Kultur: Dessous für den Alten Fritz
Ab morgen im Gästeschloss Friedrichs des Großen: „Neue Kunst in den Neuen Kammern“
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Forschen Schrittes geht es durch den Jaspissaal. Von zeitgenössischer Kunst weit und breit nichts zu sehen. Man wurde aber eingeladen zur Pressebesichtigung der Ausstellung „Neue Kunst in den Neuen Kammern“. In diesem festlichen Raum, in dem wohl alles beim Alten geblieben ist, fällt auf, dass der Kamin ein vergoldetes Gitter erhalten haben muss. Also doch etwas Neues? Neugierig geworden, tritt man an den Marmorkamin und entdeckt, das Gitter ist gar nicht metallen, sondern es besteht aus Dosenrohlingen, die nur vergoldet wurden. Hier hat man sie kunstvoll gestapelt. Aha, das gehört also zu den künstlerischen Arbeiten, die im Schloss gezeigt werden.
Doch allein der Spaziergang durch die Neuen Kammern ist spannungsgeladen. Jeder Raum hält eine Rokoko-Überraschung parat. Friedrich der Große, hat das lang gestreckte Gebäude ursprünglich als Orangerie erbauen lassen, dann jedoch zum Gästehaus umgestaltet. In den Sälen gab es Feste oder Konzerte und in den kleineren Appartements wohnten vorwiegend hohe Offiziere während der jährlichen Frühjahrsrevuen und Herbstmanöver.
In diesen Innenräumen, deren kostbare Gestaltung man zum Höhepunkt des friderizianischen Rokoko zählt, begibt sich die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten nun auf Neuland. Und zwar mit der Präsentation von heutigen Kunstwerken in historischen Schlossräumen. Hier findet ein buntes Spiel mit Überraschungen statt.
So wird im Grünen Lackkabinett der Besucher zu einer Tasse Kaffee oder Schokolade eingeladen. Doch Halt, bitte kein Wasser in die kunstvoll geformten und bemalten Gefäße gießen. Es könnte sein, sie weichen auf, schließlich hat sie Julia Büttelmann aus Pappe und Papier hergestellt. Die Pantoletten und Brautschuhe mit den großen Schnallen und fantasievollen Blumen im Alkoven des Schlafzimmers der ersten Gästewohnung machen den Eindruck, als ob sie so eben von den Füßen gestreift wurden, denn in den übernächsten Wohnungen wurden bereits Slips verschiedener Größen abgelegt. Wie man erfährt, sollen sie dem König persönlich gehören. Ruth Handschin hat entdeckt, dass die blau-goldenen Dessous, bemalt mit verschiedenen Blättern und Blumen, Geschenke des französischen Sonnenkönigs Louis XIV. an Friedrich II. sind. „Ich habe meine besten Künstler und Botaniker beauftragt und die ersten Resultate sind schon da: Geniale Muster“, freut sich der Franzose. Und er fügt in dem Brief an den Preußen hinzu: „Noch sind es Dessous. Und es muss geheim bleiben.“
Die Damen, die sich in dem Zimmer Tag und Nacht aufhalten müssen, sehen und hören aber nichts. Sie sind nämlich aus Zucker und Wachs. Käthe Wenzel hat sie und die berühmte Prinzessinnengruppe nach Schadow geschaffen, auch aus Zucker. Das Knochenkleid (Käthe Wenzel) hat irgendwie dagegen nichts mit heiterem Rokoko zu tun, es stößt irgendwie ab. Da schaut man sich lieber die „Vögel“ aus Knochen und den riesengroßen bunten Federn an, die von der Decke herunter hängen. Versteinerte Schneeflocken und eine Steinesammlung sind ebenfalls in Augenschein zu nehmen. Hübsch bemalt, denn die kleinen Objekte, wiederum von Julia Büttelmann, sind ebenfalls aus Pappe, Papier und Kunststoff.
Weiter geht es in den Ovidsaal, in dem zu Friedrichs Zeiten wohl auch getanzt wurde. Der Marmorfußboden hat Gesellschaft erhalten. Elisabeth Sonneck spielt mit 55 Tafeln aus Acrylglas, die sie farbig bemalte. Im ersten Augenblick ist die Installation nicht erkennbar. Da kann es passieren, dass man in Kontakt mit den Tafeln gerät. Aber vielleicht ist dies so gewollt. Im anschließenden Buffetsaal ist der Tisch bereits gedeckt. Hühnchen oder auch Schinken warten auf den Gast. Auch hierbei ist alles nur Illusion. Doch das Kalte Buffet aus Textilien und Gummi wirkt unappetitlich und abgestanden.
Nicht in die Ausstellung integriert sind die Fayencen auf der Etagére in diesem Saal. Heidi Manthey, eine Meisterin heutiger Keramikkunst, hat sie im Rokokostil nachgebildet. Es ist nichts Neues, dass in den mehr als 250 Jahren des Bestehens von Sanssouci moderne Kunstauffassungen zu finden sind. Wenn auch Friedrich II. an Überkommenem festhielt, so hat doch schon sein Nachfolger, König Friedrich Wilhelm II., das Sterbezimmer im Schloss Sanssouci im aktuellen Stil umgestaltet, im klassizistischen. Und so setzte sich das im Laufe der Geschichte der Schlösser und Gärten fort. Vielleicht gab es nicht derart krasse Einschnitte, wie man es in Friedrichs Sommerresidenz erleben kann. Im späten 20. Jahrhundert gab es behutsame und geschmackvolle Einfügungen zeitgenössischer Kunst, beispielsweise die beiden Badenden aus Bronze von Gerhard Lichtenfeld vor der Orangerie im Neuen Garten. Auch die Potsdamer Kunstausstellung im Jahre 1921 in der Sanssouci-Orangerie gewann eine über die Stadt hinaus gehende Berühmtheit.
„Die Auseinandersetzung mit aktueller Kunst ist zwar nicht unsere eigentliche Aufgabe, aber auch unser Anliegen“, sagte Stiftungs-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh vor der Presse. Und so wurden in 40 Jahren 60 Ausstellungen mit neuer Kunst präsentiert. Unvergessen sind die jährlichen Grafikausstellungen vor allem in den achtziger Jahren in der Turmgalerie der Orangerie.
Silke Hollender, die in der Stiftung verantwortlich für zeitgenössische Kunst ist, hat für die aktuelle Schau in den Neuen Kammern das Büro für Kunst und Kommunikation aus Berlin, FLORA 16, gewinnen können. Ihre Aufgabe sahen die Kuratoren Ellen Kobe und Marvin Altner darin, einen Dialog zwischen gestern und heute zu entfachen. Die Rokoko-Lebenswelt wird durch heutige Kunst kommentiert, hinterfragt, gestört und ironisiert. Umgekehrt geschieht das Gleiche. Und dies ergibt eine herrliche Mehrdeutigkeit, die so ganz spielerisch, heiter, ja witzig daher kommt. Die Installationen, Projektionen oder Objekte wirken ganz selbstverständlich in die Räume integriert.
Neue Kunst in den Neuen Kammern, 19. Juli bis 28. September, Di-So 10-18 Uhr; Jeden Samstag und Sonntag von 14 bis 16.30 Uhr sind Studierende des Instituts für Künste und Medien der Uni Potsdam als „SprecherInnen“ in der Ausstellung zu finden. Sie geben Auskünfte zu den Objekten.
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