emigrantin, mit all der Sehnsucht und den Versuchen, sich an eine fremde Kultur zu gewöhnen“, schrieb Myrna Maakaron im Flyer zu den Filmtagen. Doch Myrna sucht das Vertraute in der Fremde. Berlin hat sechs Buchstaben – wie Beirut. „Doch es ist sicherer, hier zu sein. Gerade mit Lily“. Deren Lächeln scheint wie eine stille Bestätigung.

Begleitend zu den Filmtagen gibt es im Filmcafé Libanesische Nächte mit Live-Musik sowie eine Ausstellung von der libanesischen Künstlerin Dima Raab.

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